Karl-Schwarzschild-Medaille 2024 für Anton Zensus

MPIfR-Direktor erhält höchste Auszeichnung der Astronomischen Gesellschaft

21. August 2024

Die Astronomische Gesellschaft verleiht die Karl-Schwarzschild-Medaille an Prof. Dr. Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Mit dieser höchsten Auszeichnung für Astronomen in Deutschland wird seine Führungsrolle bei der Weiterentwicklung radioastronomischer Beobachtungsmethoden mit sehr hoher Winkelauflösung und Empfindlichkeit gewürdigt.

Die Radiointerferometrie mit sehr langen Basislinien (Very Long Baseline Interferometry; VLBI) hat sich, insbesondere durch den Einfluss von Anton Zensus und seiner Forschungsgruppe, zu einer Schlüssel-Beobachtungsmethode entwickelt. Sie findet heute neben der Astrophysik ebenso breite Anwendung in den Feldern Astrometrie und Geodäsie. Dank dieser Fortschritte und der internationalen Zusammenarbeit werden bahnbrechende astronomische Beobachtungen möglich. Die einzigartigen Bilder des Event-Horizon-Teleskop-Projekts, die die supermassereichen Schwarzen Löcher in der elliptischen Galaxie M87 und im Zentrum unserer Milchstraße zeigen, haben weltweit für Aufsehen gesorgt und neue Wege zur Erforschung von aktiven Galaxienkernen geöffnet.

Die Verleihung der Medaille findet am Dienstag, dem 10. September, auf der Jahrestagung der Astronomischen Gesellschaft in Köln statt.

Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) und Leiter der Forschungsabteilung „Radioastronomie / VLBI“ am MPIfR, ist seit Jahrzehnten eine führende Persönlichkeit in der Weiterentwicklung der Radioastronomie mit extremer Winkelauflösung und Empfindlichkeit. Bereits in den frühen 1980er Jahren setzte er entscheidende Akzente in der „Very Long Baseline Interferometry“ (VLBI), einer Technik, die es ermöglicht, die Struktur der zentralen Regionen aktiver galaktischer Kerne abzubilden. Damals war VLBI für Radiowellen im Zentimeterbereich optimiert und konnte Bilder auf der Skala von Lichtjahren erzeugen. Dies reichte aus, um Details in den Jets zu untersuchen, aber nicht, um die Zentralquelle der Galaxien und ihren Antriebsmechanismus vollständig aufzulösen.

Um die Vorhersage zu bestätigen, dass die zentralen Antriebsmechanismen aus supermassereichen Schwarzen Löchern bestehen, war eine wesentlich höhere Auflösung erforderlich. Das bedeutete, die VLBI-Technik auf kürzere Wellenlängen im Millimeterbereich auszudehnen und sogar Radioteleskope in der Erdumlaufbahn einzubeziehen.

Anton Zensus und sein Team am MPIfR stellten sich dieser Herausforderung. Sie integrierten die IRAM-Teleskope auf dem Pico-Veleta in Spanien und auf dem Plateau de Bure in Frankreich in VLBI-Beobachtungen.  Anschließend wurde das VLBI-Netzwerk auf transatlantische Skala ausgeweitet und in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern als „Globales Millimeter-VLBI-Array“ (GMVA) aufgebaut, das zuverlässige Forschungsdaten bei 3 mm Wellenlänge lieferte. Im nächsten Schritt wurden Teleskope ausgewählt, die bei 1,3 mm und sogar bei 0,87 mm Wellenlänge (230 bzw. 345 GHz) beobachten können, darunter die beiden IRAM-Teleskope, APEX sowie ALMA, und die Teleskope mit der erforderlichen Hardware und Software auszustatten.

Seit den späten 1970er Jahren war durch Berechnungen bekannt, dass der Ereignishorizont eines supermassereichen Schwarzen Lochs als dunkler "Schatten" erscheint, dessen Größe am Himmel direkt von der Entfernung und der Masse des Objekts vor dem verzerrten Hintergrund der Gasemissionen seiner Umgebung abhängt. Die geringe Größe des erwarteten Schattens, selbst für die besten Kandidaten, die Zentralquellen der Galaxie M87 und unserer Milchstraße, machte deutlich, dass erhebliche Verbesserungen der Beobachtungstechnik und eine weltweite Zusammenarbeit erforderlich waren, um diese Objekte direkt abbilden zu können. So entstand das Projekt „Event Horizon Telescope“ (EHT), das VLBI-Beobachtungen bei kurzen Wellenlängen (1,3 mm) nutzt. Dies erfolgt mit einer Vielzahl von Teleskopen, die über Europa, Nord- und Südamerika, Ozeanien und die Antarktis verteilt um eine Winkelauflösung von 20 Mikrobogensekunden zu erreichen.

Die EHT-Messungen bestätigten nicht nur die zuvor mit anderen Methoden bestimmten Massen, sondern ermöglichten auch erstmals die Abbildung des Schattens eines Schwarzen Lochs im Vergleich zu der relativistischen Materie, die es in unmittelbarer Nähe umkreist – nur wenige Schwarzschildradien vom Zentrum entfernt.

Der Schwarzschild-Radius entspricht dem Radius, der den Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs in der Schwarzschild-Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen definiert. Er ist zu Ehren des deutschen Astronomen Karl Schwarzschild benannt, ebenso wie die Karl-Schwarzschild-Medaille der Astronomischen Gesellschaft.

Das Ganze ist wesentlich näher an der zentralen Quelle als mit anderen Methoden und führt in den Bereich, in dem die Auswirkungen der Allgemeinen Relativitätstheorie am deutlichsten sichtbar werden. Anton Zensus spielte von Anfang an eine wichtige und grundlegende Rolle, insbesondere als Gründungsvorsitzender des EHT-Vorstands. Ihm gelang es, die notwendigen, aber komplexen Synergien zwischen verschiedenen zunächst konkurrierenden Gruppen in Europa, den USA und Asien zu fördern und zu stabilisieren, was letztlich den Erfolg des EHT ermöglichte.

"Die Karl-Schwarzschild-Medaille der Astronomischen Gesellschaft ist eine großartige Auszeichnung. Sie würdigt unsere Leistungen, immer näher an die innersten Regionen und die zentralen Antriebsquellen der aktiven galaktischen Kerne heranzukommen. Mit den Beiträgen unseres globalen Teams und den Forschungsmöglichkeiten der Max-Planck-Gesellschaft ist es uns dann gelungen, zum ersten Mal Schwarze Löcher direkt sichtbar zu machen, nämlich als Silhouette vor dem Hintergrund des sie umgebenden leuchtenden Gases”, freut sich Anton Zensus.

Die Auszeichnung steht in einer Reihe mit früheren Schwarzschild-Preisträgern im Forschungsbereich der Zentralquellen von aktiven Galaxien, angefangen bei der Entdeckung der Quasare (Maarten Schmidt, KSM 1968), Akkretionsscheiben um Schwarze Löcher (Bohdan Paczinsky, KSM 1981), der Frage, ob es Schwarze Löcher in jeder Galaxie gibt (Martin Rees, KSM 1989) und zuletzt der Untersuchung von supermassereichen Schwarzen Löchern, insbesondere Sgr A*, in den Zentren von Galaxien (Reinhard Genzel, KSM 2011).

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Biographische Notiz:

Prof. Dr. J. Anton Zensus promovierte an der Universität Münster und arbeitete als Postdoktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am California Institute of Technology und am National Radio Observatory in den USA. Anton Zensus ist bekannt für sein innovatives Forschungs- und Technologieprogramm, insbesondere für seine führenden Beiträge zur Erforschung aktiver galaktischer Kerne (AGN) und ihrer zentralen Radioquellen und Jets mittels interkontinentaler Interferometrie (Very Long Baseline Interferometry, VLBI). Zusammen mit seinen Mitarbeitern hat er bahnbrechende technologische und methodische Durchbrüche erzielt, darunter entscheidende Verbesserungen bei der VLBI-Beobachtung polarisierter Quellen, genaue Positionsmessungen aus VLBI-Daten und eine detaillierte Analyse der zweidimensionalen Struktur der Radioemission. Zensus und sein Team haben mehrere Generationen digitaler Aufnahmegeräte entwickelt, einen leistungsstarken VLBI-Korrelator entwickelt und betrieben, der sowohl Weltraum- als auch mm-VLBI-Daten verarbeiten kann, und entscheidende Komponenten für die Einbindung von ALMA in das VLBI-Netzwerk geliefert. Als Gründungsvorsitzender des Vorstands der EHT-Kollaboration hat Anton Zensus wichtige Beiträge zu allen Aspekten dieses Forschungsprogramms geleistet.

Anton Zensus ist Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie und Leiter der Forschungsabteilung „Radioastronomie/VLBI“, außerdem Honorarprofessor am Institut für Astrophysik der Universität zu Köln.

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