Die Natur der Dunklen Materie
Mittwoch, 4. Juli 2007
Prof. Dr. Peter L. Biermann, MPIfR
Fast alle Materie im Universum ist dunkel, und wir wissen nicht, aus was sie besteht. Normale Materie ist sehr selten. Aber die Entstehung der ersten Sterne im Universum war vielleicht nur möglich wegen der Eigenschaften der Dunklen Materie, falls sie nämlich aus rechtshändigen Neutrinos besteht. Diese rechtshändigen Neutrinos können zerfallen, und dabei entstehen ein linkshändiges Neutrino und ein Photon. Die Photonen ionisieren den neutralen Wasserstoff, und so kann erheblich mehr molekularer Wasserstoff entstehen. Dieser wiederum ist wichtig für die Kühlung und den Kollaps der Gaswolken, aus denen die allerersten Sterne entstehen. Das ultraviolette Licht dieser ersten Sterne ionisiert dann das normale Gas im ganzen Universum, nur 150 - 400 Millionen Jahre nach dem Urknall.
Das wurde bereits beobachtet. Die Entstehung Schwarzer Löcher wie auch die Struktur der ersten Galaxien suggerieren ebenfalls solche rechtshändigen Neutrinos, oder vielleicht andere Teilchen mit ganz ähnlichen Eigenschaften.
Eine Reihe von Argumenten führen zu diesem Bild des heutigen Wissensstands: die hohen Geschwindigkeiten von manchen Pulsaren, die Masse des Schwarzen Lochs in unserer Milchstraße, die Lyman-alpha Absorptionslinien in ganz jungen Gaswolken im frühen Universum, die Röntgenstrahlung von Galaxien und Haufen von Galaxien. Sie alle zusammen schränken die Eigenschaften ein von einem solchen hypothetischen Teilchen, und alle Argumente konvergieren zu einem möglichen Bild. Elliptische Zwerggalaxien sind vielleicht die letzten jungfräulichen Zeugen der ersten Sternentstehung und Galaxienentstehung. Sie sollten den Zerfall der Teilchen der Dunklen Materie als Röntgenemissionslinie zeigen, Teilchen von wenigen keV Masse. Erst eine solche Beobachtung wird das Bild entweder widerlegen oder beweisen, und dann hätten wir vielleicht endlich eine Antwort, was die Dunkle Materie ist, die uns alle durchflutet.
Brachte Dunkle Materie die ersten Sterne zum Leuchten?, Pressemeldung der Max-Planck-Gesellschaft zu den hier präsentierten Forschungsergebnissen.
Biographische Angaben:
Prof. Dr. Peter L. Biermann hat in Göttingen promoviert und sich habilitiert, und ist seit 1981 Professor für Astrophysik und Astronomie an der Universität Bonn, neben seiner Tätigkeit am MPIfR. Er war Gastprofessor in Toronto, Kanada; Tucson, Arizona, USA; in Wuppertal und in Paris. Er hält neben seiner Vorlesungstätigkeit in Bonn auch Vortragsreihen im Ausland, darunter in den letzten Jahren in China, Korea, Indien, Bulgarien, Rumänien, Italien, und den USA. Entsprechend umfaßt seine Gruppe Studenten und wissenschaftliche Gäste aus vielen Ländern. Im März 2004 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Bukarest verliehen.