Ein kosmischer "Fingerabdruck"

Neues Bild des JWST zeigt Staubringe, erzeugt von einem seltenen Sterntyp und seinem Begleiter, die in einem himmlischen Tanz gefangen sind.

12. Oktober 2022

Ein neues Bild, das mit dem James-Webb-Weltraumteleskop aufgenommen wurde, zeigt einen bemerkenswerten kosmischen Anblick: mindestens 17 konzentrische Staubringe, die von einem Sternenpaar ausgehen. Dieses Sternenduo befindet sich in einer Entfernung von gut 5.000 Lichtjahre von der Erde und ist unter der Bezeichnung Wolf-Rayet 140 bekannt. Zu dem Forscherteam unter der Leitung des US-Astronomen Ryan Lau gehört auch Gerd Weigelt vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.

Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature Astronomy" veröffentlicht.

Ein neues Bild des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) offenbart einen bemerkenswerten kosmischen Anblick: mindestens 17 konzentrische Staubringe, die von einem Sternenpaar ausgehen. Dieses Sternsystem befindet sich in etwas mehr als 5.000 Lichtjahren Entfernung in Richtung des Sternbilds Cygnus (Schwan) und ist unter dem Namen Wolf-Rayet 140 (WR 140) bekannt. Die Ringe entstanden jeweils beim geringsten Abstand beider Sterne auf ihrer Umlaufbahn durch Kollision der Sternwinde (Gasströme, die sie ins All blasen). Dadurch wurde das Gas komprimiert und es bildete sich Staub. Die Umlaufbahnen der Sterne bringen sie etwa alle acht Jahre zusammen; wie die Ringe eines Baumstamms markieren die Staubschleifen den Lauf der Zeit.

"Wir sehen die Staubproduktion über mehr als ein Jahrhundert in diesem System", sagt Ryan Lau, Astronom am NOIRLab der National Science Foundation, der Erstautor einer neuen Studie über das System, die heute in der Fachzeitschrift „Nature Astronomy“ veröffentlicht wurde. "Das Bild zeigt auch, wie empfindlich das JWST ist. Früher konnten wir mit bodengebundenen Teleskopen nur zwei Staubringe sehen. Jetzt sehen wir mindestens 17 davon."

Zusätzlich zur allgemeinen Empfindlichkeit des James-Webb-Teleskops ist sein „Mid-Infrared Instrument“ (MIRI) in einzigartiger Weise geeignet, die Staubringe zu untersuchen, die Lau und seine Kollegen als Schalen bezeichnen, da sie in Wirklichkeit dicker und breiter sind als sie auf dem Bild erscheinen. Die wissenschaftlichen Instrumente des Teleskops erfassen infrarotes Licht, einen Bereich von Wellenlängen, der für das menschliche Auge unsichtbar ist.

MIRI, das zuvor vom „Jet Propulsion Laboratory“ für die NASA verwaltet wurde, erkennt die längsten Infrarot-Wellenlängen, was bedeutet, dass es im Vergleich zu den anderen Instrumenten des JWST oft kühlere Objekte sehen kann, darunter auch die Staubringe. Das MIRI-Spektrometer enthüllte auch die Zusammensetzung des Staubs, der größtenteils aus Material besteht, das von einem Sterntyp ausgestoßen wird, der als Wolf-Rayet-Stern bekannt ist.

Ein Wolf-Rayet-Stern wird mit mindestens 25-mal mehr Masse als unsere Sonne geboren und nähert sich dem Ende seines Lebens. Ein Wolf-Rayet-Stern erzeugt starke Winde, die riesige Mengen an Gas ins All stoßen. Der Wolf-Rayet-Stern in diesem speziellen Paar hat durch diesen Prozess möglicherweise bereits mehr als die Hälfte seiner ursprünglichen Masse verloren.

Die Umwandlung von Gas in Staub ist in etwa so, als würde man Mehl in Brot verwandeln: Es sind bestimmte Bedingungen und Zutaten erforderlich. Das in Sternen am häufigsten vorkommende Element, Wasserstoff, kann von sich aus keinen Staub bilden. Da Wolf-Rayet-Sterne jedoch so viel Masse abwerfen, stoßen sie auch komplexere Elemente aus, die normalerweise tief im Inneren eines Sterns zu finden sind, darunter Kohlenstoff. Die schweren Elemente im Wind kühlen auf ihrer Reise in den Weltraum ab und werden dort komprimiert, wo die Winde beider Sterne zusammentreffen.

Einige andere Wolf-Rayet-Systeme bilden ebenfalls Staub, aber von keinem ist bekannt, dass es Ringe wie bei WR 140 bildet. Das einzigartige Ringmuster entsteht, weil die Umlaufbahn des Wolf-Rayet-Sterns im Doppelsternsystem länglich und nicht kreisförmig ist. Nur wenn sich die Sterne einander genügend annähern - etwa auf die gleiche Entfernung wie zwischen Erde und Sonne - und ihre Sternwinde miteinander kollidieren, steht das Gas unter ausreichendem Druck, um Staub zu bilden.

Lau und seine Mitautoren gehen davon aus, dass die Winde von WR 140 auch die Umgebung von Materialresten befreit haben, mit denen sie sonst kollidiert wären. Das könnte der Grund dafür sein, dass die Ringe so unberührt und nicht verschmiert oder zerstreut erscheinen. Wahrscheinlich gibt es sogar noch mehr Ringe, die so schwach und zerstreut sind, dass man sie nicht einmal in den Daten vom JWST erkennen kann.

"WR 140 stellt ein faszinierendes astrophysikalisches Labor dar, um Windkollisionen, Staubbildung und das Überleben von Staub in der feindlichen Strahlungsumgebung um diese massereichen und heißen Sterne zu untersuchen", sagt Gerd Weigelt vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. "Beobachtungen in verschiedenen Orbitalphasen ermöglichen es uns zu untersuchen, wie die Staubproduktion von der Entfernung zwischen den beiden heißen Sternen abhängt, da die Umlaufbahn gut bekannt ist. Die Entdeckung von entfernten Schalen aus der Staubproduktion vor mehr als 100 Jahren zeigt, dass der von WR 140 gebildete Staub lange Zeit überleben kann."

Die neue Studie mit den Daten des MIRI-Spektrometers mit mittlerer Auflösung liefert den bisher besten Beweis dafür, dass Wolf-Rayet-Sterne kohlenstoffreiche Staubmoleküle produzieren. Und die Erhaltung der Staubhüllen deutet darauf hin, dass dieser Staub in der lebensfeindlichen Umgebung zwischen den Sternen überleben und Material für zukünftige Sterne und Planeten liefern kann.

"Obwohl Wolf-Rayet-Sterne in unserer Galaxie selten sind, weil sie im Vergleich zu anderen Sternen sehr kurzlebig sind, ist es möglich, dass sie im Laufe der Geschichte der Galaxie viel Staub produziert haben, bevor sie explodierten und Schwarze Löcher bildeten", sagt Patrick Morris, Astrophysiker am Caltech in Pasadena, Kalifornien, und Mitautor der neuen Studie. "Ich denke, mit JWST werden wir viel mehr darüber lernen, wie diese Sterne das Material zwischen den Sternen formen und neue Sternentstehung in Galaxien auslösen."

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Weitere Informationen:

Das „James Webb Space Telescope“ (JWST) ist ein weltweit führendes Observatorium für Weltraumforschung. Das JWST wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick in ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Das JWST ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner, der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der Kanadischen Weltraumorganisation CSA.

Das „Mid-infrared Instrument“ (MIRI) wurde im Rahmen einer 50:50-Partnerschaft zwischen der NASA und der Europäischen Weltraumorganisation ESA entwickelt. Das JPL leitete die amerikanischen Aktivitäten beim Bau von MIRI, und ein multinationales Konsortium europäischer astronomischer Institute trug den Anteil für die ESA bei. George Rieke von der University of Arizona ist der Leiter des MIRI-Wissenschaftsteams in den USA. Gillian Wright vom U.K. Astronomy Technology Centre ist die europäische Leiterin des MIRI-Projekts. Alistair Glasse vom britischen ATC ist der MIRI-Instrumentenwissenschaft-ler, und Michael Ressler ist der US-Projektwissenschaftler am JPL. Laszlo Tamas von UK ATC leitet das europäische Konsortium. Die Entwicklung des MIRI-Kryokühlers wurde vom JPL in Zusammenarbeit mit dem Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt, Maryland, und Northrop Grumman in Redondo Beach, Kalifornien, geleitet und verwaltet.

Die Autoren der Veröffentlichung sind Ryan M. Lau, Matthew Hankins, Yinuo Han, Ioannis Argyriou, Michael F. Corcoran, Jan J. Eldridge, Izumi Endo, Ori D. Fox, Macarena Garcia Marin, Theodore R. Gull, Olivia C. Jones, Kenji Hamaguchi, Astrid Lamberts, David R. Law, Thomas Madura, Sergey V. Marchenko, Hideo Matsuhara, Anthony F.J. Moffat, Mark R. Morris, Patrick W. Morris, Takashi Onaka, Michael E. Ressler, Noel D. Richardson, Christopher M. P. Russell, Joel Sanchez-Bermudez, Nathan Smith, Anthony Soulain, Ian R. Stevens, Peter Tuthill, Gerd Weigelt, Peredur M. Williams und Ryodai Yamaguchi, darunter Gerd Weigelt vom MPIfR.

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