N3AR – APEX Heterodyn-Empfänger für Wellenlängen um 3 mm

Der N3AR (Abkürzung für „New 3 mm APEX Receiver“) ist ein Einzelpixel-Heterodyn-Empfänger, der im erweiterten W-Band (67 – 116 GHz, d.h. bei Wellenlänge um 3 mm) arbeitet. Pro Polarisation des elektromagnetischen Feldes und pro Seitenband wird eine Zwischenfrequenz generiert (engl. "dual polarization, dual sideband heterodyne receiver"). N3AR ist in der Cassegrain-Kabine des APEX Teleskops installiert.

Die Idee zum Bau des N3AR kam während einer APEX-Konferenz im Januar 2023 auf. Das APEX-Teleskop sollte - nachdem es schon einige Jahre innerhalb des Event Horizon Telescope (EHT)-Projekts an very long baseline interferometry (VLBI) Beobachtungen teilnahm - auch dem Global mm-VLBI Array (GMVA) beitreten. Das GMVA beobachtet bei Wellenlängen im Bereich von 3 mm. Ein weiteres Ziel war der Test und - bei Erfolg - die spätere, regelmäßige Anwendung der sog. frequency-phase-transfer Methode für VLBI-Beobachtungen über 250 GHz und mit zwei Empfängern, die denselben optischen Pfad durch die Atmosphäre haben. Hierzu war also ein niederfrequenter Empfänger nötig, der parallel zu NFLASH und SEPIA beobachten kann. 

Außerhalb von VLBI-Kampagnen, die nur etwa alle 6 Monate stattfinden, sollte der neue Empfänger für spektroskopische Beobachtungen nutzbar sein. Das Frequenzband sollte dabei die ALMA Bänder 2 und 3 abdecken können, da hier eine Vielzahl an interessanten, astronomischen Linie zu finden ist. Da die atmosphärische Transmission bei diesen, für APEX-Verrhältnisse, niedrigen Frequenzen sehr gut ist, wäre der neue Empfänger auch eine Art „Schlecht-Wetter-Instrument“; könnte also beobachten, wenn die Witterungsbedingungen für die anderen Instrumente von APEX nicht ausreichend sind. N3ARs Motto: „Ich mag Wolken“

Die Entwicklung des Empfängers begann im April 2023. Um den Aufbau zu beschleunigen und möglichst schnell an VLBI-Beobachtungskampagnen teilzunehmen, wurde auf vorhandene und kommerziell verfügbare Hardware, wo es möglich war, zurückgegriffen. Das Design wurde angelehnt an das neue ALMA-Band 2+3 Empfängersystem. Im September/Oktober 2024 konnte N3AR am APEX installiert werden. Vom 11. bis 14. Oktober, nur wenige Tage nach der Installation in der Kabine, nahm N3AR bereits an GMVA-Beobachtungen teil. Erste gleichzeitige VLBI-Beobachtungen bei 3 mm und 1,3 mm fanden vom 19. bis 22. November 2024 statt. Beide Beobachtungskampagnen waren erfolgreich und zeigten "fringes" zwischen APEX und den Partnerteleskopen. Auch der Test, die bei 3 mm Wellenlänge gemessene Phaseninformation auf die Kalibration der Messungen bei der kürzeren Wellenlänge („frequency phase transfer“) anzuwenden, klappte (Guang-Yao Zhao, A&A, in prep.). Zurzeit werden weitere Testmessungen mit N3AR durchgeführt, um das System zu charakterisieren und vollständig in Betrieb zu nehmen.

Spezifikationen

 

RF Bandbreite

67 – 116 GHz

ZF Bandbreite

4 – 16 GHz, pro Polarisation und Seitenband

LO Bandbreite72 – 106 GHz

Rauschtemperatur

40 – 60 K

Seitenband-Separation

≥ 15 dB

Strahlgröße am Himmel
(FWHP)
91 Bogensekunden bei 67 GHz
71 Bogensekunden bei 86 GHz
53 Bogensekunden bei 116 GHz

Signalkette

Geriffeltes Empfängerhorn
Orthomode-Transducer (OMT), zur Trennung der Polarisationen
2 gekühlte (< 10 K) HEMT-Verstärker pro Polarisation (Verstärkungsfaktor 45 – 50 dB)
erste Mischstufe bei Raumtemperatur außerhalb des Kryostaten

LokaloszillatorVerstärker-Vervielfacher-Kette (Gesamt-Multiplikationsfaktor 8)
BackendFast-Fourier-Transform-Spektrometer (4 GHz Bandbreite, 64k Kanäle)
12 Spektrometerkanäle insgesamt (entspricht 4 ZF mit je 3 x 4 GHz)

Zwei-Empfänger-Modus

Simultane Beobachtungen mit NFLASH-230 oder SEPIA-345 möglich
mittels einen selbstentwickelten, einstellbaren dichroidischen Filters

Aufbau des Systems

Im Gegensatz zu den anderen Heterodynempfängern am APEX, verwendet N3AR keine gekühlten Mischelemente, z.B. SIS. Im Kryostaten von N3AR wird das Signal vom Teleskop von mehreren gekühlten High-Electron-Mobility-Transistor-Verstärkern (HEMT) rauscharm verstärkt und im Anschluss aus dem Dewar hinausgeleitet. Der erste Mischprozess findet bei Umgebungstemperatur im sogenannten "down-converter" statt. Dadurch ist N3AR deutlich weniger komplex aufgebaut als andere Heterodynempfänger, was den Empfänger zuverlässiger und einfacher zu warten macht.

Das System kann in vier (Haupt-)Komponenten unterteilt werden: dem Kryostaten, zwei optischen Aufbauten - "Upper Optics Assembly" (UOA) und "Lower Optics Assembly" (LOA) - und einem 19-Zoll Elektronik-Rack (Bild 1 und 2).

Kryostat: Um die Bauzeit zu umgehen, wurde auf einen vorhandenen Laborkryostaten zurückgegriffen. Der Dewar verwendet einen Sumitomo RDK-415D Kaltkopf mit ca. 1,5 W Kühlleistung. Die Fenster des Kryostaten bestehen aus 5mm dickem HDPE, welches auf beiden Seiten mit einer 790 µm dicken GoreTex-Folie versehen wurde, um Rückreflektionen zu dämpfen.

Das „Upper Optics Assembly“ (UOA) ist an der Kabinendecke befestigt und besteht hauptsächlich aus dem elektronisch-mechanischen Auswahlmechnismus für den "Zwei-Empfänger-Modus“. Das Teleskopsignal kann entweder

  • weiter in die A-Kabine von APEX geleitet werden, für Beobachtungen nur mit NFLASH oder SEPIA, oder
  • durch einen Flachspiegel zu N3AR geleitet werden, für Beobachtungen nur mit N3AR, oder
  • aufgeteilt werden durch einen dichroidischen Filter, der an unserem Institut gebaut wurde, für simultane Beobachtungen mit N3AR und entweder NFLASH-230 oder SEPIA-345; hierbei ist N3ARs Strahl (niedrigere Frequenz) in Reflektion, der NFLASH/SEPIA Strahl in Transmission.

Das "Lower Optics Assembly" (LOA) ist direkt an den Kryostaten geschraubt und passt die Optikparameter des Teleskopstrahls an diejenigen des Empfängers an. Außerdem beinhaltet es motorisierte Spiegel, um die Signale der verschiedenen Kalibrationseinheiten in das Empängerhorn zu leiten.

Elektronik-Rack: Das Rack beinhaltet die notwendigen Elektroniken zum Betrieb des Empfängers und zur Verarbeitung der Ausgangssignale (ZF-Prozessor, Backends). Zusätzlich dient es als Tragestruktur für den Kryostaten.

Signalkette

Der Kryostat beherbergt im Inneren (Bild 3) das Eingangshorn des Empfängers, hergestellt von Radiometer Physics GmbH (RPG), gefolgt von einen Orthomode-Transducer (OMT), um die Polarisationen des Signals zu trennen. Jede Polarisation wird im Folgenden von zwei HEMTs (Hersteller: Low Noise Factory, Schweden) verstärkt, die durch einen Isolator von MicroHarmonics getrennt sind, bevor die beiden Signale über WR-10 Hohlleiter hinausgeführt werden. Daran an schließt sich das "down-converter system" von RPG, welches eine Zwischenfrequenz (ZF) von 2 – 20 GHz pro Polarisation und Seitenband (d.h. insgesamt vier ZF-Ausgänge) erzeugt. Zwei ZF-Signale können durch einen Splitter geleitet werden, um die Signal für VLBI-Beobachtungen abzuzweigen. Alle vier ZF-Signale werden, für spektroskopische Beobachtungen, in einem ZF-Prozessor weiter umgesetzt. Hierbei werden die Sub-Bänder von 4 – 8 GHz, 8 – 12 GHz und 12 – 16 GHz aus jeder der vier ZFs herausgefiltert und jeder Sub-Band auf 0 – 4 GHz abgebildet. Jedes dieser Basisbänder wird schlussendlich von einem unserer Fast-Fourier-Transform-Spektrometer digitalisiert.

Lokaloszillator (LO)

Ein Synthesizer-Modul von Virginia Diodes Inc. generiert die Treiberfrequenz für den Lokaloszillator. Das Synthesizersignal wird vervielfacht durch einen Verdoppler (Modell: Spacek AK-2X) und einen Verachtfacher im down-converter von RPG. Um störende Multiplikationsprodukte der Treiberfrequenz in der weiteren Signalkette zu unterdrücken, sind ein abstimmbarer YIG-Filter von OmniYIG Inc. am Synthesizerausgang und ein Bandpassfilter (Modell: Marki FB-2250) hinter den Verdoppler integriert.

Kalibration

Zur Kalibration des Empfängers mit Hilfe der Y-Faktor-Methode stehen drei thermische Lasten zur Verfügung: Eine „cold-load“ bei ~50 K, eine „ambient-load“ bei ~290 K und eine „hotter-load“ bei ~350 K. Die „cold-load“ befindet sich im Inneren des Kryostaten auf der ersten Kühlstufe. Durch ein dediziertes Fenster kann der Empfängerstrahl zurück in den Kryostaten und auf diese Last gelenkt werden. Die „hotter-load“ besteht aus einem geheizten, thermisch isolierten, mit absorbierendem Material beschichteten Konus. Für die „ambient-load“, die sich auf Kabinentemperatur befindet, werden Absorberkacheln von Thomas Keating (TK RAM tiles) verwendet.

Dichroidischer Filter für simultane Beobachtungen mit zwei Empfängern

Eine große Herausforderung war die Entwicklung eines dichroidischen Filters ("dichroic") für den "Zwei-Empfänger-Modus" (d.h. gleichzeitige Beobachtungen mit N3AR und entweder NFLASH-230 oder SEPIA-345). Das Filter musste ein Hochpass-Filter sein, aufgrund der optischen Pfade von NFLASH und SEPIA, sowie der räumlichen Gegebenheiten in der Cassegrain Kabine.

  

Das finale Design des Filters (Figure 4) basiert auf zwei Drahtgittern, die sich in einem bestimmten Abstand voneinander befinden. Jedes Gitter hat kreuzförmig angeordnete Drähte (d.h. bei der Herstellung wurde jedes Gitter horizontal und im Anschluss zusätzlich vertikal gewickelt). Die Drähte sind 20 µm dick. Benachbarte Drähte haben einen Abstand von 500 µm. Die Drähte liegen einseitig auf runden Rahmen mit einer freien Apertur von ~210 mm auf. Der Abstand zwischen den Gitterebenen bestimmt das Transmissionsverhalten des Filters und kann ferngesteuert eingestellt werden. Transmissionkurven für verschiedene Abstände zeigt Bild 5.

Referenzton-Generator für VLBI-Beobachtungen mit zwei Empfängern

Bei VLBI-Beobachtungen im Zwei-Empfänger-Modus kann ein zeitlich variabler Phasenversatz zwischen N3AR und NFLASH/SEPIA auftreten, da sich die Empfänger in verschiedenen Kabinen mit z.B. unterschiedlicher Temperatur befinden und da unterschiedliche Kabel das 10 MHz-Referenzsignal des Masers transportieren. Um später die Beobachtungsergebnisse der beiden Empfänger miteinander verrechnen zu können, muss dieser Versatz gemessen werden. Hierzu wurde ein Frequenzkamm-Generator konzipiert, bestehend aus einem Schottky-Dioden-Mischer (Modell: Pacific Millimeter WM) und einem Verstärker (Modell: Microsemi AML618P2501). Der Frequenzkamm wird in den gemeinsamen optischen Pfad von N3AR und NFLASH/SEPIA vor dem dichroidischen Filter eingespeist. Diese „Phasen-Kalibrationstöne“ werden begleitend zum astronomische Signal von den beteiligten Empfängern aufgezeichnet. Im Anschluss an die Beobachtungen wird dann der zeitliche Verlauf ihrer Phasendifferenz zur Korrektur der astronomischen Daten verwendet.

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