Forschungsbericht aus dem Jahrbuch 2010
Infrarot-Interferometrie von Aktiven Galaktischen Kernen
Infrared Interferometry of Active Galactic Nuclei
Einleitung
Die Zentren von aktiven Galaxien (engl. active galactic nuclei, AGN) sind die leuchtkräftigsten Regionen im Universum. Sie strahlen Milliarden bis Billionen mal heller als unsere Sonne über einen weiten Bereich des elektromagnetischen Spektrums – von Radio-Frequenzen über Infrarot- und optische Wellenlängen bis hin zu Röntgen-Strahlen. Der Grund für die ungeheuren Energiemengen, die in diesen Kernregionen abgestrahlt werden, ist vermutlich ein Schwarzes Loch, das beständig Materie aus seiner Umgebung akkretiert. Aufgrund des Drehimpulses spiralt die Materie in einer flachen Scheibe – der Akkretionsscheibe – von außen nach innen. Dabei heizt sich dieses hauptsächlich aus Gas bestehende Material im innersten Bereich auf einige 100.000 bis zu Millionen Grad auf und sendet dabei Strahlung aus. Weiter außen, ab einem Abstand von etwa 1 Lichtjahr vom Schwarzen Loch, sinkt die Temperatur auf ca. 1000 Kelvin. Dies ist kalt genug, damit sich unter das einströmende Gas auch Staub mischen kann. Nach den gängigen Modellen hat dies zur Folge, dass die Scheibe geometrisch dick wird, d. h. der Staub befindet sich in einer torusförmigen Struktur. Dieser Staubtorus absorbiert nun einen Großteil der Emission, die die Akkretionsscheibe nahe der äquatorialen Ebene abstrahlt. Aus diesem Grund ist die Akkretionsscheibe in Objekten verdeckt, bei denen man den Torus von der Seite betrachtet („Typ-2-AGN“), während man ihre Strahlung sieht, wenn der Torus von oben betrachtet wird („Typ-1-AGN“).
Infrarot-Interferometrie
Durch die absorbierte Strahlung heizt sich der Staub im Torus auf einige hundert bis zu ≈1500 Kelvin auf und emittiert dabei Wärmestrahlung, die im Infraroten beobachtet werden kann. Da die meisten Aktiven Galaxienzentren mehrere 10 Millionen Lichtjahre entfernt sind, ist der Durchmesser der Staubtori zu klein, um sie selbst mit den größten Infrarot-Teleskopen räumlich aufzulösen. Mittels interferometrischer Techniken können jedoch Einzelteleskope kohärent zusammen geschaltet werden, sodass die räumliche Auflösung um ein Vielfaches gesteigert wird. Interferometrie im Infrarot-Bereich ist ein technisch sehr anspruchsvolles Verfahren. Die ehrgeizigsten Projekte sind dabei das Very Large Telescope Interferometer (VLTI) am Paranal-Observatorium der ESO in Chile (Abb. 1) und das Keck-Interferometer auf Hawaii. Hier werden jeweils einige der größten Einzelteleskope mit 8–10 m Durchmesser so zusammen geschaltet, dass sie das Auflösungsvermögen von einem ca. 100 m großen Teleskop simulieren. Dazu muss man die von den einzelnen Teleskopen kommenden Lichtstrahlen in einem zentralen Labor zur Interferenz bringen. Nur durch diese Kombination von lichtstarken Einzelteleskopen ist es möglich, Staubtori direkt zu beobachten. Typischerweise erhält man bei interferometrischen Beobachtungen keine Bilder, sondern ein Muster von hellen und dunklen Interferenzstreifen. Der Streifenkonstrast (engl. Visibility) enthält dabei Informationen über die Ausdehnung und Form des Objekts bei der beobachteten Wellenlänge.
Der Staubtorus in nahen Aktiven Galaxienkernen
Der Staubtorus im Zentrum der aktiven Galaxien ist von großer Bedeutung für das Verständnis von aktiven Galaxien. Staub und Gas im Torus werden letztendlich vom Schwarzen Loch akkretiert und dienen so seinem Wachstum. Diese Akkretion und das Wachstum von Schwarzen Löchern gehört zu den fundamentalsten Prozessen bei der Bildung von Galaxien und großräumigen Strukturen im Universum. Unser Ziel ist daher zu verstehen, wie Gas und Staub aus der inneren Galaxie durch den Torus bis ins Zentrum zum Schwarzen Loch strömt. Hierzu wurden mehrere Beobachtungskampagnen sowohl am VLTI-Observatorium in Chile als auch am Keck-Interferometer in Zusammenarbeit mit amerikanischen Kollegen erfolgreich durchgeführt.
Warmer Staub im äußeren Torus
Bei den VLTI-Beobachtungen in Chile wurde das VLTI-Instrument MIDI verwendet, mit dem man Staub bei Wellenlängen zwischen 8 und 13 µm beobachten kann. Dies entspricht Temperaturen von 220–350 Kelvin und detektiert somit warmen Staub. Aus den Visibilities konnten nun einige grundlegende Erkentnisse gewonnen werden. Zum einen hat sich herausgestellt, dass Gas und Staub im Torus nicht homogen verteilt sind, sondern sich in Klumpen oder Wolken sammelt. Dies wurde schon Ende der 1980er-Jahre theoretisch vorausgesagt, doch erst jetzt war es möglich, dies durch interferometrische Beobachtungen und detaillierte Strahlungstransport-Modellierung nachzuweisen (Abb. 2) [1,2]. Zum anderen konnte durch die spektrale Auflösung der Visibilities das Helligkeitsprofil des Staubtorus im mittleren Infrarot zwischen 8 und 13 µm rekonstruiert werden. Daraus wurde geschlossen, dass der Staub im Allgemeinen nicht stark zum Zentrum hin konzentriert, sondern über viele Lichtjahre hinweg verteilt ist. Dieses Profil erlaubt es nun, verschiedene Akkretionsmodelle einem Test zu unterziehen und deren Vorhersagen zu überprüfen.
Der heiße Ring am Innenrand des Torus
Da Staub nur bei Temperaturen Abb. 3). So hat z. B. der Torus in NGC4151 einen Innendurchmesser von 0.5 Milli-Bogensekunden (mas), was einer linearen Entfernung von 0.26 Lichtjahren entspricht [3]. Interessanterweise ist der Innenradius in allen beobachteten Objekten nur etwa 1/3 der vorhergesagten Größe. Diese Vorhersage stützt sich auf die Annahme, dass der Staub im Torus ähnlich zusammengesetzt ist, wie im Rest der Galaxie. Die nun durchgeführten Messungen legen den Schluss nahe, dass sich im inneren Teil des Torus hauptsächlich große Staubkörner mit bis zu 1 µm Größe befinden, während sie im Außenbereich des Torus und in der Galaxie im Mittel 10-mal kleiner sind, was mit den MIDI-Beobachtungen im mittleren Infrarot übereinstimmt. Somit konnte nun erstmalig gezeigt werden, wie die Strahlung der Akkretionsscheibe die Zusammensetzung des Staubes beeinflusst.
Aufgrund der Bedeutung des Torus für das Wachstum von Schwarzen Löchern und des Erfolges der Beobachtungen soll die Interferometrie von AGN weiter vorangetrieben werden. Dazu können neue Instrumente benutzt werden, die in den nächsten Jahren am VLTI installiert werden. Das im Bau befindliche ALMA-Interferometer in Chile wird es außerdem möglich machen, den Torus auch bei sehr viel längeren Wellenlängen direkt zu beobachten.