Ein ‘Hot Spot’ in einer Umlaufbahn um Sagittarius A*

Astronomen entdecken heiße Gasblase, die um das supermassereiche Schwarze Loch der Milchstraße schwirrt
 

22. September 2022

Eine internationale Gruppe von Astrophysikern unter der Leitung von Maciek Wielgus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn hat mit dem in über 5000 m Höhe in Chile gelegenen ALMA-Teleskop die unmittelbare Umgebung von Sagittarius A*, dem supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße, untersucht. Sie fanden Anzeichen für einen "Hot Spot", der die zentrale Quelle in einer sehr engen Umlaufbahn umkreist und nur etwa 70 Minuten für eine Umrundung benötigt. Diese Entdeckung wird dazu beitragen, die rätselhafte und dynamische Umgebung der Zentralquelle unserer Milchstraße besser zu verstehen.

Das Ergebnis wird in der Fachzeitschrift "Astronomy & Astrophysics" veröffentlicht.


 

Mit Hilfe des „Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array“ (ALMA) haben Astronomen Anzeichen für einen „Hot Spot“ entdeckt, der Sagittarius A*, das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße, umkreist. Die Entdeckung hilft, die komplexe und dynamische Umgebung dieses supermassereichen Schwarzen Lochs besser zu verstehen.

„Wir vermuten, dass wir es mit einer heißen Gasblase zu tun haben, die Sagittarius A* auf einer Bahn umkreist, die ähnlich groß ist wie die des Planeten Merkur, aber in nur etwa 70 Minuten eine volle Umkreisung vollzieht. Dies erfordert eine unglaubliche Geschwindigkeit von etwa 30 % der Lichtgeschwindigkeit“, sagt Maciek Wielgus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, der die heute in der Fachzeitschrift „Astronomy & Astrophysics“ veröffentlichte Studie geleitet hat.

Die Beobachtungen erfolgten mit ALMA in den chilenischen Anden – einem Radioteleskop, das von der Europäischen Südsternwarte (ESO) mitgetragen wird – und zwar gleichzeitig mit einer Beobachtungskampagne der Event-Horizon-Teleskop- (EHT) Kollaboration zur Abbildung Schwarzer Löcher. Im April 2017 kombinierte das EHT acht bestehende Radioteleskope auf der ganzen Welt, darunter ALMA, was zu dem kürzlich veröffentlichten ersten Bild von Sagittarius A* führte. Für die Kalibrierung der EHT-Daten verwendeten Wielgus und seine Arbeitsgruppe, die Mitglieder der EHT-Kollaboration sind, ALMA-Daten, die parallel zu den EHT-Beobachtungen von Sagittarius A* aufgezeichnet wurden. Zur Überraschung des Teams fanden sich in den ALMA-Messungen weitere Hinweise auf die Natur des Schwarzen Lochs.

Einige der Beobachtungen wurden zufällig kurz nach einem Ausbruch bzw. Flare von Röntgenenergie aus dem Zentrum unserer Galaxie durchgeführt, der vom NASA-Weltraumteleskop Chandra entdeckt wurde. Diese Art von Ausbrüchen, die zuvor mit Röntgen- und Infrarotteleskopen beobachtet wurden, stehen vermutlich mit so genannten „Hot Spots“ in Verbindung, heißen Gasblasen, die sehr schnell und nahe am Schwarzen Loch kreisen.

„Das wirklich Neue und Interessante ist, dass solche Flares bisher nur in Röntgen- und Infrarotbeobachtungen von Sagittarius A* deutlich zu sehen waren. Hier sehen wir zum ersten Mal einen sehr starken Hinweis darauf, dass umlaufende Hot Spots auch in Radiobeobachtungen vorhanden sind“, sagt Wielgus, der auch am Nicolaus Copernicus Astronomical Centre in Polen sowie in der Black Hole Initiative der Harvard University, USA, tätig ist.

„Vielleicht sind diese bei Infrarotwellenlängen entdeckten Hot Spots eine Erscheinung desselben physikalischen Phänomens: Wenn sich die im Infraroten strahlenden Hot Spots abkühlen, werden sie bei längeren Wellenlängen sichtbar, wie die, die von ALMA und dem EHT beobachtet werden“, fügt Jesse Vos, Doktorand an der Radboud-Universität in den Niederlanden, hinzu, der ebenfalls an dieser Studie beteiligt war.

Lange Zeit ging man davon aus, dass die Flares durch magnetische Wechselwirkungen in dem sehr heißen Gas entstehen, das in unmittelbarer Nähe von Sagittarius A* kreist. Die neuen Ergebnisse stützen diese Idee. „Jetzt finden wir starke Hinweise auf einen magnetischen Ursprung dieser Flares, und unsere Beobachtungen geben uns einen Hinweis auf die Geometrie des Prozesses. Die neuen Daten sind äußerst hilfreich für die Formulierung einer theoretischen Interpretation dieser Ereignisse“, sagt Mitautorin Monika Mościbrodzka, ebenfalls von der Radboud-Universität.

ALMA ermöglicht es den Astronomen und Astronominnen, die polarisierte Radioemission von Sagittarius A* zu untersuchen, die dazu verwendet werden kann, das Magnetfeld des Schwarzen Lochs zu identifizieren. Das Team nutzte diese Beobachtungen zusammen mit theoretischen Modellen, um mehr über die Entstehung des Hot Spots und die Umgebung, in die er eingebettet ist, zu erfahren, einschließlich des Magnetfelds um Sagittarius A*. Ihre Untersuchungen liefern stärkere Anhaltspunkte für die Form dieses Magnetfelds als frühere Beobachtungen und helfen den Forschenden, die Natur unseres Schwarzen Lochs und seiner Umgebung zu entschlüsseln.

Die Beobachtungen bestätigen einige der früheren Entdeckungen, die mit dem GRAVITY-Instrument am „Very Large Telescope“ (VLT) der ESO gemacht wurden, das im Infraroten beobachtet. Die Daten von GRAVITY und ALMA deuten beide darauf hin, dass der Strahlungsausbruch in einem Gasklumpen entsteht, der mit etwa 30 % der Lichtgeschwindigkeit im Uhrzeigersinn um das Schwarze Loch herumwirbelt, wobei dessen Umlaufbahn nahezu von oben erscheint.

„In Zukunft sollten wir in der Lage sein, Hot Spots durch koordinierte Multiwellenlängenbeobachtungen mit GRAVITY und ALMA über einen größeren Spektralbereich hinweg zu verfolgen – der Erfolg eines solchen Unterfangens wäre ein echter Meilenstein für unser Verständnis der Physik von Flares im galaktischen Zentrum“, sagt Ivan Marti-Vidal von der Universität Valencia in Spanien, Mitautor der Studie.

Das Team hofft auch, mit dem EHT die umlaufenden Gasklumpen direkt beobachten zu können, um noch näher an das Schwarze Loch heranzukommen und mehr darüber zu erfahren. „Hoffentlich können wir eines Tages sagen, dass wir wirklich verstehen, was in Sagittarius A* vor sich geht“, sagt Maciek Wielgus.

„Diese neuen Ergebnisse belegen eindrucksvoll, dass die am MPIfR und anderen Instituten durchgeführten Weiterentwicklungen am ALMA-Teleskop für die Bildgebung mit dem EHT auch Erkenntnisse über die Variabilität solcher Quellen auf Skalen ermöglichen, die so bisher nicht möglich waren”, schließt Anton Zensus, Direktor und Leiter der Forschungsabteilung „Radioastronomie / VLBI“ am MPIfR.

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Hintergrundinformation:

Das „Atacama Large Millimeter/submillimeter Array“ (ALMA) ist eine internationale astronomische Einrichtung, die gemeinsam von der ESO, der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF) und den japanischen National Institutes of Natural Sciences (NINS) in Kooperation mit der Republik Chile betrieben wird. Getragen wird ALMA von der ESO im Namen ihrer Mitgliedsländer, von der NSF in Zusammenarbeit mit dem kanadischen National Research Council (NRC), dem Ministry of Science and Technology (MOST) und NINS in Kooperation mit der Academia Sinica (AS) in Taiwan sowie dem Korea Astronomy and Space Science Institute (KASI). Bei Entwicklung, Aufbau und Betrieb ist die ESO federführend für den europäischen Beitrag, das National Radio Astronomy Observatory (NRAO), das seinerseits von Associated Universities, Inc. (AUI) betrieben wird, für den nordamerikanischen Beitrag und das National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ) für den ostasiatischen Beitrag. Dem Joint ALMA Observatory (JAO) obliegt die übergreifende Projektleitung für den Aufbau, die Inbetriebnahme und den Beobachtungsbetrieb von ALMA.

Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Sie entwirft, baut und betreibt Observatorien von Weltrang, die Astronominnen und Astronomen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken, und fördert die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie. Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt. Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, die Teleskope der europäischen Südsternwarte beherbergt.

Das Forscherteam umfasst M. Wielgus (Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Deutschland [MPIfR]; Nicolaus Copernicus Astronomical Centre, Polnische Akademie der Wissenschaften, Polen; Black Hole Initiative an der Harvard University, USA [BHI]), M. Moscibrodzka (Abteilung für Astrophysik, Universität Radboud, Niederlande [Radboud]), J. Vos (Radboud), Z. Gelles (Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian, USA und BHI), I. Martí-Vidal (Universitat de València, Spanien), J. Farah (Las Cumbres Observatory, USA; University of California, Santa Barbara, USA), N. Marchili (Italian ALMA Regional Centre, INAF-Istituto di Radioastronomia, Italy and MPIfR), C. Goddi (Dipartimento di Fisica, Università degli Studi di Cagliari, Italien und Universidade de São Paulo, Brasilien), und H. Messias (Joint ALMA Observatory, Chile).

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