ND3 - Das erste Molekül mit drei Deuterium-Atomen im Weltraum entdeckt

6. Juni 2002

Schon auf der Erde sehr selten, ist der Fund dieses Moleküls im Weltraum eine echte Sensation: Astronomen des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und am California Institute of Technology (CalTech) in Los Angeles haben im Weltraum das Molekül ND3 nachgewiesen. Es handelt sich dabei um ein spezielles Isotop des Ammoniaks, bei dem alle drei Wasserstoffatome durch das schwerere und viel seltenere Atom Deuterium ersetzt sind (ganz analog zum "Schweren Wasser", D2O; hier sind zwei Wasserstoffatome durch Deuterium ersetzt). Moleküle, die Deuterium enthalten, treten meist in ausgesprochen kalten Wolken von Gas und Staub in unserer Milchstraße auf. In solchen Molekülwolken wurden auch bereits vorher Moleküle mit einem oder auch zwei Deuteriumatomen gefunden. Das jetzt entdeckte Molekül ist allerdings das erste, bei dem gleich drei Wasserstoffatome durch Deuterium ersetzt wurden. Das Ergebnis der Messungen wird als Letter in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics (Vol. 388(3), L53: June IV, 2002) veröffentlicht.

Floris van der Tak and Peter Schilke haben die Beobachtungen am Caltech Submillimeter Observatory (CSO) durchgeführt. Dieses Teleskop befindet sich auf dem Gipfel des Mauna Kea in Hawaii. Es ermöglicht Messungen in einem ultrahohen Radiofrequenzbereich, in dem der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre die Messungen bereits erheblich beeinträchtigt. Am Standort des Teleskops in 4500 Meter Höhe über dem Meeresspiegel ist die Luft extrem trocken; erst dadurch werden Messungen bei Radiofrequenzen bis zu 900 000 MHz (entsprechend 0,33 mm Wellenlänge) möglich.

Atome und Moleküle senden senden charakteristische Strahlung bei ganz bestimmten Wellenlängen aus. Die so gefundenen Linien im Frequenzspektrum werden Spektrallinien genannt. Aus der Analyse der unterschiedlichen Frequenzen, in denen eine kosmische Molekülwolke Strahlung emittiert, können die Astronomen auf das Vorhandensein einzelner Molekülarten in der Wolke zurückschließen. Mit den sehr empfindlichen Empfängern am CSO konnte eine Spektrallinie genau bei 309 909,4 MHz identifiziert werden. "Diese Frequenz stimmt exakt mit derjenigen von irdischen Labormessungen des ND3-Moleküls überein. Kein anderes Molekül sendet Strahlung bei genau dieser Frequenz aus, außerdem stimmt das detaillierte Frequenzprofil der gemessenen Linie mit theoretischen Erwartungen überein, so daß die Identifikation von ND3 als gesichert gelten darf", sagt Floris van der Tak.

Die interstellaren Molekülwolken, in denen das neue Molekül entdeckt wurde, liegen in Richtung der Sternbilder Perseus und Ophiuchus; sie sind zwischen 500 und 1000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Die nächsten Sterne haben großen Abstand von diesen Molekülwolken; es findet sich also nichts, was sie aufheizen könnte. Dadurch herrschen Temperaturen von nur ca. 10 Grad über dem absoluten Nullpunkt (entsprechend -260 Grad Celsius) im Inneren dieser Wolken. Die chemischen Reaktionen, bei denen die normalen Wasserstoffatome durch schwereres Deuterium ersetzt werden, verlaufen bei sehr niedrigen Temperaturen am effektivsten. Es gibt zwei verschiedene Arten solcher Reaktionen: zum einen Gasphasen-Reaktionen (wie die Verbrennung in einer Flamme), zum anderen Reaktionen an der Oberfläche von festen Partikeln (wie z.B. in den Katalysatoren von Autos).

Die Astronomen möchten nun wissen, über welche Art von chemischen Reaktionen die Moleküle im Raum zwischen den Sternen hergestellt werden. Die Entdeckung von ND3 ermöglicht es, zwischen beiden Reaktionsarten zu unterscheiden, da Gasphasen-Reaktionen normalerweise einen größeren Anteil des gewöhnlichen Wasserstoffs durch Deuterium ersetzen können als Oberflächenreaktionen.

Um die Häufigkeit von ND3 im Vergleich mit normalem Ammoniak (NH3) bestimmen zu können, haben van der Tak and Schilke das NH3-Molekül mit dem 100-m-Radioteleskop in Effelsberg an den gleichen Positionen in den Wolken beobachtet. Die Spektrallinien von NH3 liegen bei einer Frequenz von 24 000 MHz. Bei dieser Frequenz ist die Atmosphäre der Erde noch hinreichend durchlässig, so dass auch Beobachtungen von niedrigerer Höhe aus möglich sind. Das Verhältnis von NH3 zu ND3 variiert in den Molekülwolken zwischen 1600 und 3400. Diese Werte sind viel zu niedrig für eine Produktion durch Oberflächen-Reaktionen. Daher darf man annehmen, das ND3 wurde durch Gasphasen-Reaktionen gebildet.

"Die Deuterium-Anreicherung im Interstellaren Medium muss schon sehr effizient sein, um soviel ND3 zu erzeugen, wie wir gefunden haben", so Peter Schilke. Es ist schon erstaunlich, dass es überhaupt gefunden wurde, da im Vorfeld niemand mit der Existenz von dreifach deuteriertem Ammoniak im Interstellaren Raum gerechnet hatte.



Neben Floris van der Tak und Peter Schilke vom MPIfR sind an diesem Projekt beteiligt: Darek Lis und Tom Phillips vom California Institute of Technology, Holger Müller von der Universität zu Köln, außerdem Maryvonne Gerin und Evelyne Roueff vom Observatoire de Paris. Eine finanzielle Unterstützung des Forschungsprojekts erfolgte über die National Science Foundation (NSF), USA, und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

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