Kalter Staub im Universum
ATLASGAL-Kartierung der südlichen Milchstraße vollendet
Eine Reihe von spektakulären Bildern der Milchstraße sind anlässlich der Vollendung des “APEX Telescope Large Area Survey of the Galaxy” (ATLASGAL) veröffentlicht worden. Das APEX-Teleskop in Chile wird in Zusammenarbeit zwischen dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), dem Onsala Space Observatory (OSO) in Schweden und der Europäischen Südsternwarte (ESO) betrieben. Im Rahmen des Projekts wurde der komplette von der Südhalbkugel aus zugängliche Bereich der Milchstraßenebene zum ersten Mal in Submillimeterwellenlängen (zwischen Infrarot- und Radiobereich des elektromagnetischen Spektrums) bei hoher Auflösung erfasst. Dadurch werden Details und Strukturen sichtbar, die in Kartierungen mit kleineren Weltraumteleskopen im gleichen Wellenlängenbereich nicht erfasst wurden. Das 12m-APEX-Teleskop spielt eine Vorreiterrolle bei der Untersuchung des kalten Universums, von kosmischen Gas- und Staubwolken mit Temperaturen von nur einigen 10 Grad über dem absoluten Nullpunkt.
APEX, das „Atacama Pathfinder Experiment”, ist ein Teleskop von 12 m Durchmesser in 5100 m Höhe auf der Chajnantor-Hochebene in der chilenischen Atacamawüste. Der mit diesem Teleskop erstellte „APEX Telescope Large Area Survey of the Galaxy“ (ATLASGAL) profitiert von den einmaligen Eigenschaften dieses Teleskops und ermöglicht dadurch ein detailliertes Bild der Verteilung von dichtem kalten Gas entlang der Ebene der Milchstraße. Tatsächlich umfasst die komplette ATLASGAL-Kartierung den überwiegenden Teil der Sternentstehungsgebiete in unserer Milchstraße.
Die Karten von ATLASGAL decken insgesamt einen 140 Grad langen und 3 Grad breiten Streifen am Himmel ab. Das Projekt ist das bis dato erfolgreichste Beobachtungsprogramm mit dem APEX-Teleskop, mit mehr als 69 auf ATLASGAL basierenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Da nun die reduzierten Daten und Datenprodukte für die komplette Astronomische Gemeinschaft zur Verfügung stehen, ist zu erwarten, dass diese Zahl alsbald kräftig ansteigen wird.
Das Herzstück von APEX bilden seine exzellenten Empfangssysteme. Einer dieser Empfänger, LABOCA (die “LArge BOlometer Camera”), mit dem nach wie vor der größten Detektor seiner Art auf der Südhalbkugel, wurde für die ATLASGAL-Messungen eingesetzt. LABOCA wurde am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn gebaut und misst die eintreffende Strahlung in Submillimeter-Wellenlängen über einen dadurch verursachten winzigen Temperaturanstieg. Dadurch wird es möglich, die Strahlung von dunklen Staubregionen zu erfassen, die das Licht von dahinterliegenden Sternen komplett absorbieren.
“Wenn wir die ATLASGAL-Messungen mit ihrer hohen Winkelauflösung mit den Daten vom Planck-Weltraumobservatorium der ESA verknüpfen, erhalten wir daraus einen Datensatz von Weltraumqualität, aber mit einer 20fach höheren Auflösung”, sagt Axel Weiß vom MPIfR, der für die Verbindung beider Datensätze verantwortlich zeichnete. Dadurch wird es den Astronomen nun möglich, Submillimeterstrahlung nachzuweisen, die sich über einen großen Bereich am Himmel verteilt und so den Gesamtanteil von dichtem Gas im inneren Bereich der Milchstraße zu erfassen. Die ATLASGAL-Daten wurden außerdem dafür verwendet, kalte und massereiche Wolken, in denen eine neue Generation von Sternen heranwächst, möglichst komplett statistisch zu erfassen.
„ATLASGAL bringt uns aufregende neue Erkenntnisse darüber, wo sich die nächste Generation von massereichen Sternen und Sternhaufen bildet. Durch die Verknüpfung mit den Planck-Daten erhalten wir einen Zugang zu den großskaligen Strukturen der riesigen Molekülwolken, in denen das stattfindet“, bemerkt Timea Csengeri, ebenfalls vom MPIfR, die Erstautorin der Veröffentlichung über die Verteilung von kaltem Staub in der Milchstraße auf der Basis der kombinierten ATLASGAL- und Planck-Daten.
Am APEX-Teleskop wurden erst kürzlich die ersten 10 Jahre erfolgreicher Forschung über das kalte Universum gefeiert. Das Teleskop spielt dabei eine wichtige Rolle nicht nur als Pfadfinder, sondern auch als komplementäres Instrument zu ALMA, dem „Atacama Large Millimeter/submillimeter Array“, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft ebenfalls auf der Chanjantor-Hochebene in Chile befindet. Mit APEX , das ursprünglich auf einer Prototyp-Antenne für ALMA basiert, wurden bereits eine Menge neuer Himmelsobjekte aufgespürt, die anschließend mit Hilfe von ALMA sehr detailliert untersucht werden konnten.
„ATLASGAL ermöglicht uns einen neuen und geänderten Blick in das dichte interstellare Medium in unserer Milchstraße“, sagt Leonardo Testi von der ESO, Mitglied im ATLASGAL-Forschungsteam und europäischer Projektwissenschaftler für ALMA. „Die jetzt erfolgte Veröffentlichung des kompletten Datensatzes eröffnet eine exzellente Möglichkeit für neue Entdeckungen. Viele Wissenschaftlerteams nutzen bereits die ATLASGAL-Daten um damit detaillierte Nachfolgebeobachtungen mit ALMA zu konzipieren.“
„Die moderne Astronomie geht immer von einem Multiwellenlängen-Ansatz aus. ATLASGAL fügt einen Blick aufs kalte Universum hinzu, und damit direkt hinein in die Wiegen junger Sterne“, schließt Karl Menten vom MPIfR, der Leiter des APEX-Projekts.
APEX, das “Atacama Pathfinder Experiment”, ist ein Radioteleskop für den Submillimeter-Wellenlängenbereich, das in Zusammenarbeit vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), dem Onsala Space Observatory (OSO) und der Europäischen Südsternwarte (ESO) betrieben wird. Es wurde konstruiert auf der Grundlage einer modifizierten ALMA-Prototyp-Antenne und steht in 5100 Meter Höhe auf der Chajnantor-Ebene in der chilenischen Atacamawüste. Gebaut wurde das Teleskop von VERTEX-Antennentechnik in Duisburg. Der Betrieb von APEX obliegt der Europäischen Südsternwarte.
ATLASGAL , der “APEX Telescope Large Area Survey of the Galaxy”, erfolgt in Zusammenarbeit zwischen dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), dem Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA), der ESO, und der University of Chile.
ALMA, das “Atacama Large Millimeter/submillimeter Array”, wird gemeinsam von der ESO, der amerikanischen National Science Foundation (NSF) und den National Institutes of Natural Sciences (NINS) in Japan in Zusammenarbeit mit dem chilenischen Staat betrieben. ALMA wird über die ESO im Auftrag der Mitgliedsstaaten finanziert, weiterhin von der NSF in Zusammenarbeit mit dem National Research Council of Canada (NRC) und dem National Science Council of Taiwan (NSC) sowie von der NINS in Zusammenarbeit mit der Academia Sinica (AS) in Taiwan und dem Korea Astronomy and Space Science Institute (KASI).