Wasser in der Nähe eines Schwarzen Lochs gefunden
Deutsch-italienisches Radioastronomen-Team entdeckt mit dem Effelsberger 100-Meter-Radioteleskop den bisher am weitesten entfernten Megamaser
In der Radiogalaxie 3C403 wurde eine Quelle entdeckt, bei der die Intensität der Strahlung einer einzigen Spektrallinie tausendfach stärker ist als die der Sonne im gesamten Spektralbereich. Die intensive Strahlung eines Wasserdampf-Masers hat ihren Ursprung in der direkten Nachbarschaft eines Schwarzen Lochs. Andrea Tarchi und Marco Chiaberge vom Istituto di Radioastronomia (IRA) in Bologna sowie Christian Henkel and Karl Menten vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn beobachteten zum ersten Mal eine solche Emission in einer "klassischen" Radiogalaxie, bei der ein Schwarzes Loch von vielen Millionen Sonnenmassen Energie bis in eine Entfernung von mehr als 100 000 Lichtjahren aussendet. Dieser Wasser-Megamaser ist etwa 750 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt.
Die Radioastronomie ermöglicht es, Bereiche des Weltalls zu erfassen, die der optischen Astronomie nicht zugänglich sind. Dazu gehören kosmische Maser (Microwave Amplification by Stimulated Emission of Radiation) dem Laser vergleichbare Verstärker von Radiowellen. Als Megamaser bezeichnen die Astronomen in anderen Galaxien gefundene extrem starke Maser mit einer Leuchtkraft, die hundert- bis mehrere tausendfach stärker ist als die der Sonne. So angeregter Wasserdampf (H2O) strahlt als Maser bei 1,3 cm Wellenlänge in Form einer einzigen, besonders intensiven Spektrallinie und liefert Informationen über Struktur und Dynamik seiner Umgebung.
Christian Henkel und seine Mitarbeiter, darunter vor allem Andrea Tarchi, haben mehrere Megamaser entdeckt, die meisten davon in aktiven Galaxien. Dabei hatten sie auch solche Galaxien beobachtet, die sehr intensive Radiostrahlung aussenden und in denen bisher keine Megamaser gefunden wurden. Erstmals konnten die Wissenschaftler jetzt in der x-förmigen Galaxie 3C403, die zu diesen "radiolauten" Galaxien gehört, eine solche Strahlungsquelle aufspüren. Sie enthält gleichzeitig den am weitesten entfernten Megamaser, der bisher entdeckt wurde. Dieser befindet sich etwa 750 Millionen Lichtjahre von uns entfernt und bewegt sich auf Grund der Ausdehnung des Universums mit 17.000 km/s von der Milchstraße weg.
Zwar unterscheiden sich "radiolaute" und "radioleise" aktive Galaxien in ihren Eigenschaften. Die Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass die physikalischen Prozesse in der Umgebung der Schwarzen Löcher ähnlich ablaufen. Die Masse der Schwarzen Löcher kann das Milliardenfache der Masse der Sonne betragen. Sie sind von einer Akkretionsscheibe oder einem Torus aus Staub und Molekülen umgeben. Doch ist es bis heute nicht möglich, Molekülstrahlung aus diesen zentralen Bereichen nachzuweisen. Das liegt vermutlich daran, dass diese Gebiete sehr kompakt sind und nur wenig normale Radiostrahlung aussenden. In Masern dagegen wird die Strahlung verstärkt und kann auf diese Weise auch noch in großer Entfernung gemessen werden. Daher bieten heute Maser die einzige Möglichkeit, die Akkretionsscheiben um Schwarze Löcher zu beobachten.
Die beobachtete Geschwindigkeitsverteilung des Wasserdampfes entspricht den Erwartungen für eine scheibenförmige rotierende Materieverteilung um den Galaxienkern. Endgültige Gewissheit darüber können erst VLBI (Very Long Baseline Interferometrie)-Messungen geben, bei denen weltweit Teleskope zusammengeschaltet werden. Da die Strahlungsintensität sehr gering ist, sind solche Messungen derzeit noch schwer durchzuführen. Anderseits schwankt die Maserstrahlung stark, so dass diese bei einem "Strahlungsausbruch" auch heute schon durch VLBI nachgewiesen werden könnte. Eine solche Untersuchung würde wertvolle Informationen über das "Monster" im Zentrum der Galaxie liefern. "Mit der Entdeckung dieses Masers sind wir eine Runde weiter," sagt Karl Menten, "jetzt müssen wir nur dran bleiben und so lange weiter beobachten, bis die Intensität für VLBI-Beobachtungen ausreicht. Dann schnappen wir es uns."
Diese Entdeckung hat unter Radioastronomen die Suche nach weiteren Megamasern neu angefacht. Wegen seiner großen Sammelfläche und der daraus resultierenden hohen Empfindlichkeit spielt das 100-Meter-Radioteleskop des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie eine zentrale Rolle. Messungen dieser Art erfordern lange Beobachtungszeiten, denn die auf der Erde ankommende Strahlung ist sehr schwach und im Suchprogramm müssen viele Galaxien erfasst werden. Zudem kann die gemessene Strahlung stark variieren; oft sind also mehrfache Beobachtungen der gleichen Galaxie erforderlich. Hierbei hat sich nun die Hartnäckigkeit von Christian Henkel ausgezahlt, der die langfristige Beobachtungskampagne am MPIfR bei der Suche nach extragalaktischen Wassermasern leitet. Denn jetzt wurde nicht nur der bisher am weitesten entfernte Wassermaser aufgespürt. "Soviel Wasser habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht auf einmal gesehen," ist sein Fazit. Bis zum heutigen Tag sind 31 solcher H2O Megamaser-Galaxien entdeckt worden, davon mehr als die Hälfte mit dem 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg.