Elektronenwirbel in der Strudelgalaxie
Beobachtung von kosmischen Teilchen und Magnetfeldern in der Galaxie M51 mit dem LOFAR-Radioteleskop
Die Galaxie Messier 51 (M51) in ca. 30 Millionen Lichtjahren Entfernung wird wegen ihres Aussehens als Strudelgalaxie bezeichnet. Man sieht die Galaxie fast genau von oben und sie zeigt ein sehr schön ausgeprägtes System von Spiralarmen.
Ein europäisches Team von Astronomen hat dieses Sternsystem mit dem internationalen LOFAR-Teleskop in einem Frequenzbereich von 115 bis 175 MHz beobachtet; das ist unmittelbar oberhalb des kommerziellen UKW-Bereichs von 88 bis 108 MHz. Das Team hat damit das bisher empfindlichste Bild überhaupt von einer Galaxie bei Frequenzen unterhalb von 1 GHz erstellt. Mit der hohen Empfindlichkeit des LOFAR-Teleskops konnte die Scheibe der Galaxie M51 wesentlich weiter bis in die Außenbereiche abgebildet werden als jemals zuvor. Den Astronomen ist es gelungen, schnelle kosmische Elektronen und Magnetfelder bis in eine Entfernung von 40.000 Lichtjahren vom Zentrum von M51 hinaus nachzuweisen.
Mit der hohen Winkelauflösung von LOFAR werden die Spiralarme der Galaxie deutlich getrennt sichtbar. Dabei treten Magnetfelder und kosmische Elektronen in den Spiralarmen selbst am stärksten hervor. Im Vergleich zu noch höheren Radiofrequenzen erscheinen die Spiralarme hier breiter aufgrund der Ausbreitung kosmischer Elektronen weg von den Spiralarmen, in denen sie entstanden sind.
Das Aussehen von Galaxien im Radiobereich ist sehr unterschiedlich zu ihrem optischen Erscheinungsbild. Während im Optischen das sichtbare Licht von den Sternen dominiert, zeigen Radiowellen zwei Bestandteile von Galaxien, die von optischen Teleskopen nicht erfasst werden können, nämlich Magnetfelder und bis fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigte Elektronen. Welche Rolle sie für die Stabilität und die Entwicklung von Galaxien spielen, wird verstärkt von den Experten diskutiert. Die Elektronen sind Partikel der sogenannten kosmischen Strahlung, die in den von gigantischen Supernova-Explosionen verursachten Stoßwellen erzeugt werden. Magnetfelder wiederum werden durch Dynamo-Prozesse erzeugt, die von der Bewegung des Gases in der Galaxie angetrieben werden. Wenn Elektronen sich auf spiralförmiger Bahn um Magnetfeldlinien bewegen, werden Radiowellen abgestrahlt, die auch als Synchrotronstrahlung bezeichnet werden. Die Intensität der Strahlung steigt dabei mit der Anzahl und Energie der Elektronen sowie mit der Stärke des Magnetfeldes an.
Viele Jahrzehnte lang war die Radioastronomie nicht dazu in der Lage, die Radiostrahlung bei niedrigen Frequenzen unterhalb von 300 Megahertz (MHz) vollständig auszuwerten, da die Ionosphäre der Erde ein Hindernis speziell für niederfrequente Radiowellen darstellt (und unterhalb von etwa 10 MHz sogar komplett undurchlässig wird). Es erfordert ausgeklügelte Methoden der Datenverarbeitung und superschnelle Computer, um die Störungen der Ionosphäre zu korrigieren. Aufgrund dieser technischen Herausforderungen sind Spiralgalaxien bisher nur sehr selten bei niedrigen Frequenzen untersucht worden. Lediglich Beobachtungen bei sehr niedriger Winkelauflösung und ohne jegliche Details standen bis jetzt zur Verfügung.
Das Untersuchungsobjekt in der Dissertation von David Mulcahy ist die großartige Spiralgalaxie Messier 51 in einer Entfernung von ungefähr 30 Millionen Lichtjahren, die bereits in einem kleinen optischen Teleskop in Richtung des Sternbilds Jagdhunde (Canes Venatici) sichtbar wird (in unmittelbarer Umgebung des „Großen Wagens“ am Nordhimmel).
„Radiowellen bei niedriger Frequenz sind deshalb so wichtig, weil sie Informationen enthalten über Elektronen bei relativ niedrigen Energien, die in wesentlich größere Abstände von ihren Ursprungsorten in den Spiralarmen gelangen können, und dadurch die Magnetfelder in den äußeren Bereichen der Galaxien ausleuchten“, sagt David Mulcahy. „Wir möchten gern wissen, ob Magnetfelder von den Galaxien abgestoßen werden und wie stark sie in den äußeren Bereichen der Galaxien noch sind.“
„Dieses tolle Bild von M51 in Verbindung mit den daraus gewonnenen neuen Erkenntnissen zeigt den enormen Fortschritt, der bei niedrigen Radiofrequenzen mit dem LOFAR-Teleskop erreicht werden kann“, ergänzt Anna Scaife von der Universität Southampton, Ko-Autorin der Veröffentlichung. „Die Enthüllung der Geheimnisse von Magnetfeldern ist entscheidend für das Verständnis dafür, wie unser Universum funktioniert. Viel zu lange konnten die großen Fragen zu den Magnetfeldern einfach nicht durch Beobachtungen überprüft werden. Diese neue Epoche der Radioastronomie ist sehr aufregend.“
Das ”Low Frequency Array” (LOFAR) wurde entworfen und konstruiert von ASTRON in den Niederlanden. Es ist ein Radioteleskop völlig neuen Typs, das den Zugang zu sehr niedrigen Radiofrequenzen ermöglicht. LOFAR erforscht einen bisher kaum erfassten Frequenzbereich unterhalb von 240 MHz und besteht aus einer Vielzahl von kleinen Antennen (Dipolen) einfacher Bauart ohne jegliche bewegliche Teile. LOFAR setzt sich zusammen aus 38 Stationen in den Niederlanden, sechs Stationen in Deutschland und jeweils einer Station in Großbritannien, Frankreich und Schweden. Das neuartige Prinzip besteht aus der Online-Verbindung von Signalen aus allen Stationen in einem leistungsstarken Computercluster in der Universität Groningen (Niederlande).
Es haben auch bereits Beobachtungen der Galaxie M51 mit LOFAR bei Radiofrequenzen von 30 bis 80 MHz, also unterhalb des UKW-Bereichs, stattgefunden. „Das eröffnet uns ein weiteres neues Fenster zum Universum, und wir wissen noch nicht, wie die Galaxien in diesem Frequenzbereich aussehen“, schließt Rainer Beck, der das Projekt von David Mulcahy betreut hat. „Vielleicht können wir sogar eine magnetische Verbindung der Galaxien zum intergalaktischen Raum erfassen. Das wäre ein Schlüsselexperiment zur Vorbereitung des geplanten „Square Kilometre Arrays“ (SKA), das uns zeigen könnte, wo und wie kosmische Magnetfelder erzeugt werden.“