Auslese-Elektronik

Auslese-Elektronik

Kameras für astronomische Beobachtungen benötigen eine Auslese-Elektronik mit speziellen Eigenschaften. Unsere Speckle-Beobachtungen werden mit kurzen Belichtungszeiten und hohen Bildraten durchgeführt. Der Bildsensor wird schnell ausgelesen, was zu einer hohen Signalbandbreite führt.

Überblick

Das Signal des Bildsensors muss verstärkt werden, ohne dass dabei merkliches Rauschen hinzugefügt wird. Des Weiteren muss die Elektronik immun gegenüber externen Störquellen sein. Für das AMBER-Instrument wenden wir ein spezielles Taktmuster an, um mehrere Teilbilder auszulesen. Bei LINC-NIRVANA lesen wir zwei Quadranten eines Bildsensors unabhängig voneinander und mit unterschiedlichen Bildraten aus. Es bedarf einer hohen Flexibilität, um diese ungewöhnlichen Auslese-Modi zu erzeugen. Die von uns entwickelte Auslese-Elektronik entspricht all diesen Anforderungen. Sie ist darüber hinaus darauf optimiert, HAWAII-1-Bildsensoren zu betreiben.

Der größte Teil der Elektronik-Platinen befindet sich in einem Metallblock ausserhalb des Dewars bei Umgebungstemperatur. Der Metallblock dient als Gehäuse, Wärmesenke und elektrischer Schirm. Die Platinen in seinem Inneren sind so angeordnet, dass elektromagnetische Beeinflussungen vermieden werden. Lediglich die Fanout-Platine, die den Bildsensor trägt, befindet sich innerhalb des Dewars bei kryogenen Temperaturen. Die Funktion aller Platinen wird im Weiteren beschrieben.

Sequenzer

Der Sequenzer generiert die sich als Muster wiederholenden Steuersignale zum Auslesen und Samplen des Bildsensors. Er kann über eine Ethernet-Socket-Verbindung konfiguriert werden. Desweiteren generiert er einen Datenheader, der Informationen über Bildformat, Auslesemodus und weiteres beinhaltet.

Merkmale

  • 10 MHz System Takt => 100 ns Signalauflösung
  • 1M x 64 bit SRAM Speicher für die Beschreibung der Signalmuster => 1M Befehle
  • 32 Steuersignale für den Bildsensor
  • 8 Steuersignale für den Analog-Digital-Umsetzer
  • 128 byte Datenheader Information für jedes ausgegebene Bild

Hardware

Der Sequenzer ist ein Mischsystem aus zwei PC104-Modulen:

  • Ein Diamond Systems Helios HLV800-256DV Ein-Platinen-Rechner

    PC-kompatible x86-Architekture mit einem Debian/GNU Linux Betriebssystem, einem Flashdisk-Modul und USB- wie Ethernetkontrollern. Auf dem Modul läuft ein Kommando Server zur Konfiguration über Ethernet Sockets. Durch Kommunikation mit dem Kommando Server kann der Auslesemodus des Bildsensors angepasst werden.
  • Eine Schleifenprozessor Platine

    Auf einem Xilinx Spartan-3-FPGA läuft ein Schleifenprozessor mit einem kleinen Befehlssatz. Das Design beeinhaltet ein ISA-Bus-Interface, SRAM-Speicher und differentielle Leitungstreiber. Die Platine produziert die Steuersignalmuster zum Auslesen des Bildsensors in Echtzeit.

Low-Level-Software

Der Schleifenprozessor arbeitet mit einem Satz aus 16 Befehlen. Die Ausführung des Machinencodes ergibt einen Zustand der Steuersignale pro Taktzyklus. Die Sequenzer-Architektur bietet eine flexible Struktur, um Muster wie Bilder, Bildzeilen oder Pixel zu wiederholen. Jeder Zustand der Steuersignale ist durch die Software definiert. Sich wiederholende Muster werden in Schleifen zusammengefasst. Diese können bis zu einem beliebigen Grad verschachtelt werden solange die Resourcen des FPGAs ausreichen. Der Sequenzer bietet drei Gruppen von Signalen. Eine Gruppe bedient die Steuersignale des Analog-Digital-Umsetzers, eine weitere Gruppe bedient die Steuersignale des Bildsensors und eine dritte ist verbunden mit dem Pixeldatenbus und fügt Headerinformationen in den Datenstrom ein.

data-snippet-id="3e2c950b33"> High-Level-Software

Der Programmcode für das Auslesen eines Bildsensors befindet sich in einer Programmdatei. Um den Auslesemodus zu verändern (beisp. die Belichtungszeit oder den Bildausschnitt) gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann es über die Ethernet-Socket-Verbindung dem Kommando-Server mitteilen oder auch direkt die Programmdatei bearbeiten. Nach Erhalt eines Kommandos ändert der Kommando-Server die gewünschten Parameter und kompiliert, wenn nötig, den Maschinencode neu. Der neue Maschinencode wird über den ISA-Bus in den SRAM-Speicher geladen. Über einen Eintrag in das Steuerregister des Prozessors kann das Auslesen gestartet werden.

Clock-Treiber

Die vom Sequenzer kommenden digitalen Clock-Signale müssen verstärkt werden damit sie den Bildsensor auf der Fanout-Platine ansteuern können. Die Clock-Treiber-Platine empfängt die Signale des benachbarten Sequenzers und treibt damit die paarweise verdrillten Leitungen, die zur entfernten Fanout-Platine führen. Es gibt bis zu 32 Clock-Leitungen. Das reicht aus, um alle vier Quadranten eines HAWAII-1 Bildsensors unabhängig voneinander anzusteuern.

Sobald die Kabellänge mehr als einige Dezimeter beträgt, muss die Ausgangsimpedanz der Leitungstreiber an die Impedanz des Kabels an seinem Anfang angepasst werden. Wir schließen das Kabel jedoch nicht an seinem Ende ab, weil sich dort sonst die Signalspannung halbieren würde und am Abschlusswiderstand Wärme erzeugt würde. Das bedeutet jedoch, dass Reflexionen im Kabel zurücklaufen, die aber in der Ausgangsimpedanz der Leitungstreiber absorbiert werden. Es ist wichtig, dass das reflektierte Signal auf seinem Weg zurück zum Leitungstreiber keine Unstetigkeiten in der Kabelimpedanz sieht. Wenn diese Bedingungen eingehalten werden, dann kann die Kabellänge mehrere Meter betragen.

Fanout-Platine

Die Fanout-Platine trägt den Bildsensor in einem Sockel und versorgt ihn elektrisch mit Clock-Signalen und Spannungen. Sie wird bei kryogenen Temperaturen innerhalb eines Dewars betrieben.

Der Videoausgang des Bildsensors wäre zu schwach, um das Signal nach aussen zu übertragen, sobald die Kabellänge einige Dezimeter überschreitet. Daher sind aktive Verstärkerstufen auf der Fanout-Platine vorhanden. Operationsverstärker mit FET-Eingängen werden eingesetzt, um das Videosignal zu verstärken und in ein differenzielles Paar von 50-Ohm-Koaxialleitungen einzukoppeln. Dadurch kann die Kabellänge mehrere Meter betragen.

Videoverstärker

Die von der Fanout-Platine kommenden Videosignale müssen erst aufbereitet werden bevor sie in digitale Datenströme umgesetzt werden. Die Videoverstärkerplatine vereint dabei mehrere Funktionen der analogen Signalverarbeitung.

Erzeugung der Gleichspannungen

Alle Spannungen die sich auf den analogen Teil der Fanout-Platine beziehen werden auf der Videoverstärkerplatine erzeugt. Dadurch wird sichergestellt, dass sie sich auf das selbe Massepotential beziehen wie die Videosignale. Folgende Gleichspannungen werden erzeugt: Analoge Versorgungsspannung, Reset-Spannung, Bias-Gate-Spannung, asymmetrische Versorgungsspannungen der kryogenen Vorverstärker und die Referenzspannungen für die kryogenen Vorverstärker. Alle diese Spannungen werden betrachtet als Signale mit niedrigem Rauschen, niedriger Impedanz und konstanter Spannung. Die Spannungsquellen sind in der Lage, sich schnell ändernde Lasten durch Ströme hoher Bandbreite zu treiben.

Grundlegende Signalverarbeitung

Das Signal eines jeden Videoeingangs wird um einen gewissen Gleichspannungswert verschoben und in seiner Amplitude verstärkt, so dass es optimal den Spannungsbereich der Analog-Digital-Umsetzer abdeckt. Zusammen mit der unten beschriebenen Filtermethode ist die analoge Signalkette so ausgelegt, dass so wenig Rauschen wie möglich dem Signal hinzugefügt wird.

Ein rauscharmes Design verlangt, dass die Reihenfolge der einzelnen Stufen sinnvoll gewählt ist. Beispielsweise sind Stufen, die Frequenzen aus dem Spektrum abschwächen, am Ende der Signalkette plaziert. Für das Rauschen, dass möglicherweise entlang der Signalkette hinzu kommt, werden diese Frequenzanteile mit abgeschwächt. Die Aufteilung der Gesammtverstärkung auf die einzelnen Verstärkerstufen ist bei einem rauscharmen Design ebenso wichtig. Wenn der Großteil der Verstärkung von den Eingangsstufen geleistet wird, dann wird Rauschen, das erst entlang der Signalkette hinzu kommt, nur geringfügig mitverstärkt. Die Eingangsstufe ist hier der Vorverstärker auf der Fanout-Platine. Dessen Verstärkung ist jedoch dadurch eingeschrängt, dass er bei der kryogenen Arbeitstemperatur nur begrenzt ausgesteuert werden kann. Die restliche Verstärkung wird von der unmittelbar folgenden Stufe auf der Videoverstärkerplatine übernommen. Die Verstärkung aller darauf folgenden Stufen beträgt nur ein wenig mehr als eins.

Analoge Filterung

In jedem Videokanal wird ein Mittelwertfilter eingesetzt, um das Rauschen im Signal zu verringern. Der Ausgang des Filters ist ein fortlaufendes Signal, das proportional ist zum Mittelwert des Eingangs während der soeben vergangenen 100 ns. Diese Zeitspanne entspricht der Abtastperiode des nachfolgenden Analog-Digital-Umsetzers. Eingangssignale die älter als 100 ns sind dürfen keinen Einfluß mehr auf den aktuellen Ausgangswert haben (finite impulse response). Das Filter kann mathematisch als Integrator beschrieben werden:

Die Sprungantwort und der Frequenzgang eines idealen Mittelwertfilters sind in den Diagrammen oben dargestellt. In der praktischen Umsetzung wird eine rein analoge Schaltung verwendet, um die Filtercharakteristik anzunähern.

Entlang einer Widerstandskette sind Serienschwingkreise (Saugkreise) plaziert, welche die ersten drei Nullstellen bei 10 MHz, 20 MHz und 30 MHz erzeugen. Zwei dazwischen liegende Kondensatoren entzerren die Phasenlage und lassen das Signal zu höheren Frequenzen hin abfallen.

Die Kreisgüten Q1, Q2, Q3 der drei Schwingkreise und die beiden Kondensatoren C1, C2 ergeben fünf Parameter, die so gewählt werden, dass die gewünschte Filtercharakteristik bestmöglichst erreicht wird. Das Verhalten aller anderen analogen Stufen ist bei der Optimierung der Parameter mit einbezogen. Somit wird der Einfluss der anderen Stufen auf den Frequenzgang kompensiert. Als Ergebnis bekommt die komplette analoge Signalkette vom Bildsensor bis zum Analog-Digital-Umsetzer die Charakteristik des gewünschten Mittelwertfilters.

Das hier betrachtete analoge Filter ist Teil einer Filtermethode, die auf der digitalen Seite fortgeführt wird.

ADC (Analog-Digital-Umsetzer)

Die Analog-Digital-Umsetzer-Platine setzt die analogen Videosignale in eine Folge digitaler Abtastwerte um, wählt daraus eine zeitlich festgelegte Untermenge von Werten aus und errechnet daraus den Durchschnitt, um einen Pixelwert zu erhalten.

Die Analog-Digital-Umsetzer-Platine hat vier Kanäle. Die differentiellen Analogsignale werden mit 10 MHz und 14 Bit Auflösung abgetastet. Jeder Kanal enthält ein Logic-Cell-Array (LCA) welches eine variable Anzahl von Abtastwerten aufaddiert und daraus einen 16-Bit-Mittelwert rundet. Ein Pixelwert eines Kanals wird durch folgenden Ablauf erzeugt:

  1. Der Sequenzer erzeugt Clock-Signale, so dass ein Pixel auf dem Bildsensor adressiert wird.
  2. Der analoge Pixelwert des Bildsensors wird durch den kryogenen Verstärker auf der Fanout-Platine verstärkt und differentiell zur Videoverstärkerplatine geführt.
  3. Das analoge Signal wird auf der Videoverstärkerplatine weiterverarbeitet, zeitlich gemittelt und differentiell zur Analog-Digital-Umsetzer-Platine geführt.
  4. Das analoge Signal wird auf der Analog-Digital-Umsetzer-Platine in digitale Abtastwerte umgesetzt.
  5. Der Sequenzer steuert das LCA auf der Analog-Digital-Umsetzer-Platine, womit eine definierte Anzahl von Abtastwerten digital aufsummiert wird.
  6. Das LCA erzeugt durch Rundung einen 16-Bit-Wert, der dem Mittelwert der aufaddierten Abtastwerte entspricht.
  7. Das LCA gibt seinen Ausgangswert koordiniert auf einen 16-Bit-Bus der zu einem Serial-Link-Transmitter führt.
  8. Der Serial-Link-Transmitter setzt den 16-Bit-Pixelwert in ein serielles Protokoll um.
  9. Der serialisierte Pixelwert wird durch einen Fiberoptik-Transmitter ausgesendet.
  10. Das nachste Pixel wird adressiert.

Das Konzept des Sub-Pixel-Samplings

Die Integrationszeit des analogen Mittelwertfilters entspricht der Abtastperiode T des Analog-Digital-Umsetzers. Durch einfaches Addieren einzelner aufeinanderfolgender Abtastwerte ergibt sich eine Filterbandbreite B, die umgekehrt proportional zur Anzahl der Abtastwerte multipliziert mit T ist.

B = k/(Anzahl der Samples * T) mit k ca. 1.05

Nachdem ein Pixel adressiert wurde dauert es einige Zeit, bis das Analogsignal eingeschwungen ist. Sobald das Signal stabil ist wird es mehrfach vom Analog-Digital-Umsetzer abgetastet (siehe Grafik). Dieses sogenannte Sub-Pixel-Sampling hat mehrere Vorteile:

  • Rauschen wird dadurch reduziert, dass mehrere Abtastwerte von einem Pixel gemittelt werden.
  • Weil die Abtastrate konstant bleibt, kann die analoge Signalverarbeitung optimal an die Analog-Digital-Umsetzung angepasst werden, ganz unabhängig von der Pixelrate.
  • Die Signalbandbreite wird auf einfache Weise an die Pixelrate angepasst, indem die Zahl der zu mittelnden Abtastwerte verändert wird.

Eine Verringerung der Pixelrate (und somit der Bildrate) eröffnet die Möglichkeit, mehr Abtastwerte pro Pixel aufzumitteln. Eine Verdoppelung der Abtastwerte senkt das Ausleserauschen um den Faktor 1/sqrt(2).

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