Pulsar von Amateuren entdeckt

Deutsche und US-amerikanische Amateurwissenschaftler entdecken mit Einstein@Home einen neuen Pulsar in Daten vom 305m-Arecibo-Radioteleskop

13. August 2010
Astronomische Entdeckungen sind längst nicht mehr ausschließlich auf den Himmel beschränkt - unter Umständen sind sie sogar zuhause am eigenen Computer möglich. Diese Erfahrung haben Daniel Gebhardt von der Universität Mainz und das Ehepaar Chris und Helen Colvin aus Ames, Iowa in den Vereinigten Staaten gemacht. Ihre Computer nehmen zusammen mit 500000 weiteren Rechnern an dem Programm "Einstein@Home" teil, mit dem außer der Suche nach Gravitationswellen auch radioastronomische Beobachtungen nach Signalen von Pulsaren durchsucht werden. Ihren Computern ist nun die erste Entdeckung eines neuen Pulsars aus diesen Daten zu verdanken.
Die Pulsardurchmusterung mit dem gigantischen Arecibo-Radioteleskop von 305 m Durchmesser wird im Rahmen eines internationalen Konsortiums durchgeführt, an dem auch Wissenschaftler des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie beteiligt sind. Das Ergebnis ist in der aktuellen Ausgabe von "Science Express" veröffentlicht; Michael Kramer und zwei seiner Mitarbeiter haben gezielte Nachbeobachtungen des Pulsars mit dem 100-m-Radioteleskop Effelsberg durchgeführt und sind Mitautoren der wissenschaftlichen Veröffentlichung.

Im Rahmen des Einstein@Home-Projekts haben drei Amateurwissenschaftler, ein Deutscher und ein amerikanisches Ehepaar einen neuen Radiopulsar entdeckt. Das Signal wurde in Beobachtungsdaten mit dem 30a-5m-Radioteleskop des Arecibo-Observatoriums gefunden. Das Ergebnis ist in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Science" veröffentlicht; es stellt die erste derartige Entdeckung mit Einstein@Home dar, einem Projekt, das inzwischen Rechenzeit auf den Computern von rund 250000 teilnehmern in 192 Ländern weltweit nutzt. Die Entdeckung gelanbg auf den Rechnern von gleich zwei Teilnehmern: Daniel Gebhardt von der Universität Mainz sowie den Amerikanern Chris und Helen Colvin aus Ames, Iowa.

Der neu gefundene Pulsar trägt inzwischen die Bezeichnung PSR J2007+2722; es handelt sich dabei um einen schnell rotierenden Neutronenstern, der sich 41mal pro Sekunde um die eigene Achse dreht. Dieser Pulsar steht in der Milchstraße, in ungefähr 17000 Lichtjahren entfernung in Richtung des kleinen Sternbilds Vulpecula (Füchschen), direkt links unterhalb des bekannten Sommerdreiecks am Himmmel. 41 Umdrehungen pro Sekunde sind für einen Pulsar sehr schnell; das müsste normalerweise ein sehr junger Pulsar sein (einer der jüngsten bekannten Pulsare im Crab-Nebel, dem Überrest der Supernova aus dem Jahr 1054, rotiert z.B. mit 33 Umdrehungen pro Sekunde) oder aber ein Pulsar, der durch Massen- und Drehimpulsaufnahme vom Partner innerhalb eines Doppelsternsystems im Umlauf beschleunigt wurde (ein sogenannter "recycled pulsar"), der aber dann seinen Partner verloren hat.

"Das wäre dann so ähnlich wie bei dem erst kürzlich von uns entdeckten "Schwarze-Witwe-Pulsar", der allerdings mit 377 Umdrehungen in der Sekunde noch gut 9mal schneller rotiert", sagt Michael Kramer vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie, der mit seinen Mitarbeitern Paolo Freire und David Champion an den Radiobeobachtungen beteiligt ist, die zur Entdeckung des neuen Pulsars geführt haben. "Auch PSR J2007+2722 ist ein Einzelgänger ohne Begleitstern, der ihn umkreist. Allerdings können wir auch einen jungen Pulsar mit einem ungewöhnlich niedrigen Magnetfeld nicht ausschließen."

"Einstein@Home" ist ein Gemeinschaftsprojekt der University of Wisconsin, Milwaukee, und des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in Hannover, mit dem seit dem Jahr 2005 Daten des US-amerikanischen LIGO-Observatoriums nach Gravitationswellen durchsucht werden. Seit März 2009 werden im gleichen Projekt auch Radiobeobachtungen mit dem 305-m-Teleskop des Arecibo-Observatoriums in Puerto Rico nach Signalen von Pulsaren durchforstet. Rund ein Drittel der Rechenkapazität von Einstein@Home wird verwendet, um Arecibo-Daten auszuwerten. "Dies ist ein spannender Moment für Einstein@Home und unswere freiwilligen Teilnehmer. Es zeigt, dass durch die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Wissenschaft neue Dinge in unserem Universum entdeckt werden können. sagt Bruce Allen, Leiter des Projekts Einstein@Home und Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, gleichzeitig auch Physikprofessor an der University of Wisconsin, Milwaukee. "Ich hoffe, dass sich nun noch mehr Leute begeistern lassen und uns dabei unterstützen, weitere Geheimnisse, die in den Daten verborgen liegen, aufzudecken."

Benjamin Knispel vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik ist Doktorand in der Forschungsgruppe von Bruce Allen und Erstautor der Veröffentlichung, an der darüber hinaus eine Reihe von Mitarbeitern des Pulsar-ALFA-Konsortiums beteiligt sind. "Was auch immer wir über diesen Pulsar herausfinden werden - dieses Objekt ist äußerst interessant für das Verständnis der grundlegenden Physik von Neutronensternen und deren Entstehung", sagt James M. Cordes, Astronomieprofessor an der Cornell-Universität und Vorsitzender des Konsortiums. "Die Entdeckung des Pulsars erforderte ein komplexes System, das Arecibo-Teleskop und Rechnerresourcen an einer Reihe von Instituten, um die Daten weltweit an die freiwilligen Teilnehmer von Einstein@Home verteilen zu können."

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