Radioteleskope für Wellenlängen vom Zentimeter- bis zum Submillimeterbereich
(Schülerpraktikumsprojekt von Inka Hammer aus dem Jahr 2004)
Radioastronomie
Die Radioastronomie ist ein Teilgebiet der Astronomie, bei der astronomische Objekte mittels der Radiowellen, die von ihnen ausgesendet werden, beobachtet und untersucht werden. Der Radiowellenbereich umfasst einen sehr großen Teil des elektromagnetischen Spektrums. Er bildet sozusagen das "schwache" Ende mit großen Wellenlängen und niedrigen Frequenzen von wenigen Hertz bis über ein Terahertz (1THz=1012Hz). Ein großer Vorteil der astronomischen Beobachtung bei diesen Wellenlängen ist, dass im Gegensatz zum sichtbaren Licht und vielen anderen Strahlungsarten, diese größtenteils nicht von den interstellaren Staub- und Nebelwolken, sowie unserer Atmosphäre absorbiert werden. Deswegen kann man über Radiowellen Bereiche sehen, die z.B. für optische Beobachtungen verschlossen bleiben, und bis weit zurück ins frühe Universum. Somit bilden die Radiowellen eines der wenigen Fenster, durch das wir das gesamte Universum vom Boden aus erforschen können.
Von Effelsberg nach Chile
Um die Radiostrahlung "sichtbar" zu machen, benutzen die Astronomen Radioteleskope. Das sind Messgeräte, die mit ihren parabolisch geformten Metallflächen als Hohlspiegel die Radiowellen ablenken und in dem Focus der Antenne sammeln, um sie dann per Computer auszuwerten. Weltweit gibt es viel solcher Radioteleskope, wobei man zwischen den beweglichen, z.B. Parkes Radio Telescope in Australien mit einem Durchmesser von 64 m, das Lovell Telescope in England mit einem Durchmesser von 76,2m oder das Robert C. Byrd Green Green Bank Telescope in den USA, und den unbeweglichen, z.B. das größte Radioteleskop der Welt, das Arecibo Observatorium, unterscheidet. Das Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn betreut das 100m-Radioteleskop in Effelsberg, das zweitgrößte bewegliche Radioteleskop der Welt. Es kann Strahlung von 21cm bis zu 7mm (bei geeignetem Wetter sogar 3mm) auffangen und kann sich dabei in alle Richtungen drehen. Damit kann man viele astronomische Objekte, wie z.B. die Sonne, Supernovae und Supernova-Überreste, Pulsare, Interstellare Wolken, das galaktische Zentrum, Radiogalaxien und Quasare, beobachten.
Leider kann dieses Teleskop, wie die meisten anderen hauptsächlich nur im Zentimeterbereich arbeiten, doch viele Objekte und Vorgänge im Universum, die ebenfalls von großem Interesse sind, z.B. die Sternentstehung, emittieren lediglich Strahlung im Submillimeter Bereich, der Wellenlängen von ca. 0,1mm bis 1mm umfasst. Das ist der Grund, warum die Europäische Organisation für Astronomie (ESO) schon 1991 mit der ersten Denkarbeit an ihrem neusten Großprojekt, ALMA (Atacama Large Millimeter Array), begonnen hat. Bei diesem Vorhaben handelt es sich um eine Anordnung von 64 verschiebbaren, hochpräzisen Radioantennen. Besonders schwierig bei diesem Projekt war die Frage nach dem idealen Standort, denn von Orten, wie z.B. Effelsberg ist es unmöglich Submillimeter-Strahlung zu empfangen. Das liegt zum größten Teil am Wasserdampf in der Atmosphäre. In Effelsberg beträgt dieser selbst bei gutem Wetter kaum unter 15 mm pwv. "pwv" ist die Abkürzung für "precipitable water vapour", was soviel wie "Niederschlagswasser" heißt. Das bedeutet, dass, wenn man das gesamte Wasser der Atmosphäre zusammennehmen würde, würde sich eine (in diesem Falle) 15mm hohe Schicht bilden. Wie man in dem Diagramm (links) sieht, hat das große Auswirkungen auf die Durchlässigkeit der Atmosphäre, denn in Effelsberg dringt die Submillimeterstrahlung fast gar nicht bis zum Boden durch.
In sehr trockenen, hoch gelegenen Gebieten ist die Absorption aber wesentlich niedriger. Aus diesem Grund muss ALMA auf möglichst großer Höhe über dem Meer und in einem möglichst trockenen Gebiet gebaut werden. Umfassende Tests haben gezeigt, dass der Himmel über der chilenischen Atacama-Wüste und die dortigen stabilen Wetterverhältnisse diesen Anforderungen genügen. Das Diagramm (links) zeigt, dass die Absorption dort teilweise, bei guter Wetterlage bei bis zu 0% liegt.
Aus diesem Grund folgte der Entscheid, ALMA auf 5000 Metern Höhe über dem Meer, 50 km östlich von San Pedro de Atacama auf dem Hochplateau von Chajnantor zu bauen. Außerdem eröffnet sich so die Möglichkeit, die, in diesem Wellenlängenbereich bisher nur spärlich erforschte, südliche Hemisphäre zu beobachten.
ALMA soll 2011 fertiggestellt werden, aber schon jetzt dient ein einzelnes Teleskop als "Pionier". APEX (Atacama Pathfinder Experiment) ist, abgesehen von ein paar kleinen Änderungen, ähnlich konstruiert wie eine der ALMA Antennen und wurde geplant und gebaut von einem internationalem Zusammenschluss, der von der Gruppe für Millimeter und Submillimeter Astronomie am MPIfR geleitet wird. Das Teleskop soll nun vor allem als "Pfadfinder" operieren, indem es großflächige Beobachtungen als Grundlage für später folgende ALMA-Studien durchführt, aber auch schon laufende astronomische Projekte weiterführen und den südlichen Himmel bei Submillimeter-Wellenlänge erforschen.
Besonderes Interesse gilt dabei der Sternentstehung im frühen Universum. Dabei soll endlich etwas mehr Licht in das "dunkle Zeitalter", wo vermutlich die ersten Sterne und schwarze Löcher entstanden, gebracht werden. Kein optisches Teleskop kann diese frühsten Sternentstehungsgebiete sehen, aber, da sich dort nicht nur Sterne befanden, sondern auch Staub, von den Wolken, aus denen die Sterne entstanden und dieser sich durch bereits gebildeten Sternen aufwärmte, wird von diesen Gebieten auch Strahlung im Infrarot-Bereich emittiert. Sie waren allerdings so weit von uns entfernt, dass die Wellenlängen sich durch die Rotverschiebung dermaßen stark vergrößert haben, dass die Strahlung hier im Submillimeterbereich ankommen und APEX ist in der Lage diese aufzufangen. Dadurch wird es möglich sein viele neue Erkenntnisse über die Geschichte der Sternentstehung zu gewinnen und deutliche Fortschritte in ihrem Verständnis zu machen. Aber auch in unserer eigenen Galaxie wollen die Wissenschaftler nach "Baby-Sternen", den sogenannten Protosternen, suchen. Protosterne sind eigentlich noch keine richtigen Sterne, da in ihrem Innern noch keine Kernfusion stattfindet, sonder nur starke Verdichtungen in interstellaren Wolken, die später einmal Sterne werden. Bessere Kenntnisse diese Strukturen sind sehr wichtig für das Verständnis der Sternbildung. APEX wird auch dort vieles zur Aufklärung des Pha&nomens beitragen, da es die Spektrallinien von diesen Verdichtungen auffangen kann. Aber nicht nur die einzelne Sternbildung, sondern die ganze Struktur (-Bildung) des Universums zu verstehen ist das Ziel der Wissenschaftler. Deswegen wollen sie die größten zusammenfallenden Strukturen im Universum beobachten: Die Galaxienhaufen. Zu diesem Zweck bedienen sie sich des "Sunyaev-Zel'dovich-Effekts". Das ist ein Effekt der durch die Hintergrundstrahlung im Universum auftritt. Galaxienhaufen sind n&aumml;lich von riesigen Staubhüllen umgeben, an denen die Photonen der Hintergrundstrahlung gestreut werden. So treten gewisse Unregelmäßigkeiten auf, die man mit APEX messen kann.
Des weiteren gibt es auch noch andere Objekte, denen Spezielle Aufmerksamkeit gewidmet wird, z.B. dem galaktischen Zentrum, das man in diesem Wellenlängenbereich auch durch die galaktische Scheibe hindurch gut beobachten kann. Zudem hat APEX für diese Beobachtung eine ideale Lage, da der Mittelpunkt unserer Milchstraße sich fast direkt über der Atacama Wüste befindet. Andere Objekte von besonderen Interesse sind auch Centaurus A, die nächste Galaxie mit einem aktiven Kern, und die Magellansche Wolken, die "direkt neben" uns liegen und ein ideales Testobjekt für die Ideen über die Entstehung und Entwicklung von Sternen und Galaxien abgeben, da sie sich noch in einer sehr frühen Evolutionsphase befinden.
Um diese Ziele zu erreichen, ist APEX bestens ausgerüstet. Wie ich oben schon erwähnt habe, ist das Teleskop im Grunde eine Kopie der ALMA Prototyp Antennen, aber für den Einzelbetrieb wurden ein paar Abwandlungen vorgenommen. Es wurde z.B. ein "Nasmyth Optik" -System integriert, um atmosphärische Turbulenzen, die die Bilder verzerren könnten auszugleichen. Auch die Oberflächengenauigkeit wurde verbessert und liegt jetzt bei über 0,018mm. Damit kann es sogar bei Windstärken von 9 m/s noch präzise Beobachtungen anstellen. Außerdem sollen zwei Bolometer - Arrays angebracht werden. Bolometer sind für Submillimeter Wellenlängen die empfindlichsten Detektoren, die es gibt, wenn es darum geht, mehr als nur ein sehr schmales Band aufzufangen. Sie arbeiten allerdings mit winzigen Temperaturschwankungen, hervorgerufen durch die einfallende Strahlung, und müssen dementsprechend auf unwahrscheinlich niedrige Temperaturen, bis kurz über dem absoluten Nullpunkt gekühlt werden. Bei APEX soll LABOCA (Large Bolometer Camera), ein Bolometer-Array mit 295 Pixel für eine Wellenlänge von 0,87, installiert werden, das ideal dafür geeignet ist, nach stark ins Rote verschobene Staub Emissionen zu suchen, und ein Bolometer- Array mit 37 Pixel für 0,35mm, der z.B. dafür verwendet werden kann eine bessere Winkelauflösung zu erreichen. Beide werden von der Bolometer Gruppe am MPIfR, die ebenfalls zu der Gruppe für Millimeter und Submillimeter Astronomie gehört, konstruiert.
Inka Hammer, Februar 2004
ur 3/2013