Der Himmel über der Eifel

Erste Himmelskarte im oberen Frequenzband von LOFAR, dem modernsten Radioteleskop der Welt, aufgenommen in Effelsberg

17. Dezember 2009
Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn präsentieren die ersten Himmelskarten im Frequenzbereich zwischen 110 und 190 MHz, die mit den erst im Herbst 2009 aufgebauten "High-Band"-Antennen der deutschen LOFAR-Station in Effelsberg gemessen wurden. Die so erhaltenen Himmelskarten stellen die ersten wissenschaftlichen Resultate überhaupt mit LOFAR-"Highband"-Antennen dar und markieren einen weiteren Meilenstein in der Gesamtentwicklung des europäischen Niederfrequenz-Radioteleskops LOFAR.

Abbildung 1 zeigt das erste Bild des Himmels, das mit den neu errichteten Antennen im oberen Frequenzband des europäischen Radioteleskops LOFAR erhalten wurde. In diesem Bild ist Norden oben und Osten links; genauso würde jemand den gesamten Himmel über der Eifel am Nachmittag des 10. November 2009 auf dem Rücken liegend von Effelsberg aus gesehen haben, vorausgesetzt allerdings, er hätte Radioaugen. Die zwei hellen im Bild gelblich erscheinenden Flecke zeigen die beiden stärksten Radioquellen am Himmel. Fast im Zentrum des Bildes liegt Cygnus A, eine ausgedehnte Radiogalaxie, deren gewaltige Strahlung aus der direkten Umgebung eines extrem massereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie stammt, weiter oben links sieht man Cassiopeia A, den Überrest einer Supernova-Explosion, die vor gut 300 Jahren in unserer Milchstraße stattgefunden hat. Die Ebene unser Milchstraße ist ebenfalls auf dem Bild zu sehen, als schwachleuchtendes Band, das sich entlang der beiden starken Einzelquellen bis über den unteren Bildrand hinaus erstreckt. Und bereits an der Grenze der Sichtbarkeit liegt der "nordpolare Sporn", der Überrest einer lange vergangenen Supernova-Explosion, der als ausgedehnte Radiowolke innerhalb unserer Milchstraße erscheint. Man findet ihn im unteren rechten Teil des Bildes, vom Band der Milchstraße aus Richtung westlicher Horizont.

"Wir haben dieses Bild aus einer einzigen "Belichtung" des Himmels von 60 Sekunden Dauer bei einer Frequenz von 120 MHz mit unseren Highband-LOFAR-Antennen in Effelsberg erhalten", sagt James Anderson, Projektleiter der Effelsberger LOFAR-Station. "Die Fähigkeit, Karten des gesamten Himmels innerhalb von Sekunden messen zu können, ist einzigartig und stellt einen gewaltigen Fortschritt dar gegenüber vorhandenen Radioteleskopen, die oftmals Wochen oder gar Monate benötigen, um eine Karte des gesamten Himmels zu erstellen." Das Verfahren eröffnet aufregende Perspektiven zur Entdeckung und Untersuchung von sehr schnell veränderlichen Phänomenen im Universum.

LOFAR, das "LOw Frequency ARray", ist ein neuartiges Radioteleskop-Netzwerk mit einzelnen Stationen, die über zahlreiche Länder Europas verteilt sind. Es arbeitet bei relativ niedrigen Radiofrequenzen, in einem Bereich zwischen 10 und 240 MHz. LOFAR benötigt keine beweglichen Teile mehr, um Objekte auf ihrer Bahn am Himmel zu verfolgen. Es wird vielmehr digitale Elektronik dazu benutzt, die aufgenommenen Signale zahlreicher kleiner Antennen derart miteinander zu kombinieren, dass es einer elektronischen Nachführung der Quelle am Himmel entspricht. In einem bestimmten Beobachtungsprogramm können die Signale von allen Einzelantennen auch zu Bildern des gesamten über dem Horizont sichtbaren Himmels verbunden werden.

Im Rahmen von LOFAR kommen zwei unterschiedlich konstruierte Antennentypen zum Einsatz, die zur Beobachtung in zwei verschiedenen Radio-Frequenzbändern optimiert sind, dem unteren Band ("low-band") von 10 bis 80 MHz und dem oberen Band ("high-band") von 110 bis 240 MHz. Kartierungen des gesamten Himmels im unteren Frequenzband wurden bereits im Jahr 2007 aufgenommen (vgl. Presseinformation "LOFAR kommt in Fahrt" vom 11. Dezember 2007).

Die Forscher haben zusätzlich zu diesem ersten Bild mit der LOFAR-Station Effelsberg bei 120 MHz eine ganze Reihe von Himmelsaufnahmen in unterschiedlichen Frequenzen erzeugt. Sie erstrecken sich über einen größeren Frequenzbereich im unteren und oberen Frequenzband von LOFAR und wurden zu einer Filmsequenz zusammengestellt (Abb. 1b). Die Bildserie beginnt bei einer Frequenz von 35 MHz, wobei das nächste Bild jeweils bei 4 MHz höherer Frequenz liegt, bis zu einer oberen Grenze von 190 MHz. Die Winkelauflösung des LOFAR-Teleskops Effelsberg ändert sich mit zunehmender Frequenz. Sie beträgt 10 Grad bei 35 MHz, und geht über 3,4 Grad bei 110 MHz bis zu 1,9 Grad bei 190 MHz (letzteres entspricht dem vierfachen Durchmesser des Vollmonds am Himmel). Die Filmsequenz zeigt diese Änderung sehr schön in der unterschiedlichen Ausdehnung der beiden hellen Strahlungsquellen Cygnus A und Cassiopeia A.

Wissenschaftler vom MPIfR und von anderen Forschungsinstituten in Europa werden solche Beobachtungen des gesamten Himmels dazu nutzen, die großräumige Verteilung interstellarer Materie in unserer Milchstraße zu untersuchen. Der niedrige Frequenzbereich, in dem LOFAR arbeitet, eignet sich ausgezeichnet zum Nachweis niederenergetischer Elektronen in der kosmischen Strahlung der Milchstraße, die über die Synchrotronstrahlung Stärke und Ausrichtung des Magnetfelds der Milchstraße widerspiegeln. Für eine Reihe von ausgedehnten Strukturen am Himmel, wie Supernova-Überreste, Sternentstehungsregionen und sogar einige nahegelegene Galaxien ermöglichen es die Messungen mit den Einzelantennen von individuellen LOFAR-Stationen, genauere Information über die großräumige Strahlungsverteilung in diesen Objekten zu erhalten. "Wir möchten die Fähigkeit von LOFAR, den gesamten Himmel sehr schnell abbilden zu können, dazu nutzen, nach sehr schnell veränderlichen Radioquellen, sogenannten "transients", zu suchen", sagt Michael Kramer, Direktor am MPIfR in Bonn. "Der Nachweis von weiteren Objekten dieser Art könnte zu aufregenden Entdeckungen von neuen Arten astronomischer Objekte führen, ähnlich wie bereits bei der Entdeckung der Pulsare und der Gammastrahl-Burster in den vergangenen Jahrzehnten."

"Der Himmel im Bereich niedriger Radiofrequenzen hat sich für unser Radio-Observatorium geöffnet und wir sind in Effelsberg jetzt in der Lage, in einem sehr weiten Frequenzbereich von 10 Megahertz bis 100 Gigahertz zu arbeiten", sagt Anton Zensus, ebenfalls Direktor am MPIfR. "Insgesamt können wir damit vier Größenordnungen des elektromagnetischen Spektrums erfassen.

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