Eine Doppelhelix im fernen Universum

6. Oktober 2001

Bei dem Begriff "Doppelhelix" denkt man zunächst einmal an die Biologie und die Bestimmung der räumlichen Form des DNS-Moleküls durch Watson und Crick. Hier allerdings geht es um eine ganz entsprechende Form auf ganz anderen Größenskalen von etlichen 100 Lichtjahren , nämlich in dem Plasmajet des Quasars 3C273. Beobachtungen dieses Plasma-Jets mit Weltraum-VLBI und deren Analyse, die zum Auffinden dieser Doppelhelix-Struktur führten, werden in einer aktuellen Veröffentlichung von Andrei Lobanov und Anton Zensus vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science (5. Oktober 2001) beschrieben.

Quasare (ursprünglich "quasistellare Radioquellen") werden bei sehr hohen Rotverschiebungen beobachtet. Es sind mit großer Wahrscheinlichkeit die Kernbereiche von aktiven Galaxien (Aktive Galaxienkerne - AGKs).

3C273 wurde bereits 1963 als erster Quasar überhaupt entdeckt. Diese Quelle ist einer der räumlich nächsten Quasare, darüber hinaus einer der leuchtkräftigsten und am besten untersuchten aktiven Galaxienkerne überhaupt. 3C273 zeigt eine ausgeprägte Ausströmung ("outflow") mit relativistischer Geschwindigkeit, die sowohl im Röntgenbereich als auch bei optischen und Radiowellenlängen beobachtet werden kann.

Der relativistische Jet in dem Quasar 3C273 wird allerdings nur in einer Richtung nachgewiesen; ein möglicher Gegenjet ist bis zu einem dynamischen Verhältnis von 16.000:1 nicht gefunden worden. Dafür bietet sich folgende Erklärung: die Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch im Zentrum des AGK treibt zwar zwei Materie-Jets in entgegengesetzte Richtungen, von denen aber nur einer durch relativistische Verstärkung sichtbar wird. Struktur und Kinematik solcher Materie-Auströmungen werden im allgemeinen durch Modelle mit Schockwellen und Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten beschrieben.

3C273 wurde mit Weltraum-VLBI (VSOP) bei einer Wellenlänge von 6cm beobachtet. Das Prinzip der "Radiobeobachtungen mit sehr großen Basislinien" (Very Long Baseline Interferometry oder VLBI) geht wie folgt: Die Signale einer Radioquelle am Himmel werden GLEICHZEITIG von einer ganzen Anzahl an dem Experiment beteiligter Radioteleskope auf der Erde aufgenommen. Diese Signale werden später an Spezialrechnern (Korrelatoren) miteineander kombiniert. Die weitere Analyse der korrelierten Signale resultiert in Radiobildern, deren räumliche Auflösung dem Abstand der beteiligten Teleskope entspricht. Bei einer Wellenlänge von 6 cm ergeben Beobachtungen mit dem interkontinentalen VLBI-Netzwerk auf der Erde eine räumliche Auflösung von ca. 2 Millibogensekunden, mit Weltraum-VLBI läßt sich das nochmals um einen Faktor 3-4 steigern. Das dadurch erzielte räumliche Auflösungsvermögen ermöglicht erstmals die Auflösung der inneren Struktur der Plasmajets in den Quasaren.

Die Weltraum-Beobachtung mit dem japanischen HALCA-Teleskop wurde unterstützt von 11 bodengebundenen Radioteleskopen, und zwar 10 Antennen des amerikanischen VLBA-Netzwerks (Very Long Baseline Array, Natioanal RadioAstronomy Observatory, USA) und dem 100-m-Radioteleskop in Effelsberg (Max-Planck-Institut für Radioastronomie).

Um die detaillierte Struktur des Jets in 3C273 zu untersuchen, haben die Wissenschaftler am MPI für Radioastronomie 240 Querschnittsprofile der Helligkeitsverteilung im Jet aufgenommen und analysiert. In den meisten dieser Profile erkennt man zwei deutlich getrennte Strukturen. Deren räumliche Lage bildet über den Verlauf des Jets eine spektakuläre Doppelhelix, die in der Tat der aus der Biologie bekannten Doppelhelix des DNS-Moleküls gleicht (Abb. 1). Diese bemerkenswerte Struktur im Plasma-Jet kann sehr schön durch Modellrechnungen erklärt werden.

Lobanov und Zensus haben mit Hilfe einer linearen Störungsanalyse von Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten die beobachteten Jetstrukturen modelliert. Ihr theoretisches Modell kann sehr detailliert die innere Struktur des Jets bis herauf zu Größenordnungen von 30 Millibogensekunden (ca. 1000 Lichtjahre) erklären, ebenso die beobachteten periodischen Wechsel des Ausströmwinkels für den Jet. Die Instabilität des Jets bildet sich in einem Plasma mit wesentlich niedrigerer Dichte als im umgebenden Material.

Der wohl interessanteste Aspekt des Modells von Lobanov und Zensus ist die Vorhersage, das die gesamte Doppelhelix sich mit ca. 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit entlang der Jet-Richtung weiterbewegen soll. Und so kann durch zukünftige Beobachtungen mit Weltraum-VLBI bei sehr hoher räumlicher Auflösung überprüft werden, wie der Plasma-Ausstoß aus dem Kernbereich des Quasars sich abspielt!

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