Neue EHT-Beobachtungen: der Schatten des Schwarzen Lochs in M87 bleibt bestehen
Verbesserte Beobachtungen ein Jahr nach dem Entdeckungsbild bestätigen den Lichtring und ergeben ein noch besseres Bild
Die Event-Horizon-Teleskop-Kollaboration hat unter maßgeblicher Mitwirkung von Forscherinnen und Forschern am Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie ein neues Bild von M87* veröffentlicht, dem supermassereichen Schwarzen Loch im Herzen der Galaxie Messier 87. Die neuen Resultate bauen auf der viel beachteten Veröffentlichung von 2019 auf, die das allererste Bild eines Schwarzen Lochs gezeigt hat. Die Ergebnisse der EHT-Beobachtungskampagne 2018 zeigen einen beständigen Schatten des Schwarzen Lochs, der entscheidende Einblicke in die Natur von M87* bietet. Das neue Bild, das mit einem verbesserten Teleskopnetzwerk und einer breiteren Frequenzabdeckung aufgenommen wurde, zeigt einen Ring mit einer ähnlichen Helligkeitsverteilung wie das Bild aus dem Jahr 2017, jedoch mit einem feinen Unterschied: Es wurde eine bemerkenswerte Verschiebung des Helligkeitsmaximums im südlichen Teil des Ringes um etwa dreißig Grad festgestellt.
Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht.
„Eine Grundvoraussetzung für die Wissenschaft ist die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse“, sagt Dr. Keiichi Asada, assoziierter Forscher am Academia Sinica Institute for Astronomy and Astrophysics in Taiwan. „Die Bestätigung des Rings in einem völlig neuen Datensatz ist ein wichtiger Meilenstein für unsere Kollaboration und ein starker Hinweis darauf, dass wir in der Tat den Schatten des Schwarzen Lochs sehen, sowie die Materie, die es umkreist.“
„Auf dem Gebiet der Astrophysik Schwarzer Löcher ist dieses neue Bild ein Beweis für die Beständigkeit und Stabilität des Schattens von M87*. Die faszinierende Rotation in der Helligkeitsasymmetrie gibt Vertrauen in unser aktuelles Verständnis des Akkretionsflusses“, sagt Michael Janssen, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) und kürzlich zum Assistenzprofessor für Astrophysik an der Radboud-Universität in Nijmegen ernannt, der für die Datenkalibrierung verantwortlich war und die aktuelle Veröffentlichung koordinierte.
Im Jahr 2017 gelang mit dem Event-Horizon-Teleskop (EHT) die erste Aufnahme eines Schwarzen Lochs, M87* genannt. Es befindet sich im Zentrum der riesigen elliptischen Galaxie M87, in einer Entfernung von 55 Millionen Lichtjahren. Das erste Bild, das 2019 veröffentlicht wurde, zeigt einen hellen kreisförmigen Ring, der im südlichen Teil etwas heller ist. Eine weitere Analyse der Daten zeigte auch die Struktur von M87* in polarisiertem Licht. Dadurch erhielten die Wissenschaftler einen besseren Einblick in die Geometrie des Magnetfelds und die Eigenschaften des Plasmas rund um das Schwarze Loch.
Die Entscheidung, M87* im Jahr 2018 erneut zu beobachten, wurde vorangetrieben durch den Wunsch der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach einem tieferen Verständnis der Natur des Rings, seiner Veränderlichkeit, aber auch durch die Verfügbarkeit verbesserter Beobachtungsmöglichkeiten. Thomas Krichbaum vom MPIfR, Mitglied der EHT-Kollaboration und an der Auswertung und Kartierung der neu präsentierten Daten beteiligt, erklärt: „Wiederholte Beobachtungen von M87* ermöglichen es uns, die Kinematik des Materieflusses auf das schwarze Loch zu untersuchen und die komplexe Physik der Strahlungserzeugung von den geometrischen Effekten der allgemeinen Relativitätstheorie zu trennen. Dies ist ein weiterer Schritt zum besseren Verständnis der Schwarzen Löcher.“
Um die Kartierungsqualität des EHT weiter zu verbessern, wurde das Grönland-Teleskop, weit nördlich des Polarkreises gelegen, im Jahr 2018 nur fünf Monate nach seiner Fertigstellung an das EHT angeschlossen. Dies ermöglichte eine verbesserte Bildtreue und Winkelauflösung in Nord-Süd-Richtung des EHT-Netzwerks. Auch das Large Millimeter Telescope in Mexiko konnte zum ersten Mal mit seinen vollen 50 Metern Durchmesser einbezogen werden, was die Empfindlichkeit des Netzwerks nochmals steigerte. Eine weitere technische Neuerung im Event-Horizon-Teleskop war die Verdopplung der Beobachtungsbandbreite auf 4 Frequenzbänder, verglichen mit nur zwei Bändern im Jahr 2017. Trotz der Herausforderungen durch die Wetterbedingungen während der 2018er-Beobachtungen führten Fortschritte bei der Datenerfassung und Kalibrierung zu qualitativ hochwertigen Ergebnissen.
Die Analyse der Daten aus dem Jahr 2018, bei der acht unabhängige Abbildungs- und Modellierungstechniken zum Einsatz kamen, bestätigt die Stabilität des Durchmessers vom Schatten des Schwarzen Lochs, der mit den Vorhersagen aus der allgemeinen Relativitätstheorie sehr gut übereinstimmt. Eine signifikante Veränderung der Position des südlichen Helligkeitsmaximums im Ring deutet jedoch auf ein dynamisches Zusammenspiel zwischen der Spinachse des Schwarzen Lochs und der Jetemission auf größeren Skalen hin.
In einer im Oktober 2020 vorgestellten Publikation unter der Federführung von Maciek Wielgus vom MPIfR wurde bereits über Veränderungen in der Position der Ringhelligkeit aus historischen Daten vor 2017 berichtet. Wielgus sagt: „In unserer Arbeit kamen wir zu dem Schluss, dass M87* beständig als Ring erscheinen sollte, mit einer geringen Variation des Ringdurchmessers und einer größeren Variabilität der Lage des Helligkeitsmaximums. Wir verglichen dieses Verhalten mit einem 'Wackeln' des Schattenbildes des Schwarzen Lochs. Diese Vorhersagen basierten auf der Analyse von Archivdaten eines kleineren Teleskopnetzwerkes aus der Zeit vor dem EHT und auf theoretischen Argumenten.“ Er fügt hinzu: „Es ist großartig, unsere Vorhersagen mit dem deutlich verbesserten EHT-Instrument nun bestätigt zu sehen, das jetzt viel reichhaltigere und aussagekräftigere Beobachtungen liefern kann."
„Diese jüngste Entdeckung läutet eine neue Ära in der Erforschung Schwarzer Löcher ein. Die kontinuierliche Verbesserung unserer Beobachtungsinstrumente, kombiniert mit der jahrelangen Datenakkumulation, verspricht weitere aufregende Entdeckungen in der Zukunft“, unterstreicht Eduardo Ros, ebenfalls Wissenschaftler am MPIfR und Mitglied der EHT-Kollaboration. „Diese Daten bei 1,3 mm Wellenlänge ergänzen die kürzlich vorgestellten Ergebnisse bei 3,5 mm Wellenlänge vom April 2018, die sowohl den Schatten des Schwarzen Lochs als auch den Jet zeigen“, fügt er hinzu.
Während das EHT seine nächsten jährlichen Beobachtungen für April 2024 vorbereitet, wartet die wissenschaftliche Gemeinschaft gespannt auf die Entschlüsselung weiterer Geheimnisse um M87* und der noch immer rätselhaften Phänomene um die Schwarzen Löcher. Anton Zensus, Gründungsvorsitzender der EHT-Kollaboration und Direktor am MPIfR, reflektiert über die zentrale Rolle des Instituts: „Unser Institut war vom Beginn der Beobachtungsplanung bis zur Fertigstellung der endgültigen Ergebnisse maßgeblich beteiligt. Hervorzuheben sind die sorgfältige Analyse von 50 Prozent der Daten, die an unserem Korrelation Processing Center durchgeführt wurden, die Betreuung der beteiligten 30-Meter-Teleskope APEX und IRAM sowie die umfangreichen Kalibrier- und Bildgebungsarbeiten, die bei uns im Haus gemacht wurden.“
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Weitere Informationen
An der EHT-Kollaboration sind mehr als 300 Forscher aus Afrika, Asien, Europa sowie Nord- und Südamerika beteiligt. Die internationale Kollaboration arbeitet daran, die detailliertesten Bilder von Schwarzen Löchern zu erhalten, indem sie ein virtuelles Teleskop von der Größe der Erde betreibt und weiterentwickelt. Unterstützt durch beträchtliche internationale Investitionen verbindet das EHT bestehende Teleskope mit neuartigen Systemen und schafft so ein grundlegend neues Instrument höchster Winkelauflösung.
Die einzelnen beteiligten Teleskope sind: ALMA, APEX, das IRAM 30-Meter-Teleskop, das IRAM-NOEMA-Observatorium, das James-Clerk-Maxwell-Teleskop (JCMT), das Large Millimeter Telescope (LMT), das Submillimeter-Array (SMA), das Submillimeter-Teleskop (SMT), das Südpol-Teleskop (SPT), das Kitt-Peak-Teleskop (KP) und das Grönland-Teleskop (GLT).
Das EHT-Konsortium besteht aus 13 beteiligten Instituten: dem Academia Sinica Institute of Astronomy and Astrophysics, der University of Arizona, der University of Chicago, dem East Asian Observatory, der Goethe-Universität Frankfurt, dem Institut de Radioastronomie Millimétrique, dem Large Millimeter Telescope, dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), dem MIT Haystack Observatory, dem National Astronomical Observatory of Japan, dem Perimeter Institute for Theoretical Physics, der Radboud University und dem Smithsonian Astrophysical Observatory.
Die folgenden Forscher des MPI für Radioastronomie sind Mitautoren der veröffentlichten Forschungsarbeit: Walter Alef, Rebecca Azulay, Uwe Bach, Anne-Kathrin Baczko, Silke Britzen, Gregory Desvignes , Sergio A. Dzib, Ralph P. Eatough, Christian M. Fromm, Michael Janssen, Ramesh Karuppusamy, Jae-Young Kim, Joana A. Kramer, Michael Kramer, Thomas P. Krichbaum, Mikhail Lisakov, Jun Liu, Kuo Liu, Andrei P. Lobanov, Rusen Lu, Nicholas R. MacDonald, Nicola Marchili, Karl M. Menten, Cornelia Müller, Hendrik Müller, Georgios Filippos Paraschos, Eduardo Ros, Helge Rottmann, Alan L. Roy, Tuomas Savolainen, Lijing Shao, Pablo Torne, Efthalia Traianou, Jan Wagner, Robert Wharton, Maciek Wielgus, Gunther Witzel, J. Anton Zensus, und Guang-Yao Zhao.
Weitere Institute in Deutschland, die sich an dieser Arbeit beteiligt haben, sind: das Institut für Theoretische Physik der Goethe-Universität Frankfurt, das Institut für Theoretische Physik und Astrophysik der Universität Würzburg und das Frankfurt Institute for Advanced Studies.