Der Effelsberg-Bonn HI Survey

100-m-Radioteleskop kartiert den kompletten Nordhimmel im Licht des neutralen Wasserstoffs

15. Dezember 2015

Radioastronomen an der Universität Bonn und am Max-Planck-Institut für Radioastronomie haben mit einer Veröffentlichung in der Januarausgabe der Fachzeitschrift “Astronomy & Astrophysics“ einen wissenschaftlichen Meilenstein gesetzt. Mit einem der weltweit größten beweglichen Radioteleskope, dem 100-m-Teleskop in Effelsberg, wurde der komplette Nordhimmel im Licht der 21-cm-Spektrallinie des neutralen Wasserstoffs (HI) vermessen.

Das von Jürgen Kerp (Argelander-Institut für Astronomie) und Benjamin Winkel (Max Planck-Institut für Radioastronomie) geleitete Forschungsprojekt startete bereits im Jahr 2008 und hat jetzt mit der Bereitstellung des ersten Datensatzes des „Effelsberg-Bonn HI Survey“ (EBHIS) für die astronomische Forschung einen vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Die Beobachtungsdaten des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts stehen Wissenschaftlern auf der ganzen Welt zur freien Verfügung. Zusätzlich zu den jetzt veröffentlichten Daten für die Milchstraße beinhaltet das EBHIS-Projekt auch einzigartige Informationen über den Wasserstoff in anderen Galaxien bis zu einer Entfernung von etwa 750 Millionen Lichtjahren.
 

Wasserstoff ist DAS chemische Element im Universum. Er setzt sich aus nur einem Proton und einem Elektron zusammen und ist damit das einfachste und auch das mit Abstand häufigste Element im Weltraum. Man könnte sich unser Universum beinahe als beinahe reines Wasserstoffuniversum vorstellen, mit einer nur geringfügigen „Verschmutzung“ durch schwerere Elemente, darunter auch Kohlenstoff als wesentlichem Baustein allen Lebens auf unserer Erde.  Die 21cm-Linie ist eine sehr schwache aber nichtsdestotrotz charakteristische Emissionslinie des neutralen atomaren Wasserstoffs (oder HI). Damit können nicht nur schwächste Signale von weit entfernten Galaxien mit dem 100-m-Radioteleskop Effelsberg aufgespürt werden, sondern auch die Bewegung dieser Galaxien relativ zur Erde genau bestimmt werden.

Um das EBHIS-Projekt am 100-m-Radioteleskop umzusetzen, wurde ein spezieller neuer Empfänger benötigt. Mit sieben Empfangselementen, die jeweils unabhängig voneinander den Himmel vermessen, war es möglich, die erforderliche Beobachtungszeit um beinahe eine Größenordnung zu reduzieren, von mehreren Jahrzehnten hinunter auf nur noch fünf Jahre.

Im Rahmen von EBHIS wurden spezielle Spektrometer entwickelt, sogenannte „Field Programmable Gate Arrays“ (FPGAs), mit denen Datenverarbeitung in Echtzeit sowie die Speicherung von ca. 100 Millionen individuellen HI-Spektren in der benötigten hohen Qualität möglich wurde. Diese HI-Spektren wurden mit Hilfe von Hochleistungsrechnern zusammengesetzt zu einer einzigartigen Karte des gesamten Nordhimmels mit unübertroffenem Detailreichtum bei der Darstellung des Gases der Milchstraße.

Für eine Reihe von Astronomiestudenten an der Universität Bonn wurde ein einzigartiger Zugang zu den EBHIS-Daten noch vor deren kompletter Veröffentlichung möglich. Im Jahr 2013 wurde ein Abkommen („memorandum of understanding“) zwischen den Bonner HI-Astronomen und der Europäischen Raumfahrtagentur ESA unterzeichnet. Dadurch erhielt die ESA exklusiven Zugang auf die HI-Daten für ihre Satellitenmission PLANCK und umgekehrt erhielten Bonner Studenten Zugang zu den Planck-Daten im Rahmen ihrer Promotionsprojekte. Seit 2008 wurden zwölf Bachelor-, neun Master- und fünf Promotionsprojekte im Rahmen der Forschung mit EBHIS erfolgreich abgeschlossen.

Das “Square Kilometer Array” (SKA), das weltweit größte Radioastronomieprojekt der Zukunft, mit Beobachtungsstationen sowohl in Australien wie auch im südlichen Afrika, wird direkt von den EBHIS-Daten profitieren. Bedingt durch die Konstruktion des SKA als aus einzelnen Elementen zusammengesetztes Radiointerferometer, ist es grundsätzlich unempfindlich für die schwache und ausgedehnte HI-Strahlung von der Milchstraße und benachbarten Galaxien. Da gerade diese Komponente der HI-Strahlung durch EBHIS sehr gut dargestellt wird, sind beide komplementär zueinander und nur die Kombination der Daten von EBHIS und dem SKA wird es ermöglichen, ein umfassendes Bild des interstellaren Wasserstoffgases zu liefern.

Der Effelsberg-Bonn HI Survey stellt eine reichhaltige Quelle für astronomische Forschung in naher und ferner Zukunft dar. Unabhängig von EBHIS sind keine weiteren Projekte zur Kartierung des gesamten Nordhimmels mit Radioteleskopen der 100-m-Klasse angesetzt. Damit setzen diese Daten einen Qualitätsstandard für die Erforschung des neutralen Wasserstoffgases in unserer Milchstraße für die nächsten Jahrzehnte.      

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Das EBHIS-Projekt basiert auf Beobachtungen mit dem 100-m-Radioteleskop des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) bei Bad Münstereifel-Effelsberg. Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über einen Zeitraum von sechs Jahren gefördert

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