Professor Dr. Karl Martin Menten
03. Oktober 1957 — 30. Dezember 2024
Am 30. Dezember 2024 verstarb im Alter von 67 Jahren Professor Dr. Karl Martin Menten, Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.
Karl Mentens Forschungen erstreckten sich auf ein breites Spektrum astrophysikalischer Themen, von der Geburt der Sterne bis zum Ende ihrer Entwicklung, von der Sternentstehung in der Milchstraße bis zum frühen Universum. Zu Beginn seiner Karriere entdeckte er einen weit verbreiteten Methanol-Maser-Übergang, den hellsten seiner Art, der seither als Wegweiser für die frühen Stadien der massiven Sternentstehung, aber auch als Werkzeug für die hochpräzise Astrometrie verwendet wird.
Karl Menten studierte Physik und Astronomie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn und promovierte 1987 mit einer Arbeit über „Interstellares Methanol in galaktischen HII-Regionen“. Er arbeitete als Postdoktorand am Harvard College Observatory des Harvard-Smithsonian Centers for Astrophysics (CfA), Cambridge, MA, USA, später als Radioastronom und Senior-Radioastronom am Smithsonian Astrophysical Observatory, bevor er im Jahr 1996 zum wissenschaftlichen Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und Direktor für Millimeter- und Submillimeter-Astronomie am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn berufen wurde.
Erste Highlights in Mentens wissenschaftlicher Karriere waren zwei Forschungsprojekte bereits während seiner Postdoc-Zeit. Er war federführend bei der Entdeckung von sieben Submillimeter-Wasserdampf-Maserübergängen, einschließlich der Linien von Isotopen, die in fünf bahnbrechenden Arbeiten dokumentiert wurden. Diese Entdeckungen eröffneten das Feld der Submillimeter-Maserastronomie und brachten das theoretische Verständnis der Strahlungsübertragung in solchen Umgebungen voran.
Seine Entdeckung des 6,7-GHz-Methanol-Masers ist nach wie vor einer der bedeutendsten Durchbrüche in der Molekularastronomie. Methanolmaser, die sehr hell und in massereichen Sternentstehungsgebieten weit verbreitet sind, sind von entscheidender Bedeutung für die Identifizierung massereicher junger stellarer Objekte und die Durchführung hochpräziser Astrometrie. Mentens VLBI-Aufnahmen enthüllten ihre zentrale Rolle bei der Untersuchung der galaktischen Struktur und Dynamik.
Im Jahr 2010 war Karl Menten zusammen mit Mark Reid Mitbegründer des Bar and Spiral Structure Legacy (BeSSeL)-Durchmusterungsprojekts, bei der über 150 Methanol-Maser-Quellen mit trigonometrischen Parallaxen mit einer Genauigkeit von ±10 Mikrobogensekunden kartiert wurden. BeSSeL bestätigte die vierarmige Spiralstruktur der Milchstraße, präzisierte die Entfernung der Sonne vom galaktischen Zentrum auf 8,15 kpc und bestimmte die Rotationsgeschwindigkeit der Galaxie auf 236 km/s. Diese Arbeit übertraf die Möglichkeiten von Gaia in der galaktischen Ebene und trug zur Verfeinerung der Messungen des Orbitalzerfalls des Hulse-Taylor-Doppelpulsars bei.
Seine Beiträge zur Erforschung des galaktischen Zentrums waren ebenso wegweisend. Er entwickelte ein Kalibrierungsschema, das Radio- und Infrarotbilder mit einer Genauigkeit von Milliardstelsekunden unter Verwendung der Radiointerferometrie verbindet. Dieses Schema wurde bei der Interpretation der mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Beobachtungen der Sternbahnen um Sgr A* durch Genzel und Ghez verwendet.
Als Direktor des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie setzte sich Karl Menten für die Millimeter- und Submillimeterastronomie ein und trieb den Bau des Atacama Pathfinder Experiments (APEX) voran, das bisher mehr als 1000 von Experten begutachtete Veröffentlichungen hervorgebracht hat. Er sicherte auch die europäische Beteiligung am Radiointerferometer ALMA, das die Untersuchungen von Molekular- und Staubemissionen in Galaxien revolutionierte und unser Verständnis von Sternentstehung und Galaxienentwicklung über einen kosmischen Zeitraum hinweg prägte.
Wichtige Beiträge zur Astrochemie leistete er durch die Beobachtungen und Erstentdeckungen einer Vielzahl von Hydriden, den einfachsten Bausteinen interstellarer Molekülchemie. Neben APEX trieb er für diese Studien auch den Bau von Instrumenten am Herschel Space Observatory und dem „Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy“ (SOFIA) voran.
Außerdem führte er eine lange Bonner Tradition von Himmelsdurchmusterungen fort: Die Beobachtungen von kaltem Staub und Molekülen in der Milchstraße mit APEX erlaubten eine vollständige Zählung und Charakterisierung der massereichen Sternentstehungsgebiete und der sie umgebenden Molekülwolken. Durch die Kombination des Radioteleskops Effelsberg und des Very Large Array in New Mexico konnte zusätzlich das heiße, von neu entstandenen Sternen ionisierte Gas in diesen Wolken, sowie die Maseremission von Protosternen kartiert werden.
Zu Mentens Beiträgen zur stellaren Astrophysik gehören die Bestimmung der Entfernung des Orionnebels und die Untersuchung roter Riesen mit Maseremission in der Nähe des galaktischen Zentrums, wodurch das Wissen über den stellaren Massenverlust und die Anreicherung des interstellaren Mediums erweitert werden konnte.
Durch die Zusammenführung von Beobachtungen, theoretischen und technologischen Fortschritten hat Karl Menten eine ganze Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern inspiriert und die Radioastronomie neu belebt. Seine wissenschaftlichen Leistungen machten ihn zu einer herausragenden Persönlichkeit der modernen Astronomie.
Kondolenzschreiben können an condolence-Karl-Menten@mpifr.de gesendet werden.
Das Direktorium des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie
Michael Kramer
Amélie Saintonge
J. Anton Zensus