Zehn neue Neutronensterne für Terzan 5
Entdeckung und Untersuchung mehrerer seltener und ungewöhnlicher Pulsare in einem dichten Sternhaufen mit Hilfe von MeerKAT/Südafrika und dem Green-Bank-Teleskop/USA
Ein internationales Team unter der Leitung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik, des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie und des National Radio Astronomy Observatory hat zehn schnell rotierende Neutronensterne im Kugelsternhaufen Terzan 5 entdeckt. Viele von ihnen befinden sich in ungewöhnlichen und seltenen Doppelsternsystemen, darunter möglicherweise ein rekordverdächtiger Doppelneutronenstern, ein Pulsar in einer extrem elliptischen Umlaufbahn und mehrere „Spinnensysteme“, in denen die Neutronensterne ihre Begleiter verdampfen. Diese Funde in den Daten des MeerKAT-Radioteleskops erhöhen die Anzahl der in diesem sehr dichten Sternhaufen bekannten Millisekunden-Pulsare um mehr als ein Viertel auf insgesamt 49. Das Team hofft, Pulsare in potenziell noch extremeren Doppelsternsystemen zu entdecken. Dazu sollen alle mit MeerKAT von Terzan 5 aufgezeichneten Daten durch Nutzung der enormen Rechenleistung des am MPI für Gravitationsphysik durchgeführten verteilten Rechenprojekts Einstein@Home auf weitere Pulsare durchsucht werden.
„Wir wissen, dass Kugelsternhaufen wie Terzan 5 viele schnell rotierende Neutronensterne beherbergen, und wir wissen auch, dass frühere Beobachtungen dieses Haufens wahrscheinlich einige übersehen haben. Trotzdem haben wir uns sehr gefreut, zehn bisher unbekannte Millisekunden-Pulsare zu entdecken, darunter einige in ungewöhnlichen und extremen Doppelsternsystemen“, sagt Prajwal Voraganti Padmanabh, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI) in Hannover. „Die Kombination von hochempfindlichen Beobachtungen mit MeerKAT, Archivdaten des Green-Bank-Teleskops aus fast zwei Jahrzehnten und cleveren und effizienten Datenanalysemethoden haben diese Entdeckungen und ihre vollständige Charakterisierung ermöglicht.“
Padmanabh ist Erstautor einer Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht wurde. Er begann seine Forschungsarbeit an Pulsaren während seiner Tätigkeit am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn.
Neutronensterne sind kompakte Überreste von Supernova-Explosionen. Sie bestehen aus exotischer, extrem dichter Materie, sind schwerer als unsere Sonne und haben einen Durchmesser von nur etwa 20 Kilometern. Aufgrund ihrer starken Magnetfelder und schnellen Rotation senden sie wie ein kosmischer Leuchtturm gebündelte Radiowellen aus. Wenn die Rotation diese Strahlenbündel regelmäßig auf die Erde richtet, wird der Neutronenstern als pulsierende Radioquelle – als Radiopulsar – sichtbar. Einige dieser Radiopulsare sammeln in Doppelsternsystemen von ihrem Begleiter Materie ein, die sie auf Rotationsperioden von wenigen Millisekunden beschleunigt. Sie werden als Millisekundenpulsare bezeichnet.
Der Kugelsternhaufen Terzan 5 liegt in einer Entfernung von ca. 20.000 Lichtjahren in Richtung des Sternbilds Sagittarius (Schütze). Er ist nach seinem Entdecker, dem französischen Astronomen Agop Terzian, benannt. Dies ist einer der Orte mit der höchsten Sternendichte in unserer Milchstraße. In seinem Kernbereich, wo diese Dichte millionenfach höher ist als in der Umgebung unserer Sonne, treffen sich die Sterne und interagieren viel häufiger als anderswo. Dies macht ihn zu einer sehr effizienten „Fabrik“ für Pulsare in außergewöhnlichen Doppelsternen. Vor dieser Studie waren bereits 39 Pulsare in Terzan 5 bekannt; nun kamen zehn weitere hinzu.
Die Forscherinnen und Forscher machten ihre Entdeckungen in Daten des MeerKAT-Radioteleskops. MeerKAT ist eine Anlage von 64 Antennen in der südafrikanischen Karoo mit einer beispiellosen Empfindlichkeit für Quellen am Südhimmel. Im Rahmen des „TRansients and Pulsars using MeerKAT (TRAPUM) Large Survey Project“ beobachtete das Team Terzan 5 zweimal für mehrere Stunden mit jeweils 56 MeerKAT-Antennen. Die Hardware für TRAPUM wurde vom MPIfR finanziert, entworfen und installiert.
„Mittels spezieller Hardware und Software haben wir die Daten der 56 einzelnen MeerKAT-Antennen zu einem virtuellen Teleskop kombiniert, das gleichzeitig fast 300 eng beieinander liegende Himmelspositionen im Bereich von Terzan 5 beobachtet hat“, so Dr. Padmanabh. „Das führt natürlich dazu, dass wir viel mehr Daten auswerten müssen als bei Beobachtungen mit einem einzelnen Teleskop. Aber es hilft uns auch, die Position jedes neuen Pulsars viel genauer zu bestimmen. Das ist bei Einzelteleskopen normalerweise der schwierige Teil, der Monate an zusätzlichen Beobachtungen erfordert.“
Das Team bereitete die Rohdaten vor und suchte dann an den 45 Positionen, die den Zentralbereich von Terzan 5 abdecken, nach Pulsaren. Ihr Arbeitspferd: der Großrechner Atlas am AEI Hannover, der rund 99.000 logische CPU-Kerne in fast 3.200 Servern sowie 400 Grafikkarten mit fast einer Million Kernen für die Datenanalyse bereitstellte. Mit dieser Suche konnten zehn neue Millisekunden-Pulsare aufgespürt werden.
Für jeden in den MeerKAT-Daten an einer genau definierten Himmelsposition gefundenen Pulsar wurde auf die Archivdaten des Green-Bank-Teleskops zurückgegriffen, um zu überprüfen, ob die Entdeckung dort bestätigt werden konnte. „Ohne das Archiv des Green-Bank-Teleskops wären wir nicht in der Lage gewesen, diese Pulsare zu charakterisieren und ihre Astrophysik zu verstehen“, sagt Scott Ransom, Astronom am National Radio Astronomy Observatory (NRAO). Dadurch war man in der Lage, für alle Entdeckungen sogenannte Timing-Modelle zu erstellen. Diese mathematischen Beschreibungen sagen die Ankunftszeit jedes einzelnen der mehreren hundert Milliarden Pulse über die gesamten 19 Jahre Beobachtungszeit präzise voraus.
Um diese Genauigkeit zu erreichen, müssen die Timing-Modelle viele astrophysikalische Eigenschaften berücksichtigen, die die Doppelsysteme mit Pulsaren beschreiben, einschließlich relativistischer Effekte, die sich aus Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie ergeben. Das ermöglichte es den Forschern, die Neutronensterne, ihre Umlaufbahnen, ihre Begleiter und viele andere Eigenschaften genau zu untersuchen und zu überwachen.
"Alle zehn neu entdeckten Pulsare sind ungewöhnlich und besonders und helfen uns, Kugelsternhaufen und Neutronensterne besser zu verstehen und die allgemeine Relativitätstheorie zu testen. Aber einige von ihnen sind selbst in dieser Gruppe selten und speziell", sagt Paulo Freire, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsabteilung "Radioastronomische Fundamentalphysik" am MPIfR. "Diese Systeme sind nur die jüngsten Beispiele für die wunderbaren, exotischen Sternsysteme, die wir mit MeerKAT in diesen dichten Kugelsternhaufen gefunden haben. Zusammen mit jüngsten Beispielen wie dem Objekt NGC 1851E, das das erste Pulsar-Schwarzes-Loch-System darstellen könnte, zeigen uns die Ergebnisse, dass Kugelsternhaufen eine Goldmine voller Möglichkeiten darstellen."
Vivek Venkatraman Krishnan vom MPIfR ist Mitautor der vorliegenden Arbeit. Er sucht im Rahmen des ERC Research Grants COMPACT ("Understanding gravity using a comprehensive search for fast-spinning pulsars and compact binaries") ebenfalls nach binären Pulsaren in Kugelsternhaufen. "Mit COMPACT werden wir ein maßgeschneidertes Suchsystem für Pulsare entwickeln und einsetzen, um noch extremere Versionen dieser Doppelsterne in Kugelsternhaufen zu entdecken", sagt er.
Eine der Entdeckungen ist ein Doppelsternsystem, das möglicherweise aus zwei Neutronensternen besteht. Diese Doppelneutronensterne sind sehr selten – gerade einmal 20 von mehr als 3600 bekannten Pulsaren gehören zu dieser besonderen Spezies. Sollten zukünftige Beobachtungen diesen Verdacht bestätigen, wäre das Doppelsystem auch ein Rekordbrecher mit dem am schnellsten rotierenden Pulsar und der längsten Umlaufzeit solcher Objekte. Andererseits könnte es sich bei diesem System auch um einen massereichen Pulsar in Begleitung eines Weißen Zwergs handeln. Ein schwerer Pulsar könnte Aufschluss über die innere Zusammensetzung von Neutronensternen geben.
Die extrem elliptische Umlaufbahn eines anderen neuen Pulsars deutet auf eine Reihe von engen Begegnungen mit anderen Sternen in seiner Vergangenheit hin. Wenn im Gedränge im Zentrum von Terzan 5 Sterne an einem Doppelsternsystem vorbeiziehen, kann ihre Schwerkraft dessen Bahnen stören und sogar seine Komponenten herausschleudern oder deren Plätze einnehmen.
Nachdem das Team die Zahl der bekannten Pulsare in Terzan 5 schon um mehr als ein Viertel gesteigert hat, plant es bereits, weitere zu finden. Die Suche wird erweitert auf Pulsare in Doppelsystemen, deren Umlaufzeiten deutlich kürzer sind als die der bisher entdeckten. Die Forscher beabsichtigen, mit der Hilfe des verteilten freiwilligen Computerprojekts Einstein@Home alle mit MeerKAT gewonnenen Daten von Terzan 5 zu analysieren. Das Projekt, das von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am AEI Hannover geleitet wird, hat bereits mehr als 90 neue Neutronensterne entdeckt. Mit MeerKAT soll der Kugelsternhaufen Terzan 5 auch bei höheren Radiofrequenzen beobachtet werden, was die Chancen auf neue Entdeckungen weiter erhöhen dürfte.
„Nach allem, was wir über Terzan 5 wissen, erwarten wir, dass er noch viele weitere extreme Doppelsternsysteme beherbergt, von denen jedes ein potenzielles Labor für die Überprüfung der Einsteinschen Relativitätstheorie ist“, schließt Prajwal Voraganti Padmanabh. „Wer weiß, vielleicht ist das nächste, was wir in diesem erstaunlichen Kugelsternhaufen finden, etwas so Exotisches wie ein Paar Millisekunden-Pulsare oder ein Millisekunden-Pulsar, der ein Schwarzes Loch umkreist?“
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Hintergrundinformation
Das vom South African Radio Astronomy Observatory (SARAO) betriebene MeerKAT ist das größte Radioteleskop der südlichen Hemisphäre und eines von zwei Vorläuferinstrumenten des SKA-Projekts in Südafrika. Das in der Karoo-Wüste gelegene Radioteleskop wird demnächst durch eine zusätzliche Anzahl von Parabolantennen zum "MeerKAT+" erweitert. Dieses wird später schrittweise in das SKAO-Teleskop für einen mittleren Frequenzbereich (SKA-MID) integriert, dessen Bau bereits begonnen hat und bis 2028 andauern wird. Die ersten wissenschaftlichen Beobachtungen von MeerKAT+ haben bereits 2023 während der Testphase des Teleskops begonnen.
TRAPUM (TRAnsients and PUlsars with MeerKAT) ist eines der Large Survey Proposals, die mit dem MeerKAT-Teleskop durchgeführt werden. Es handelt sich um ein internationales Kollaborationsprojekt, das von der Universität Manchester und dem MPIfR geleitet wird, und an dem Institutionen wie das INAF, das National Radio Astronomy Observatory (NRAO) und das South African Radio Astronomy Observatory (SARAO) beteiligt sind.
Das National Radio Astronomy Observatory ist eine Einrichtung der National Science Foundation, im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung von Associated Universities, Inc. Das Green Bank Observatory ist eine Einrichtung der National Science Foundation, die im Rahmen eines Kooperationsabkommens von Associated Universities, Inc. betrieben wird.
Autoren der Veröffentlichung sind P. V. Padmanabh, S. M. Ransom, P. C. C. Freire, A. Ridolfi, J. D. Taylor, C. Choza, C. J. Clark, F. Abbate, M. Bailes, E. D. Barr, S. Buchner, M. Burgay, M. E. DeCesar, W. Chen, A. Corongiu, D. J. Champion, A. Dutta, M. Geyer, J. W. T. Hessels, M. Kramer, A. Possenti, I. H. Stairs, B. W. Stappers, V. Venkatraman Krishnan, L. Vleeschower und L. Zhang. Paulo Freire, Ewan Barr, Weiwei Chen, David Champion, Arunima Dutta, Michael Kramer und Vivek Venkatraman Krishnan sind Mitarbeiter am MPIfR. Der Erstautor, Prajwal Voraganti Padmanabh, sowie Alessandro Ridolfi und Federico Abbate sind ebenfalls mit dem MPIfR affiliiert.