Event-Horizon-Teleskop 2022

Beobachtungskampagne im März 2022: das weltweite EVN-Radioteleskop-Netzwerk führt vierten Beobachtungslauf mit einem Netzwerk von elf Observatorien durch.

17. März 2022

Das "Event Horizon Telescope" (EHT) ist eine internationale Kollaboration mit dem Ziel, die unmittelbare Umgebung eines Schwarzen Lochs direkt abzubilden und damit Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie in einem extremen Umfeld zu testen. Mehrere europäische Forschungsinstitute, darunter das Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, beteiligen sich im Rahmen eines internationalen Konsortiums an den Beobachtungen. Nach den ersten Beobachtungskampagnen in den Jahren 2017, 2018 und 2021 startet das EHT im März 2022 in seine vierte Kampagne und beobachtet das Zentrum der Milchstraße sowie die Galaxien Centaurus A, Messier 87, PKS 1510-089, Perseus A, Markarian 501, OJ 287 und 3C 454.3.

Das EHT-Konsortium besteht aus dreizehn Stakeholder-Institutionen und etwa fünfzig angeschlossenen Institutionen mit etwa dreihundert Einzelmitgliedern in Europa, Asien, Afrika und Amerika.  Anton Zensus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) ist der Gründungsvorsitzende der Kollaboration und Sheperd S. Doeleman (Harvard, USA) ist der Gründungsdirektor.  Derzeitige Vorstandsvorsitzende und Projektleiter sind Colin J. Lonsdale (MIT, USA) bzw. Huib J. van Langevelde (JIVE, Niederlande).

Das EHT-Projekt wird von mehreren Behörden und Institutionen finanziert, darunter die Max-Planck-Gesellschaft über das MPIfR und die Europäische Kommission (Projekte BlackHoleCam, M2FINDERS, JETSET und RadioNet).

Die bei den EHT-Beobachtungen verwendete Technik heißt Very Long Baseline Interferometry (VLBI). VLBI ermöglicht die höchsten Auflösungen in der Astronomie durch das Zusammenschalten einer Reihe von Radioteleskopen, die über verschiedene Länder der Erde verteilt sind. Diese Methode wird zur Untersuchung der direkten Umgebung von supermassereichen Schwarzen Löchern in aktiven Galaxienkernen eingesetzt, insbesondere zur Untersuchung von Jets hochenergetischer Teilchen, die aus den Zentralregionen der Galaxien  emittiert werden. Im Rahmen des EHT-Projekts ist es nun möglich, neben den Jets auch die zentralen Schwarzen Löcher direkt abzubilden, wie im Kern von Messier 87, für den das entsprechende Bild am 10. April 2019 veröffentlicht wurde. Dies wird durch Beobachtungen bei kürzeren Radiowellen von nur 1,3 mm Wellenlänge erreicht. Die Auflösung des weltweiten Netzes von Radioteleskopen bei dieser Wellenlänge entspricht einem Vergrößerungsfaktor von zwei Millionen oder der Größe eines Tennisballs in der Entfernung zum Mond.

Um den Einfluss der Erdatmosphäre bei dieser Wellenlänge zu minimieren, sind die Beobachtungen nur an hochgelegenen, trockenen Standorten wie der Atacama-Wüste in Chile, der Sierra Nevada in Südspanien, hohen Vulkanen auf Hawaii oder sogar am Südpol möglich.

Die Einbeziehung des Atacama Large Millimeter Arrays (ALMA) mit seinen insgesamt vierundsechzig Antennen bietet eine sehr hohe Empfindlichkeit, da es ein Radioteleskop mit einem äquivalenten Durchmesser von 84 Metern synthetisiert, das den üblichen Millimeterwellen-Radioteleskopen mit 15 bis 30 Metern Durchmesser an Sensitivität überlegen ist.    

Frühere Beobachtungskampagnen fanden im April 2017 (acht Teleskope), April 2018 (das Grönland-Teleskop kam hinzu) und April 2021 (das Kitt Peak 12-m-Teleskop und NOEMA kamen hinzu) statt.  Die Kampagnen im April 2019 und April 2020 wurden aus betrieblichen Gründen bzw. wegen der Pandemie CoViD-19 abgesagt.

In der aktuellen Kampagne, die am 17. März beginnen soll, sind sieben Beobachtungsnächte in einem Zeitfenster bis zum 29. März vorgesehen.  Jeden Abend um 20:00 Uhr MEZ wird eine Entscheidung über das "Go/No-Go" getroffen.  Für die kontinuierliche Überwachung des Arrays wurden Remote Array Operation Centers eingerichtet.  Eines davon ist am MPIfR angesiedelt und hat die Aufgabe, die Beobachtungen jeden Tag ab 07:00 Uhr MEZ bis zum Ende der Beobachtungsnacht zu überwachen, wenn die letzten Teleskope auf Amerika und Hawaii abgeschaltet werden.

Die zwei Hauptquellen werden drei Nächte lang beobachtet, nämlich Messier 87 und Sagittarius A*, zwei Nächte sind Centaurus A gewidmet, und die restlichen Quellen werden einmal beobachtet.  Mehrere Quellen können in der gleichen Nacht kombiniert werden.  Wie im Jahr 2021 werden die meisten Beobachtungen aus der Ferne durchgeführt, da die Reisebeschränkungen aufgrund der CoViD-19-Pandemie noch immer bestehen..

Die VLBI-Datensätze werden in speziellen Supercomputern, den sogenannten Korrelatoren, ausgewertet. Für die Analyse der EHT-Beobachtungen werden zwei Korrelatoren verwendet, am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn (Leiter der Korrelatorgruppe: Helge Rottmann) und am Haystack Observatory in Haystack, Massachusetts, USA.  Die Bitrate der Aufnahmedaten seit 2021 wurde im Vergleich zu früheren Kampagnen verdoppelt, teilweise dank der Implementierung eines neuen, am MPIfR mitentwickelten Datensammelsystems, dem Digital Base Band Converter 3 (DBBC3).

Für ein Gesamtbild der Physik von Schwarzen Löchern werden die Beobachtungen durch numerische Simulationen und Tests mit synthetischen Daten ergänzt.  Einige davon werden auf dem High-Performance Cluster Computer am MPIfR-Korrelatorzentrum durchgeführt.

 

Teleskop-Netzwerk bei den Beobachtungen im März 2022

 

  • Atacama Pathfinder Experiment (APEX) in Chile, betrieben vom MPIfR
    • VLBI-Beobachtungen: Alan Roy, Jan Wagner
    • APEX-Projektleiter: Karl M. Menten (Direktor am MPIfR)
  • Atacama Large Millimeter Array (ALMA) in Chile, betrieben in internationaler Kollaboration(einschließlich der europäischen Südsternwarte, ESO)
    • VLBI-Beobachtungen vom MPIfR: Helge Rottmann (als Teil des ALMA-Phasing-Projekts)
  • Grönland-Teleskop (GLT) in Thule, an der Nordwestküste von Grönland
  • IRAM-30m-Teleskop am Pico Veleta, Spanien, betrieben vom deutsch-französisch-spanischen IRAM-Institut
    • VLBI-Beobachtungen vom MPIfR: Helge Rottmann (im Remote-Betrieb); von IRAM unter anderem: Pablo Torné
  • IRAM Northern Extended Millimetre Array (NOEMA), am Plateau de Bure in der Nähe von Grenoble, Frankreich
  • Kitt Peak 12m-Teleskop (KP12m) vom Arizona Radio Observatory auf dem Kitt Peak in Arizona, USA
  • James Clark Maxwell Telescope (JCMT) auf dem Mauna Kea, Hawaii, USA, betrieben vom East Asian Observatory (Taiwan, China, Japan und Südkorea)
  • Südpol-Teleskop (SPT), betrieben von einer internationalen Kollaboration (unter Beteiligung der Ludwig-Maximilians-Universität, München)
  • Submillimeter Array (SMA) auf dem Mauna Kea, Hawaii, USA
  • Submillimeter Telescope (SMT) des Arizona Radio Observatory auf dem Mount Graham, Arizona, USA
  • Large Millimetre Telescope (LMT) Alfonso Serrano (bei Puebla, Mexiko)

 

Neue Teleskope wie das Africa Millimetre Telescope (AMT) sollen in Zukunft dazukommen.

 

Quellenliste für die Beobachtungen im März 2022

Qie Quellen für die Beobachtungen im Jahr 2022  sind:

- das galaktische Zentrum, Sagittarius A*, in einer Entfernung von 27.000 Lichtjahren im Sternbild "Sagittarius" (EHT-Projekt)

- die aktive Galaxie Virgo A (Messier 87 oder M 87), in einer Entfernung von 53 Millionen Lichtjahren im Sternbild "Virgo" (EHT-Projekt)

- die Radiogalaxie Centaurus A - im südlichen Sternbild Centaurus in einer Entfernung von 13 Millionen Lichtjahren (PI Maciek Wielgus, wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPIfR)

-  Die Radiogalaxie PKS 1510-089 im Sternbild Waage in einer Entfernung von 100 Millionen Lichtjahren (PI Nicholas R. MacDonald, wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPIfR)

- Die Radiogalaxie NGC 1275 (auch bekannt als 3C 84 oder Perseus A), im Zentrum des Perseus-Galaxienhaufens, in einer Entfernung von 247 Millionen Lichtjahren, im Sternbild Perseus (PI Georgios F. Paraschos, Doktorand am MPIfR)

- Der Blazar Markarian 501 in einer Entfernung von 450 Millionen Lichtjahren im Sternbild Herkules (PI Shoko Koyama, ehemaliger Postdoc am MPIfR, jetzt Professor an der Universität Niigata in Japan)

- Der weit entfernte Quasar OJ 287 mit einer Rotverschiebung von 0,306; das ausgestrahlte Licht brauchte 3,36 Milliarden Jahre, um auf der Erde anzukommen; die Galaxie beherbergt höchstwahrscheinlich ein binäres supermassives Schwarzes Loch und befindet sich im Sternbild Krebs (PI José L. Gómez vom Instituto de Astrofísica de Andalucía in Granada, Spanien)

- Der starke Quasar 3C 454.3 mit einer Rotverschiebung von 0,859, dessen Licht 6,91 Milliarden Jahre brauchte, um zur Erde zu gelangen, d.h. wir beobachten das Universum, als es etwa 50% seines heutigen Alters hatte.  Er ist auch als "verrückter Diamant" bekannt und befindet sich im Sternbild Pegasus (PI Efthalia Traianou, vom Instituto de Astrofísica de Andalucía in Granada, Spanien, das auch dem MPIfR angehört).

- Durchmusterung von Quellen: Es wird eine kleine Auswahl aktiver Galaxien untersucht, die als Kandidaten für die Abbildung von Schwarzen Löchern verwendet werden können (PI Neil Nagar, Universidad de Concepción in Chile)

 

Weitere aktive Galaxien (wie 3C 279 oder 4C +01.28) werden als Eich- oder Kalibrationsquellen verwendet.  Sgr A* im Zentrum unserer Milchstraße und die zentrale Quelle der Galaxie Messier 87 im Virgo-Galaxienhaufen stellen die beiden Schlüsselquellen für das EHT-Projekt dar.

 

Partner und ausgewählte Kontaktpersonen

In Stakeholder-Einrichtungen

  • Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
  • Goethe-Universität, Frankfurt
    • Luciano Rezzolla (BHC-Projektleiter) - rezzolla@th.physik.uni-frankfurt.de
  • Radboud Universiteit Nijmegen, Niederlande
    • Heino Falcke (BHC-Projektleiter) - H.Falcke@astro.ru.nl
  • Institut de radioastronomie millimétrique (IRAM), Grenoble, Frankreich, und Granada, Spanien
    • Karl Schuster (Direktor und Mitglied des EHT-Gremiums) - schuster@iram.fr
    • Miguel Sánchez Portal (IRAM-30m-Stationsleiter) - msanchez@iram.es
    • Pablo Torne (IRAM-30m-VLBI-Experte) – torne@iaa.es
  • Haystack Observatorium, Massachusetts Institute of Technology, MA, USA
  • Smithsonian Astrophysical Observatory, Harvard University, MA, USA
  • Perimeter Institute, Waterloo, ON, Kanada
  • Large Millimeter Telescope, Mexiko
  • University of Chicago, IL, USA
  • University of Arizona, Tucson, AZ, USA
  • Academia Sinica Institute of Astronomy and Astrophysics, Taipei, Taiwan
  • National Astronomical Observatory of Japan, Tokyo, Japan

 

In angegliederten Einrichtungen:

  • Joint Institute for VLBI-ERIC, Dwingeloo, The Netherlands
  • Instituto de Astrofísica de Andalucía, Granada, Spain
    • Rocco Lico (Sekretär des EHT-Management-Teams) – rlico@iaa.es

 

Links zu den teilnehmenden Teleskopen

In Stakeholder-Einrichtungen

 

Teleskop in Planung für zukünftige Kampagnen:

 

 

 

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