Neues aus dem All


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2008

"Das kosmische Räderwerk - 'Astronomie und Mathematik"

Seit dem Jahr 2001 bieten wir in Bonn eine Vortragsreihe mit astronomischen Vorträgen an.

Die Vorträge finden im allgemeinen mittwochs im Deutschen Museum Bonn [Ahrstraße 45, direkt im Gebäude des Wissenschaftszentrums] statt und beginnen um 19:00 Uhr.

Die Vortragsreihe ist eine gemeinsame Veranstaltung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie, des Argelander-Instituts für Astronomie der Universität Bonn und des Deutschen Museums Bonn.

Mit Supercomputern auf der Spur der Schwarzen Löcher

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Prof. Dr. Rainer Spurzem

Zentrum für Astronomie und Astronomisches Recheninstitut, Heidelberg

In Science-Fiction-Romanen sind sie der Alptraum jedes Raumfahrers: Schwarze Löcher. Die Existenz Schwarzer Löcher, wie von der Einstein'schen Relativitätstheorie vorhergesagt, ist die überzeugendste Erklärung für die massereichen dunklen Objekte, die wie wir in den Zentren von Galaxien nachweisen können. Im Zentrum unserer eigenen Galaxis gelingt dieser indirekte Nachweis eines Schwarzen Loches besonders gut.

Am Astronomischen Recheninstitut der Universität Heidelberg haben wir mit Hilfe eines speziellen Supercomputers sogar untersucht, wie sich zwei Schwarze Löcher in Galaxienkernen so nahe kommen können, daß sie unter Abstrahlung von Gravitationswellen (wenn Einstein recht hatte...) verschmelzen. Unsere Modelle erlauben auch eine quantitative Vorhersage von Gravitationswellen und deren Messung durch laufende und zukünftige Großinstrumente wie das Weltrauminstrument LISA oder bodengebundene Gravitationswellendetektoren wie Virgo (Italien), LIGO (USA) oder Geo600 (Hannover).

In unseren Rechnungen wechselwirkt eine große Anzahl von Teilchen (Sterne) nur durch ihre gravitativen Kräfte. Einen externen Störeffekt bildet die Gravitationskraft eines sehr massereichen Schwarzen Loches von einigen Millionen Sonnenmassen, wie es im Zentrum unserer Milchstraße zu finden ist. In den Simulationen verfolgen wir einen Sternhaufen, der in die Nähe des Zentrums der Milchstraße gerät. Er wird durch starke Gezeitenkräfte des zentralen Schwarzen Loches verformt und schließlich völlig verzerrt zu zwei Spiralarmen, in deren Verbindungspunkt sich das massereiche Schwarze Loch befindet.

Im Vortrag werden die Ergebnisse der Simulationen und die Messung der Gravitationswellen als bewegte Abläufe (Filme) gezeigt und beschrieben wie Astrophysiker gemeinsam mit Ingenieuren und Informatikern die erforderlichen Simulationsrechner dazu zum Teil selbst entworfen und gebaut haben. Wir werden auch darauf eingehen, warum die in Deutschland hervorragende Supercomputer-Infrastruktur (zum Beispiel der neue JUGENE-Rechner in Jülich) nur mit Einschränkungen für unsere Probleme nutzbar sind.

Biographische Angaben:

Prof. Dr. Rainer Spurzem hat in Göttingen Physik und Astronomie studiert. Bereits in seiner ersten wissenschaftlichen Veröffentlichung aus dem Jahr 1981 hat er sich unter dem Titel "Der Einfluss eines Schwarzen Lochs auf ein dichtes stellares System" mit dem Thema des aktuellen Vortrags befasst, später ebenso in seiner Dissertation an der Universität Göttingen (1988). Nach seiner Promotion hat er in den 90er Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Würzburg und als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Kiel gearbeitet. Postdocs und kürzere Forschungsaufenthalte führten ihn nach Großbritannien, Japan und die USA. Er ist seit 1996 am Astronomischen Recheninstitut (später Teilinstitut des Zentrums für Astronomie) der Universität Heidelberg tätig, wo er sich im Jahr 1997 habilitierte und im Jahr 2003 zum außerplanmäßigen Professor ernannt wurde. Durch seine Initiative wurden GRAPE-Spezialrechner für astrophysikalische N-Körper-Rechnungen 1993 zum ersten Mal nach Europa gebracht, im Jahr 2005 der GRACE-Supercomputer in Heidelberg eingesetzt. Seine astrophysikalische Arbeitsgruppe in Heidelberg befasst sich mit der Entstehung und Entwicklung von Galaxien, Kugelsternhaufen, Schwarzen Löchern und Planetensystemen.

Rechnen mit den Mayas - Kalender von Yukatan bis Kitan

Mittwoch, 5. November 2008

Prof. Dr. Wilhelm Seggewiß

Observatorium Hoher List, Daun

Der Schöpfer hat es weise eingerichtet: Das Jahr (als Maß des Umlaufs der Erde um die Sonne) ist kein ganzzahliges Vielfaches des Monats (als Maß für den Gestaltwechsel des Mondes); in Jahr und Monat passen keine ganze Anzahl von Tagen (der Tag als Maß für die Umdrehung der Erde relativ zur Sonne). So mußten die besten Köpfe aller Kulturen einerseits durch gewissenhafte Beobachtung des Himmels die genauen Werte von Jahr, Monat und Tag ergründen. Andererseits mußten sie kombinatorische Fähigkeiten entwickeln, ganzzahlige Unterteilungen von Jahr und Monat in einem System, Kalender genannt, zu vereinen, der à la longue mit der Natur in Gleichklang blieb.

Wir können daher dem Geschwisterpaar Astronomie-Mathematik als erste Wissenschaften durch alle Kulturkreise nachspüren, von Yukatan bis Kitan.

Biographische Angaben:

Prof. Dr. Wilhelm Seggewiß hat im Jahr 1967 an der Universität Münster 1967 promoviert und sich im Jahr 1977 an der Universität Bonn habilitiert. Er war Leiter des Observatoriums Hoher List der Universitätssternwarte Bonn bei Daun in der Eifel. Forschungsschwerpunkte seiner astronomischen Arbeit sind die Entwicklung massereicher Sterne und das Studium der Populationen in der Galaxis und den Nachbargalaxien. Mit Hilfe von Satellitenbeobachtungen konnten die Ultraviolettspektren heißer Sterne gedeutet werden. Beobachtungen mit dem HIPPARCOS-Satelliten konnten das kinematischen Verhalten dieser Sterne in unserer Galaxis aufklären. Überdies zählen auch Aspekte der Astronomiegeschichte (Astronomie im 15. und 16. Jh., Untersuchung historischer Himmelsgloben) zu seinen Arbeitsgebieten.

Forscher drehen an der Zeit

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Priv.-Doz. Dr.-Ing. Axel Nothnagel

Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn

In den letzten 50 Jahren hat sich das Verständnis der Menschen für die Zeit grundlegend geändert. Während sich das Zeitmaß bis in die Neuzeit an der Drehung der Erde und dem scheinbaren Sonnenstand orientiert hat, geben seit gerade 40 Jahren die Atomuhren den Takt unseres Lebens an. Davon weiß aber die Erde nichts. Sie dreht weiter ihre unregelmäßigen "Kreise" und die Erddrehung wird dabei jedes Jahr auch noch ein wenig langsamer.<

Aus mehreren Gründen wird deshalb die Drehung der Erde regelmäßig mit Radioteleskopen wie dem in Effelsberg vermessen und die Differenz zwischen der Atomzeit und der astronomischen Zeit bestimmt. Das dauert natürlich einige Zeit. Deshalb befindet sich die Durchführung in Echtzeit gerade in der Erprobungsphase. Große Datenmengen müssen dafür mit Hochgeschwindigkeitsnetzen von weit entfernten Orten zur Auswertung nach Bonn transportiert werden. Die Messungen dienen zum einen dazu, dass der Bezug zwischen Atomzeit und Sonnenstand nicht verloren geht, zum anderen wird diese Information benötigt, damit die Bewegung der GPS-Satelliten, z.B. für Navigationssysteme, rechnerisch korrigiert werden kann. Damit Atomzeit und astronomische Zeit nicht aus dem Tritt kommen, wird in unregelmäßigen Abständen an der Uhr "gedreht" und eine Schaltsekunde eingeführt.

Der Vortrag beleuchtet die Messungen und gibt einen Einblick in die Ergebnisse und ihre Konsequenzen.

Biographische Angaben:

Priv.-Doz. Dr.-Ing. Axel Nothnagel ist Forschungsgruppenleiter für geodätische Radiointerferometrie (VLBI) am Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn. Er hat von 1974 bis 1979 Geodäsie an der Universität Bonn studiert und war von 1983 bis 1988 bei einer Forschungsinstitution in Johannesburg, Südafrika, beschäftigt. Seit 1988 beschäftigt er sich insbesondere mit Messung zur Bestimmung der Kontinentaldrift und des Rotationsverhaltens der Erde.

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