„Das 100-Meter-Teleskop ist besser als je zuvor“

Ein Gespräch mit Michael Kramer über den wissenschaftlichen Wert der Anlage in Effelsberg

3. Mai 2011
Seit nunmehr vier Jahrzehnten bestimmt eine weiße Schüssel das Bild der Landschaft um das Dorf Effelsberg in der Eifel. Am 12. Mai 1971 wurde dort das 100-Meter-Teleskop des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie eingeweiht. Damals wie heute beeindruckt die viele Jahre lang größte vollbewegliche Radioantenne der Welt mit ihren schieren Dimensionen. Aber auch in wissenschaftlicher Hinsicht hat das Präzisionsinstrument Beachtliches geleistet. Wir sprachen mit Michael Kramer, einem der vier Institutsdirektoren, über Vergangenheit und Zukunft der Anlage.

Wie machen Sie die Anlage fit für die Zukunft?

Wie bisher würden wir gerne die Empfindlichkeit des Teleskops weiter erhöhen, aber es zu vergrößern ist fast unmöglich oder sehr teuer. In der Vergangenheit hat man deshalb konstant versucht, die Verstärker unserer Empfangselektronik zu verbessern. Aber selbst hier sind unsere Ingenieure am Rande dessen, was die Quantenmechanik erlaubt. Daher bleiben zwei Möglichkeiten: das Vergrößern des gleichzeitig gemessenen Frequenzbereichs oder des beobachteten Himmelsabschnitts. Dank modernster Elektronik und Digitaltechnik ist beides in den vergangenen Jahren in nie gekannter Weise möglich geworden. Wir arbeiten daher an sehr breitbandigen Empfängern und Systemen, die das Gesichtsfeld um einen Faktor zehn oder mehr vergrößern. Damit können wir dann nicht nur den Himmel schneller absuchen, sondern wir können es uns auch erlauben, länger zu belichten.

 

Wo liegt Ihrer Meinung nach die Zukunft der beobachtenden Radioastronomie?

Bei den hohen Radiofrequenzen stellt eindeutig das neue Teleskop ALMA in Chile die Zukunft dar. Bei den niedrigeren Frequenzen, die Effelsberg abdeckt, liegt die  Zukunft ganz  klar in der Kombination von hoher Durchmusterungsgeschwindigkeit mit großer Empfindlichkeit.  Wie angedeutet, spielt das 100-Meter-Teleskop hier eine wichtige Rolle. Langfristig sind die Ambitionen aber noch sehr viel größer! So soll in rund 15 Jahren ein Radioteleskop auf der Südhalbkugel betrieben werden, das die Empfangsfläche von Effelsberg um einen Faktor 100 übersteigt! Da wir kein einzelnes so großes Teleskop bauen können, wird es aus einem Netzwerk kleinerer Teleskope synthetisiert, die elektronisch verbunden sind. Dieses Square Kilometer Array hat nicht nur eine hundertfach bessere Empfindlichkeit, sondern auch eine Durchmusterungsgeschwindigkeit, die 10000- bis 100000-mal größer ist, als die bestehender Teleskope. Was mit einem solchen Teleskop möglich ist, begeistert momentan schon Astronomen aus 20 verschiedenen Ländern.

 

Was treibt die Radioastronomie gegenwärtig um? Welche Rätsel gilt es zu lösen?

Aufgrund der Vielseitigkeit der möglichen Wissenschaft würden Sie auch hier von verschiedenen Kollegen unterschiedliche Antworten erhalten. Aber ich glaube, dass man mit mir übereinstimmt, wenn ich sage, dass wir zum einen verstehen wollen, wie komplizierte Moleküle, Sterne und Planeten entstehen. Zum anderen beschäftigen uns aber auch noch viel fundamentalere Fragen: Wie ist die Struktur im Kosmos entstanden, wie – und wann! – hat sich das Universum durch die Bildung erster Sterne und Galaxien verändert? Was ist die Dunkle Energie? Ist sie eine neue Naturkraft oder das Versagen von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie? Insbesondere diese letzte Frage treibt mich persönlich um. Und wir können erwarten, dass die Radioastronomie gerade hier, wie schon in der Vergangenheit, die entscheidenden Antworten liefern kann und wird.

 

Interview: Helmut Hornung

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