Riesenradioteleskop entsteht im Herzen Europas

Finanzierung des digitalen Radioteleskops LOFAR gesichert / 25.000 über ultraschnelles Internet verbundene Sensoren ermöglichen Suche nach den Anfängen des Universums

1. Dezember 2003

50 Millionen Euro für den Bau des digitalen Radioteleskops LOFAR Low Frequency Array) im Norden Mitteleuropas erhält ein internationales Konsortium unter Führung des holländischen Instituts ASTRON in Dwingeloo, hat das holländische Kabinett in seiner Sitzung am 28. November 2003 beschlossen. Damit ist die Finanzierung für wesentliche Teile des kreisförmigen "Riesenauges" gesichert, das ab 2004 im Norden Hollands gebaut wird und sich mit einem Durchmesser von 350 Kilometer bis nach Deutschland ausdehnen soll. Das Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn ist mit wesentlichen Vorarbeiten an der Entwicklung von Prototypen beteiligt. LOFAR ist ein revolutionäres Radioteleskop der nächsten Generation. Es besteht aus 25.000 einfachen Radiosensoren, die über ein ultraschnelles Internet mit einem zentralen Supercomputer verbunden sind. Das Teleskop kann in mehrere Richtungen gleichzeitig schauen und in Sekundenbruchteilen seine Sehrichtung beliebig ändern.

"Dies ist ein wichtiges Signal für die Zukunft der Radioastronomie in Europa und ein erster Schritt hin zu der nächsten Generation neuartiger Instrumente," sagt Dr. Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie und Mitglied im Leitungsgremium des internationalen Square-Kilometer-Array Projekts (SKA). "Radioastronomen aus der ganzen Welt arbeiten im Moment zusammen, um im nächsten Jahrzehnt gemeinsam über ein Teleskop mit der äquivalenten Sammelfläche eines Quadratkilometers zu verfügen - diesem Ziel sind wir nun ein schönes Stück näher."

Das LOFAR-Teleskop beruht auf der modernen "Phased-Array"-Technologie, die es erlaubt, ein vollständig steuerbares Teleskop komplett ohne bewegliche mechanische Teile zu erbauen. Das Teleskop besteht aus 25.000 einfachen Radioantennen (Dipolen), die - in 100 Stationen zusammengefasst - über eine kreisförmige Fläche mit 350 km Durchmesser verteilt sind. Die Antennen verfügen über digitale Radioempfänger, die über ein Internet-System der nächsten Generation (Internet 2) mit einer Bandbreite von 10 Terabit pro Sekunde die Weltraum-Signale an einen zentralen Superrechner in Echtzeit übertragen, wo sie dann ausgewertet werden. Der Aufbau dieses Hochgeschwindigkeitsnetz mit Datenraten weit jenseits des heutigen Internets ist zugleich von erheblicher Bedeutung für weitere wissenschaftliche und wirtschaftliche Anwendungen.

Wie ein gigantisches Fischauge hat das Teleskop dabei den gesamten Himmel im Blick. Das fertige Radiobild wird jedoch erst im Computer aus den Informationen der einzelnen Antennen erzeugt. Das virtuelle Teleskop im Rechner kann dadurch in mehrere Richtungen gleichzeitig schauen ("Multi-Beaming") und in Sekundenbruchteilen die Sehrichtung ändern. "Dieses Teleskop ist ein radikaler Bruch mit bisherigen Konzepten und gibt uns eine Flexibilität, die in der Astronomie ihresgleichen sucht," betont Professor Heino Falcke, "Senior Scientist LOFAR" bei ASTRON. "Damit erreichen wir eine um den Faktor 1000 höhere Empfindlichkeit und Sehschärfe im Vergleich zu allem, was bisher im Frequenzbereich von LOFAR möglich war - es wird viel Neues zu entdecken geben."

Der Frequenzbereich des Teleskops liegt bei langen Radiowellen zwischen 10 und 200 Megahertz. Dieser Bereich ist besonders interessant, weil man hier die Strahlung des Wasserstoffatoms aus dem frühen Universum beobachtet. Denn die bekannte "21 Zentimeter-Linie" des atomaren Wasserstoffs bei 1400 Megahertz wird durch die schnelle Expansion des frühen Universums um einen Faktor z=10-20 in den Frequenzbereich von LOFAR verschoben. Damit ist es möglich, die allererste Generation von Sternen und Schwarzen Löchern im Universum zu entdecken und das so genannte "Zeitalter der Reionisation" zu untersuchen. Dieses noch ziemlich unerforschte Zeitalter in der Geschichte des Universums markiert den historischen Übergang vom Chaos des Urknalls zu den ersten makroskopischen Objekten, also Planeten, Sternen, Galaxien, Schwarzen Löchern etc., die noch heute das Bild des Universums bestimmen. Weitere Forschungsthemen sind die Suche nach explodierenden Radioquellen, die Entwicklung von Galaxien und Schwarzen Löchern im gesamten Universum, das Studium der Sonne, des Sonnensystems und der Erdatmosphäre sowie die Suche nach hochenergetischen kosmischen Teilchen.

Projektträger für LOFAR ist das holländische Institut ASTRON, Betreiber des Radioobservatoriums Westerbork. Das Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn hat sich in Kooperation mit verschiedenen deutschen Hochschulinstituten im Rahmen des Projekts LOPES (Abkürzung für "LOfar PrototypE Station") an der Entwicklung und dem Test von Antennen-Prototypen beteiligt, die bei LOFAR verwendet werden sollen. Das Projekt LOPES, das am Max-Planck-Institut für Radioastronomie von Heino Falcke betreut wird, wurde im Rahmen der Verbundforschung "Astroteilchenphysik" seit dem Jahr 2001 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Seit Sommer 2003 werden die ersten Prototyp-Antennen für LOFAR im Forschungszentrum Karlsruhe getestet und zeichnen dort die Radiostrahlung hochenergetischer kosmischer Teilchen in der Atmosphäre auf.

Zum LOPES-Konsortium gehören die Universität und das Forschungszentrum Karlsruhe, das Institut für Experimentalphysik der Universität Wuppertal, die KASCADE-Grande Kollaboration, das Radioastronomische Institut der Universität Bonn, das Astronomische Institut der Universität Bochum und das I. Physikalische Institut der Universität Köln. Weitere an LOFAR beteiligte deutsche Gruppen sind die International University Bremen und der Bereich Solare Radioastronomie am Astrophysikalischen Institut Potsdam.

"Dies ist auch ein gelungenes Stück deutsch-niederländischer Zusammenarbeit", freut sich Eugene de Geus, Generaldirektor von ASTRON. "Wir profitieren von der Erfahrung und dem Engagement der deutschen Radioastronomen und gemeinsam werden wir das Teleskop wissenschaftlich ausnutzen."

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