Mit Supercomputern auf der Spur der Schwarzen Löcher
Mittwoch, 8. Oktober 2008
Prof. Dr. Rainer Spurzem
Zentrum für Astronomie und Astronomisches Recheninstitut, Heidelberg
In Science-Fiction-Romanen sind sie der Alptraum jedes Raumfahrers: Schwarze Löcher. Die Existenz Schwarzer Löcher, wie von der Einstein'schen Relativitätstheorie vorhergesagt, ist die überzeugendste Erklärung für die massereichen dunklen Objekte, die wie wir in den Zentren von Galaxien nachweisen können. Im Zentrum unserer eigenen Galaxis gelingt dieser indirekte Nachweis eines Schwarzen Loches besonders gut.
Am Astronomischen Recheninstitut der Universität Heidelberg haben wir mit Hilfe eines speziellen Supercomputers sogar untersucht, wie sich zwei Schwarze Löcher in Galaxienkernen so nahe kommen können, daß sie unter Abstrahlung von Gravitationswellen (wenn Einstein recht hatte...) verschmelzen. Unsere Modelle erlauben auch eine quantitative Vorhersage von Gravitationswellen und deren Messung durch laufende und zukünftige Großinstrumente wie das Weltrauminstrument LISA oder bodengebundene Gravitationswellendetektoren wie Virgo (Italien), LIGO (USA) oder Geo600 (Hannover).
In unseren Rechnungen wechselwirkt eine große Anzahl von Teilchen (Sterne) nur durch ihre gravitativen Kräfte. Einen externen Störeffekt bildet die Gravitationskraft eines sehr massereichen Schwarzen Loches von einigen Millionen Sonnenmassen, wie es im Zentrum unserer Milchstraße zu finden ist. In den Simulationen verfolgen wir einen Sternhaufen, der in die Nähe des Zentrums der Milchstraße gerät. Er wird durch starke Gezeitenkräfte des zentralen Schwarzen Loches verformt und schließlich völlig verzerrt zu zwei Spiralarmen, in deren Verbindungspunkt sich das massereiche Schwarze Loch befindet.
Im Vortrag werden die Ergebnisse der Simulationen und die Messung der Gravitationswellen als bewegte Abläufe (Filme) gezeigt und beschrieben wie Astrophysiker gemeinsam mit Ingenieuren und Informatikern die erforderlichen Simulationsrechner dazu zum Teil selbst entworfen und gebaut haben. Wir werden auch darauf eingehen, warum die in Deutschland hervorragende Supercomputer-Infrastruktur (zum Beispiel der neue JUGENE-Rechner in Jülich) nur mit Einschränkungen für unsere Probleme nutzbar sind.
Biographische Angaben:
Prof. Dr. Rainer Spurzem hat in Göttingen Physik und Astronomie studiert. Bereits in seiner ersten wissenschaftlichen Veröffentlichung aus dem Jahr 1981 hat er sich unter dem Titel "Der Einfluss eines Schwarzen Lochs auf ein dichtes stellares System" mit dem Thema des aktuellen Vortrags befasst, später ebenso in seiner Dissertation an der Universität Göttingen (1988). Nach seiner Promotion hat er in den 90er Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Würzburg und als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Kiel gearbeitet. Postdocs und kürzere Forschungsaufenthalte führten ihn nach Großbritannien, Japan und die USA. Er ist seit 1996 am Astronomischen Recheninstitut (später Teilinstitut des Zentrums für Astronomie) der Universität Heidelberg tätig, wo er sich im Jahr 1997 habilitierte und im Jahr 2003 zum außerplanmäßigen Professor ernannt wurde. Durch seine Initiative wurden GRAPE-Spezialrechner für astrophysikalische N-Körper-Rechnungen 1993 zum ersten Mal nach Europa gebracht, im Jahr 2005 der GRACE-Supercomputer in Heidelberg eingesetzt. Seine astrophysikalische Arbeitsgruppe in Heidelberg befasst sich mit der Entstehung und Entwicklung von Galaxien, Kugelsternhaufen, Schwarzen Löchern und Planetensystemen.