Die Untersuchung der ausgedehnten Radiostrahlung unseres Sternsystems, der Milchstraße, bildet einen Schwerpunkt der Beobachtungen mit dem 100-m-Radioteleskop. Sie reicht von Radiokarten des gesamten Himmels bis hin zu detaillierten Studien von Einzelobjekten wie Sternentstehungsgebieten oder Supernovaüberresten.

Die größte Anzahl von Einzelobjekten ist in der galaktischen Ebene zu finden, dem Band der Milchstraße, das man in einer klaren Nacht am Himmel sieht. Die stärkste Radiostrahlung kommt dabei aus dem Zentrum der Milchstraße. Gebiete starker Radiostrahlung fernab vom galaktischen Zentrum markieren einzelne Spiralarme, in denen die Dichte der kosmischen Strahlung und die Stärke des interstellaren Magnetfelds erhöht ist. Ausgedehnten Durchmusterungen der galaktischen Ebene, die mit dem 100-m-Radioteleskop im Lauf der vergangenen Jahre in verschiedenen Wellenlängen erstellt worden sind, bilden eine Fundgrube für die Identifikation von Einzelquellen.

Abb. 3 zeigt einen Ausschnitt aus der 11-cm-Durchmusterung der Milchstraße im Sternbild Cassiopeia. Hier sind verschiedene Arten von Radioquellen zu finden: neben Sternentstehungsgebieten auch Supernovaüberreste unterschiedlichen Alters und Ausdehnung.

Was sind Supernovaüberreste? Sterne sehr großer Masse, vermutlich des 20 bis 50fachen der Masse unserer Sonne, beenden ihre Entwicklung in einer gewaltigen Explosion. Einige Wochen lang wird sehr intensive Strahlung in vielen Wellenlängenbereichen abgegeben, die Sterne werden dabei bis zu einer Milliarde mal heller als im Normalzustand. Für kurze Zeit kann eine solche Supernova sogar heller leuchten als die ganze Galaxie, in der sie beobachtet wird! Die letzten beiden Explosionen dieser Art in unserer Milchstraße wurden in den Jahren 1572 (Tycho) und 1604 (Kepler) beobachtet. Die Explosionswelle der Supernova breitet sich in das umgebende interstellare Gas aus. In der Stoßfront der Explosion werden Elektronen beschleunigt, die nach einigen Jahrzehnten starke Radiostrahlung aussenden. Insgesamt sind inzwischen über 200 Supernovaüberreste in unserer Milchstraße bekannt, darunter 40 neue Supernovaüberreste, die mit dem 100-m-Teleskop entdeckt worden sind.

Sechs der in Abb. 3 gezeigten Radioquellen sind Supernovaüberreste, zwei davon sind mit dem 100-m-Teleskop entdeckt worden. Ältere Supernovaüberreste, bei denen die Explosion des Sterns bereits vor über 10.000 Jahren erfolgt ist, zeigen ausgedehnte Strukturen. Das Bild enthält aber auch zwei der jüngsten bekannten Supernovaüberreste: Cassiopeia A, gleichzeitig die stärkste einzelne Radioquelle am Himmel und Tycho, der Überrest der von Tycho Brahe im Jahre 1572 beobachteten Supernovaexplosion. Detaillierte Messungen bei höheren Frequenzen der Radiostrahlung geben zusätzliche Information über die Struktur der Supernovaüberreste und ihre Ausbreitung in das umgebende interstellare Medium.

Ein besonderes Untersuchungsgebiet für Messungen mit dem 100-m- Teleskop ist der Zentralbereich unserer Milchstraße, das galaktische Zentrum, in einer Entfernung von ca. 30.000 Lichtjahren. Eine dicke Staubschicht zwischen galaktischem Zentrum und Sonne macht jede optische Beobachtung unmöglich, nur Radio- und Infrarot-Strahlung können die Staubschicht durchdringen. Abb. 4 zeigt eine Karte der kontinuierlichen Radiostrahlung aus der Richtung des galaktischen Zentrums. Die zentrale Quelle ist in der rechten Bildhälfte zu finden, hier gibt es starke Hinweise auf die Existenz eines supermassereichen Objekts - vermutlich eines Schwarzen Lochs - mehr als zwei Millionen mal schwerer als die Sonne. Sehr interessant ist aber auch die bogenförmige Struktur auf der linken Bildseite (der sogenannte Galactic Arc). In einer Entfernung von ca. 80 Lichtjahren vom Zentrum selbst findet sich hier polarisierte Radiostrahlung, die auf ein starkes Magnetfeld hindeutet.

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