Astronomen zeigen erstes Bild eines schwarzen Lochs
MPIfR und IRAM sind an den bahnbrechenden Beobachtungen der gewaltigen Schwerkraftfalle in der fernen Galaxie Messier 87 beteiligt
Das Event-Horizon-Teleskop (EHT) – ein im Rahmen einer internationalen Kollaboration zusammengeschaltetes Netzwerk von acht bodengebundenen Radioteleskopen, das fast die Größe der Erde erreicht – wurde eingerichtet, um die ersten Bilder von einem schwarzen Loch zu erzielen. Die Wissenschaftler des EHT-Projekts unter der Beteiligung von Forschern des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und des Institut de Radioastronomie Millimétrique (IRAM) waren erfolgreich und zeigen heute im Rahmen mehrerer Pressekonferenzen an unterschiedlichen Standorten der Erde den ersten sichtbaren Nachweis eines schwarzen Lochs.
Die Ergebnisse werden in einer Reihe von Veröffentlichungen in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift “Astrophysical Journal Letters” präsentiert.
Schwarze Löcher stellen extreme kosmische Objekte dar, die eine unglaubliche Gesamtmasse innerhalb eines winzigen Bereichs umfassen. Die Existenz eines solchen Objekts beeinflusst seine direkte Umgebung in extremer Weise; sie führt zu einer starken Krümmung der Raumzeit sowie zur Aufheizung des umgebenden Materials, bis es anfängt zu leuchten. Die allgemeine Relativitätstheorie sagt nun voraus, dass die aufgeheizte Materie den stark gekrümmten Bereich der Raumzeit ausleuchtet und damit zum Auftreten eines dunklen Schattens führt.
“Unsere Ergebnisse ermöglichen uns zum ersten Mal einen klaren Blick auf ein supermassereiches schwarzes Loch und sie markieren einen wichtigen Meilenstein für unser Verständnis der fundamentalen Prozesse, die die Bildung und die Entwicklung von Galaxien im Universum bestimmen. Es ist besonders bemerkenswert, dass wir es in diesem Projekt geschafft haben, astronomische Beobachtungen und theoretische Interpretation schneller als erwartet zum erhofften Erfolg zu bringen”, sagt Anton Zensus, Direktor am MPIfR and Vorsitzender des EHT-Leitungsgremiums.
“Sobald es in eine hell leuchtende Umgebung wie z.B. eine glühende Gasscheibe eingebettet ist, erwarten wir von einem schwarzen Loch, dass es eine dunkle Region ähnlich wie ein Schatten erzeugt – ein Effekt, der von Einsteins Relativitätstheorie vorhergesagt wurde, den wir bisher aber noch nie beobachten konnten”, sagt der Vorsitzende des EHT-Wissenschaftsrats, Heino Falcke, von der Radboud-Universität in Nijmegen/Niederlande. “Dieser Schatten, hervorgerufen von Verformung durch die Schwerkraft und Lichteinfang durch den Ereignishorizont verrät uns eine Menge über die Natur dieser faszinierenden Objekte und ermöglicht es uns, die enorme Gesamtmasse des schwarzen Lochs von M87 zu bestimmen.” Die Masse der Zentralquelle von M87 liegt bei mehr als sechs Milliarden Sonnenmassen.
Die EHT-Beobachtungen zeigen eine ringförmige Struktur mit einer dunklen Zentralregion – den Schatten des schwarzen Lochs. Dieser Ring zeigt sich in einer Vielzahl unterschiedlicher Beobachtungen von M87, die unabhängig voneinander ausgewertet wurden und macht die Wissenschaftler sicher, dass sie tatsächlich zum ersten Mal den Schatten eines schwarzen Lochs abgebildet haben.
„Die Konfrontation der Theorie mit den Beobachtungen ist für einen Theoretiker immer ein dramatischer Moment. Wir waren sehr erleichtert und auch stolz, dass die Beobachtungen so gut mit unseren Vorhersagen übereinstimmten“, so Luciano Rezzolla, dessen Frankfurter Arbeitsgruppe grundlegende Beiträge zur theoretischen Interpretation der Ergebnisse in allen Stadien der Beobachtung geleistet hat. Es galt, unter den möglichen theoretischen Modellen dasjenige zu finden, das am besten zu den Beobachtungen passt, sowie verschiedene Alternativen zu schwarzen Löchern auszuschließen, die ebenfalls mit der allgemeinen Relativitätstheorie vereinbar sind.
Während die Astronomen schwarze Löcher bereits seit längerer Zeit studieren, wird für eine direkte Messung ein Teleskop von bisher unerreichter Präzision und Empfindlichkeit benötigt. Die Realisierung dieses Teleskops – des Event-Horizon-Teleskops – stellte eine beeindruckende Aufgabe dar, die den Ausbau und das Zusammenschalten eines weltweiten Netzwerks von acht bereits existierenden Teleskopen an einer Vielzahl von herausfordernden Standorten bedeutete. Diese Standorte umfassen den Gipfel des Mauna Kea auf Hawaii, die Atacamawüste in Chile, die Antarktis, Mexiko, Arizona und die Sierra Nevada in Südspanien.
Die am Projekt beteiligten Teleskope waren ALMA und APEX in Chile (APEX wird gemeinsam von MPIfR, der europäischen Südsternwarte und Onsala/Schweden betrieben), das IRAM-30-Meter-Teleskop in Spanien, das James-Clerk-Maxwell-Teleskop und das Submillimeter-Array (beide in Hawaii), das Large-Millimeter-Teleskop (LMT) in Mexiko, das Submillimeter-Teleskop (SMT) in Arizona sowie das Südpol-Teleskop (SPT) direkt am Südpol.
„Das IRAM 30-Meter-Teleskop ist das empfindlichste Einzelteleskop des EHT-Verbundes“, erklärt Karl Schuster, Direktor von IRAM und Mitglied des EHT-Leitungsgremiums. „Indem wir die weltweit besten Radioteleskope auf insgesamt vier Kontinenten zusammenschalten, können wir eine nie dagewesene Empfindlichkeit und räumliche Auflösung erreichen, die es uns Wissenschaftlern erlaubt, Messungen an der Grenze des Beobachtbaren durchzuführen.“ Seit September 2018 ist mit NOEMA auch das zweite IRAM-Observatorium Teil des weltweiten EHT-Verbundes.
Die Teleskope arbeiten auf der Grundlage einer Beobachtungstechnik zusammen, die als Very-Long-Baseline-Interferometrie (VLBI) bezeichnet wird. Dadurch werden Einzelteleskope weltweit miteinander verbunden und unter Ausnutzung der Erdrotation eine virtuelles Riesenteleskop von der Größe der Erde selbst geschaffen. VLBI ermöglicht EHT-Beobachtungen mit einer Auflösung von 20 Mikro-Bogensekunden; das entspricht dem Lesen einer Zeitung in New York von einem Straßencafe in Berlin aus.
Die erforderliche Datenanalyse zur Umwandlung der Rohdaten in ein fertiges Bild erfolgte an Spezialcomputern (sogenannten Korrelatoren) am Max-Planck-Institut für Radioastronomie und am MIT-Haystack-Observatorium.
Der Aufbau des EHT stellt das Ergebnis jahrelanger Anstrengungen dar und die am heutigen Tag präsentierten Ergebnisse sind ein Gipfelpunkt jahrzehntelanger Arbeit in Theorie und Beobachtung. Es ist ein Beispiel für weltumfassende Zusammenarbeit zwischen Forschern aus unterschiedlichen Ländern. Insgesamt dreizehn Partnerinstitutionen haben im Rahmen des EHT zusammengearbeitet, auf der Basis bestehender Infrastrukturen mit Unterstützung durch eine ganze Reihe von Organisationen. Eine wesentliche Förderung erfolgte über den Europäischen Forschungsrat (ERC) der Europäischen Union, die amerikanische National Science Foundation (NSF), sowie Organisationen in Ostasien
„Nachdem wir schwarze Löcher jahrzehntelang nur indirekt postulieren konnten, wenn auch mit großartiger Genauigkeit wie zuletzt mit dem VLT-GRAVITY Experiment, war LIGO in der Lage, die Auswirkung auf die Raumzeit bei deren Verschmelzung schwarzer Löcher „hörbar“ zu machen", urteilt Michael Kramer, Direktor am MPIfR und einer der drei Leiter des ERC „Black Hole Cam“-Projekts als Teil des Event-Horizon-Teleskops. „Nun können wir sie endlich auch „sehen“ und damit diese faszinierenden schwarzen Löcher und deren extreme Raumzeitkrümmung auf einzigartige Weise untersuchen.“
„In Zukunft werden sich Forscher weit über unser Arbeitsgebiet hinaus klar an eine Zeit vor und nach dieser Entdeckung erinnern“, schließt Anton Zensus.
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Die EHT-Kollaboration umfasst mehr als 200 Forscher aus Europa, Asien, Afrika sowie aus Nord- und Südamerika. Dieser Zusammenschluss entstand, um durch Beobachtungen mit einem virtuellen Radioteleskop von Erdgröße zum ersten Mal ein Bild eines schwarzen Lochs zu erhalten. Mit internationaler finanzieller Unterstützung ist es gelungen, bereits vorhandene Teleskope auf neuartige Weise miteinander zu verbinden und damit ein Instrument zu erhalten, das Beobachtungen mit der höchsten bis dato erreichten Winkelauflösung ermöglicht.
Die zur Zeit im Rahmen der EHT-Kollaboration eingesetzten Teleskope sind: ALMA, APEX, das IRAM 30-Meter-Teleskop, das IRAM-NOEMA-Observatorium (seit 2018), das James-Clerk-Maxwell-Teleskop (JCMT), das Large-Millimeter-Teleskop (LMT), das Submillimeter-Array (SMA), das Submillimeter-Teleskop (SMT, das frühere Heinrich-Hertz-Teleskop), das Südpol-Teleskop (SPT) und das Grönland-Teleskop (GLT, ebenfalls seit 2018).
The EHT-Konsortium umfasst 13 direkt beteiligte Institute (“stakeholder”): das Institut für Astronomie und Astrophysik der chinesischen Akademie der Wissenschaften, Die Universität Arizona, die Universität Chicago, das East-Asian-Observatorium, die Goethe-Universität Frankfurt, das Institut de Radioastronomie Millimétrique (IRAM), das Large-Millimeter-Telescope, das Max-Planck-Institut für Radioastronomie, das MIT-Haystack-Observatory, das National Astronomical Observatory of Japan, das Perimeter-Institute für Theoretische Physik, die Radboud-Universität Nijmegen und das Smithsonian-Astrophysical-Observatory.