Rotation der Milchstraße
Veränderliche Sterne ermöglichen die genaue Bestimmung des Rotationsverhaltens unserer Galaxis
Einer Gruppe von Astrophysikern unter der Leitung von Nicolas Nardetto vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie ist es gelungen, durch extrem genaue spektroskopische Messungen mit dem HARPS-Empfänger der Europäischen Südsternwarte ESO die kinematische Struktur der Milchstraße aus den Cepheiden-Daten abzuleiten und zu zeigen, dass die Rotation der Milchstraße einfacher darzustellen ist als zuvor erwartet. Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Astronomy & Astrophysics" veröffentlicht.
![Künstlerische Darstellung der Umgebung unserer Sonne innerhalb der Milchstraße. Die Abbildung zeigt den lokalen Spiralarm (Orion-Arm) und seine beiden Nachbarn, den Perseus- und den Sagittarius-Spiralarm. Die Positionen einer Reihe von bekannten Sternen in der Nachbarschaft der Sonne sind in der Karte angegeben (weiße Punkte). Die blauen Punkte markieren die Positionen der acht Cepheiden, die für die vorliegende Untersuchung ausgewertet wurden.](/4035360/original-1518434488.jpg?t=eyJ3aWR0aCI6MjQ2LCJvYmpfaWQiOjQwMzUzNjB9--73ec2ba7536de4b003bd574e24568b47c423244b)
Die Untersuchung der Bewegung von Cepheiden innerhalb unserer Milchstraße hat zu kontroversen Ergebnissen geführt. Das geht zurück bis auf Shapleys Entdeckung des Zentrums der Milchstraße und der Position der Sonne relativ zum Galaktischen Zentrum, sowie Hubbles Entdeckung der Expansion des Universums. Die Beobachtungsergebnisse liessen in der Tat darauf schließen, dass Cepheiden in der Milchstraße mit einer systematischen Geschwindigkeit von ca. 2 km/s in Richtung Sonne fallen.
Das hat zu einer Auseinandersetzung über mehrere Jahrzehnte geführt, ob dieses Phänomen tatsächlich auf eine räumliche Bewegung der Sterne zurückzuführen sei und damit auf eine äusserst komplizierte kinematische Struktur der Milchstraße, oder aber ob es von den Cepheiden selbst herrührte, nämlich von einer dynamischen Struktur in der Atmosphäre dieser veränderlichen Sterne.
Erst jetzt wird es möglich, durch neue Beobachtungen von acht Cepheiden in der Milchstraße (siehe Abb. 1) mit dem extrem genauen HARPS-Spektrographen (der ursprünglich für die Entdeckung von extrasolaren Planeten zum Einsatz kam) klar zu belegen, dass dieses Phänomen (der sogenannte "K-Term" bei Cepheiden) auf besondere Eigenschaften dieser Sternklasse zurückzuführen ist.
![Der HARPS (High Accuracy Radial velocity Planet Searcher) Spektrograph der ESO während Labortests. Der Vakuumtank ist offen; damit werden einige der Präzisionskomponenten im Inneren des Spektrographs sichtbar. Das Dispersionsgitter zur Zerlegung des einfallenden Sternlichts befindet sich oben auf der Werkbank; es hat eine Größe von 200 x 800 mm.](/4035374/original-1518434489.jpg?t=eyJ3aWR0aCI6MjQ2LCJvYmpfaWQiOjQwMzUzNzR9--32a6c7eb5380641e41c464edc436dc694636b859)
Nicolas Nardetto und seine Kollegen haben nun herausgefunden, dass die systematischen Geschwindigkeiten in Richtung Sonne in direktem Zusammenhang stehen mit der chemischen Substanz, über deren Spektrallinien die Radialgeschwindigkeiten der Cepheiden bestimmt wurden. Die beobachtete Strahlung unterschiedlicher Atome oder Moleküle lässt sich letztendlich auf unterschiedliche Regionen in der pulsierenden Atmosphäre des veränderlichen Sterns zurückführen. Dadurch wird es zum ersten Mal möglich, "physikalisch kalibrierte" Bewegungen von Cepheiden in der Milchstraße zu erhalten. Das löst das Problem mit den "systematischen Geschwindigkeiten"; veallgemeinert auf alle Cepheiden lässt sich die Bewegung der Milchstraße wesentlich einfacher als vorher als axisymmetrische Rotation erklären.
"Damit kann ein jahrzehntelanges Rätsel in der Astronomie nun endgültig gelöst werden", sagt Nicolas Nardetto.