Der Schatten eines Schwarzen Lochs
Astronomen wollen den "Ereignishorizont" des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße sichtbar machen
Kann man ein Schwarzes Loch sehen? Ja, lautet die überraschende Antwort von Astrophysikern vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (Bonn), der Johns Hopkins Universität (Baltimore), und der University of Arizona (Tucson).
Ein neues "Computer-Photo" des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße zeigt einen dunklen Schatten, der fünf mal größer ist als gemeinhin erwartet - so groß, daß man ihn sogar mit einem Verbund von erdgebundenen Radioteleskopen beobachten könnte. Damit wäre ein echtes Photo eines Schwarzen Lochs keine Utopie mehr.
Die entsprechende Arbeit der Wissenschaftler wird in der ersten Ausgabe des neuen Jahrtausends in der renommierten Fachzeitschrift "Astrophysical Journal Letters" erscheinen. Sie beschreibt, wie die Weiterentwicklung bereits vorhandener astronomischer Beobachtungsmethoden es Astronomen bald erlauben könnte, die verworrenen Wege von Photonen zu verfolgen, die nur um Haaresbreite den Fängen eines Schwarzen Lochs entkommen sind.
Den Rechnungen eines Computermodells zufolge, das auf Einsteins Relativitätstheorie beruht, sollten diese neuen Beobachtungen einen kreisförmigen Schatten zeigen - die erstmalige Aufnahme des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs. Der Ereignishorizont erscheint dabei erheblich vergrößert, weil das Schwarze Loch auf sich selbst als Gravitationslinse wirkt.
Der Ereignishorizont ist das charakteristische Zeichen von Schwarzen Löchern -- eine sie umgebende ultimative Grenze, von der aus selbst Licht nicht mehr entkommen kann und von der immensen Schwerkraft festgehalten wird.
"Unabhängig von der Struktur der Umgebung des Schwarzen Lochs, die wir in unseren Rechnungen ausprobiert haben, haben wir den Schatten in unseren simulierten Bildern gesehen", sagt Eric Agol, Wissenschaftler von der Johns Hopkins Universität und Ko-Autor der Arbeit. "Die Veröffentlichung ist unser Beitrag, das Interesse der Astronomen an der Durchführung solcher Beobachtungen zu wecken, die sehr aufregende Ergebnisse bringen werden."
Agol mahnt allerdings zur Vorsicht, da das emittierende Gas in der Nähe des Schwarzen Lochs die zu beobachtende Radiostrahlung auch absorbieren könnte -- ein Effekt, der in den Rechnungen nicht berücksichtigt wurde. Das kann aber dadurch umgangen werden, daß man bei noch kürzeren Wellenlängen beobachtet, wo das Plasma auf jeden Fall transparent und der Schatten sichtbar werden sollte. "Das würde es schwieriger machen, diesen Effekt von der Erde aus zu beobachten, aber es sollte eigentlich immer aus dem Weltraum heraus möglich sein" sagt Agol und weist darauf hin, daß die Erdatmossphäre einen Teil der Strahlung bei kürzeren Wellenlängen absorbiert.
Bislang haben Wissenschaftler Schwarze Löcher nur indirekt nachgewiesen, indem sie ihren Einfluß auf die Umlaufbahnen naher Sterne nachwiesen oder helle Strahlung von Gas beobachteten, das offensichtlich gerade in das Schwarze Loch gesogen wurde.
Astronomen haben diese Effekte in den Zentren anderer Galaxien schon länger beobachtet. Das Zentrum unserer Milchstraße ist allerdings für das menschliche Auge unsichtbar, weil zuviel interstellarer Staub in der Milchstraße uns die Sicht versperrt. Strahlung bei längeren Wellenlängen, im Infrarot- und Radiobereich, erreicht uns allerdings relativ ungestört.
"In Sagittarius A-Stern [geschrieben: Sagittarius A*], einem Punkt im Herzen unserer Milchstraße, haben Radioastronomen eine ultra-kompakte Radioquelle gefunden -- wahrscheinlich ionisiertes Gas in direkter Nähe des Schwarzen Lochs." sagt Heino Falcke, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut und erster Autor der Arbeit. "Infrarot-Beobachtungen der selben Gegend zeigen Sterne, die von einer enormen Masse in der Nähe von Sagittarius A-Stern herumgewirbelt werden. Das ist zur Zeit der beste Hinweis auf ein Schwarzes Loch, den wir haben, aber noch kein endgültiger Beweis."
Um noch tiefer in die Struktur der Radioquelle in diesem Gebiet hineinzusehen, haben Wissenschaftler die sogenannte Radiointerferometrie mit langen Basislängen benutzt (VLBI; engl.: Very Long Baseline Interferometry). Durch Zusammenschaltung verschiedener Teleskope können sie Bilder mit wesentlich größerem Detailreichtum und höherer Auflösung erzielen, als mit einzelnen Radioteleskopen.
"Die Auflösung ist dann so groß wie die eines Teleskops mit einem Durchmesser, der dem Abstand der Einzelteleskope entspricht. Im Extremfall kann man sogar den Durchmesser der Erde erreichen" sagt Falcke.
Die Astronomen am Max-Planck-Institut für Radioastronomie arbeiten daran, VLBI auch bei kürzeren Wellenlängen möglich zu machen, die sogenannte Millimeter-VLBI-Technik. Durch die Verkürzung der Wellenlängen und die dadurch bedingte Vergrößerung der Auflösung sind die Wissenschaftler offensichtlich schon nahe an der Auflösung, die für die Beobachtung des Schattens eines Schwarzen Lochs erforderlich ist.
"Ich glaube wir haben gar nicht richtig realisiert, wie nahe wir mit dieser Technik schon am Schatten des Schwarzen Lochs sind" sagt Falcke. "Mit der heutigen Auflösung könnten wir in der Entfernung von Los Angeles schon eine Radioquelle mit der Größe eines Senfkorns von Bonn aus sehen. Jetzt wollen wir noch einen Schritt weitergehen und ein Loch in diesem Senfkorn entdecken."
"Die notwendigen Verbesserungen, um diese Vorhersagen zu testen, sind durchaus im Bereich des Machbaren und könnten schon in einigen Jahren erreicht werden" sagt Anton Zensus, Direktor des Max-Planck-Institutes für Radioastronomie in Bonn und Leiter der VLBI-Gruppe.
Für ihre Arbeit haben die Autoren die für Sagittarius A* zur Verfügung stehenden Daten genommen und sie in ihr Computerprogramm, ein sogenanntes "Ray-Tracing-Programm", gefüttert. Die wichtigsten Parameter sind dabei die Masse und die Rotation des Schwarzen Lochs. Das Programm verfolgt dann die Bahnen einzelner Photonen durch den vom Schwarzen Loch gekrümmten Raum.
"Man kann sich das so vorstellen, das man den Weg jedes Photons, welches in der Nähe des Schwarzen Loch ausgesandt wird, bis zum Beobachter zurück verfolgt." erklärt Fulvio Melia, Astrophysiker an der University of Arizona und Ko-Autor der Arbeit. "Das Programm berechnet dann den Effekt, den das Schwarze Loch auf die Bahn und die Wellenlänge der Photonen hat. Diese Effekte sind durch Einstein's Relativitätstheorie bereits sehr präzise vorhergesagt worden."
"Eine ähnliche, aber erheblich simplere Rechung hatte schon der Physiker James Bardeen in den 70er Jahren gemacht" sagt Agol. "Zu dieser Zeit hatten wir aber noch kaum Informationen über das Galaktischen Zentrum und diese Arbeit wurde als reine theoretische Spielerei angesehen."
Unter Berücksichtigung der heute erreichbaren Auflösung bei kurzen Radiowellen zeigen die neuen Rechnungen in der Tat eine charakteristische Struktur in der Strahlung von Sagittarius A*: einen kreisförmigen Schatten.
"Mit der Zusammenarbeit von Observatorien und der weiteren Entwicklung von Millimeter-VLBI sollte es uns bald gelingen, den echten Schatten eines Schwarzen Lochs zu sehen. Das wäre der endgültige Beweis, das Schwarze Löcher und ihre Ereignishorizonte existieren." sagt Falcke.
Er gibt zu, das die verfügbare Beobachtungszeit an Radioteleskopen hart umkämpft ist und das ein solches Experiment einen gehörigen Einsatz von Mitteln und Arbeit erfordert, aber wegen des möglichen Quantensprungs im Verständnis des Universums, sind er und seine Ko-Autoren davon überzeugt, das es die Mühe wert ist.
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Die Arbeit wurde unterstützt durch Gelder der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der NASA, der National Science Foundation in den USA und durch eine Sir Thomas Lyle Fellowship (F. Melia).