Europäischer Descartes-Preis für Pulsar-Forschung

2. Dezember 2005
Ein Konsortium europäischer Forschungsteams mit der Bezeichnung PULSE (Pulsar-Forschung in Europa) unter der Leitung von Professor Andrew Lyne von der Universität Manchester gehört zu den diesjährigen Gewinnern des renommierten Rene Descartes Forschungspreises der Europäischen Union. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) sind mit Beobachtungen am 100-m-Radioteleskop Effelsberg maßgeblich an diesen Forschungen beteiligt.

Der Descartes-Preis wird an Forschungsgruppen verliehen, die hervorragende wissenschaftliche und technologische Ergebnisse in länderübergreifender Zusammenarbeit erzielt haben. Der Preis für PULSE wurde für Forschungsarbeiten vergeben, die Pulsare als Laboratorien nutzen, um die extremsten physikalischen Bedingungen des Universums zu studieren und damit fundamentale Gesetze der Physik zu testen.

Ein Pulsar ist ein kleiner, sich sehr schnell drehender Neutronenstern mit starkem Magnetfeld. Pulsare entstehen beim heftigen Kollaps eines massereichen Sterns in einer Supernova-Explosion. Dabei wird der Kern des Riesensterns, der fast eine Million mal schwerer ist als die Erde, zu einem Gebilde von unglaublich hoher Dichte, aber nur noch ca. 20 Kilometer im Durchmesser. In ihrer schnellen Rotation senden Pulsare sehr energiereiche Radiowellen in Strahlungskegeln von ihren magnetischen Polen aus ab, die sich ähnlich wie Signale von Leuchttürmen in der Galaxis ausbreiten. Wenn dabei der Strahlungskegel die Erde trifft, zeichnen die irdischen Radioteleskope pulsierende Signale auf, die wiederum extrem genau gehenden Uhren entsprechen. Die Pulsperiode wird dabei durch die Rotationsgeschwindigkeit des Pulsars festgelegt; sie reicht von wenig mehr als einer Millisekunde bis zu mehreren Sekunden.

Die Kollaboration im PULSE Projekt erfolgt zwischen den Pulsargruppen am Jodrell Bank Radio-Observatorium der Universität Manchester, dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, ASTRON in den Niederlanden, dem INAF Observatorium in Cagliari (Italien) und der Universität von Thessaloniki (Griechenland).

Der Erfolg des PULSE-Projekts wurde erst ermöglicht durch die einzigartige Situation in Europa mit der größten Anzahl von Radioteleskopen und Teleskop-Anlagen der 100-m-Klasse, die zur Beobachtung von schwachen Pulsaren erforderlich sind. Dabei wurden die Radioteleskope in Jodrell Bank, Effelsberg, Westerbork und Bologna eingesetzt.

PULSE bzw. sein Vorläufer, das Europäische Pulsarnetzwerk oder EPN, wurde bereits im Jahr 1995 mit Forschungsgeldern der Europäischen Union gestartet. Das Ziel war die Schaffung eines Forschungsteams für ausgedehnte und systematische Projekte in der Pulsar-Forschung, Projekte, die die Kapazitäten und Ressourcen einzelner Gruppen übersteigen. Die Pulsarforschung hat am Max-Planck-Institut für Radioastronomie eine lange Tradition. Sie wurde bis zu dessen Emeritierung von Professor Richard Wielebinski geleitet; heute wird sie von Professor Anton Zensus betreut. Dabei spielen Beobachtungen und systematische Untersuchungen ("Pulsar Timing") mit dem 100-m-Radioteleskop eine eine wichtige Rolle. Professor Anton Zensus dazu: "Pulsare zählen zu den wichtigsten Instrumenten zur fundamentalen Überprüfung der Physik in starken Schwerefeldern, wo die Allgemeine Relativitätstheorie ihre Anwendung findet."

Die Pulsar-Gruppe in Manchester hat erst kürzlich in Zusammenarbeit mit australischen Kollegen die Entdeckung des ersten Doppelpulsars bekanntgeben können. Die Beobachtung dieses Systems von zwei einander umkreisenden Pulsaren ermöglicht ihnen dabei die bis jetzt präziseste Bestätigung für die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein - dessen Theorie der Gravitation in Ergänzung zu den früheren Erkenntnissen von Isaac Newton. Dr. Michael Kramer von der Universität Manchester ist begeistert: "Es ist schon außergewöhnlich, daß eine einzelne Klasse physikalischer Objekte hochpräzise Experimente in so vielen unterschiedlichen Bereichen der modernen und fundamentalen Physik ermöglicht."

Die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit wird von Professor John Seiradakis von der Universität von Thessaloniki auf den Punkt gebracht: "Die Zusammenführung von Gruppen aus ganz Europa ermöglicht es uns, von gemeinsamer Instrumentierung und Software-Entwicklungen zu profitieren, von Erfahrungsaustausch und Trainingsmöglichkeiten für Studenten, und von der Koordination von Beobachtungsprogrammen."

PULSE hat zur Erstellung eines gemeinsamen Datenformats geführt, das einen leichteren Austausch der Ergebnisse von Pulsarbeobachtungen erlaubt. Die Grundlagen dieses Datenformats wurden in Bonn erstellt. Im Rahmen von PULSE entwickelte Hardware und Software ermöglicht die simultane Beobachtung schwacher Pulsarsignale mit Radioteleskopen in ganz Europa. Dazu Dr. Axel Jessner vom MPIfR: "Die Experimente sind sehr schwierig und erfordern die größten und damit empfindlichsten Radioteleskope weltweit. Die Energie, die wir mit einem unserer Teleskope während der gesamten Lebensdauer des Universums aufnehmen könnten, würde gerade mal ausreichen, eine Taschenlampe für eine Sekunde brennen zu lassen."

Im Rahmen von PULSE wurden einzigartige Experimente zum Verständnis von Pulsaren konzipiert und durchgeführt. Zehn Jahre nach Beginn des Projekts sind die Teams weltweit führend in der Pulsarforschung. Ihre Ergebnisse umfassen ein weites Feld, nicht nur in der Untersuchung extremer physikalischer Zustände in den Pulsaren selbst, sondern auch in der Nutzung des Pulsar-Signals als Meßsonde zur Untersuchung des zwischen Pulsar und Erde liegenden Materials in unserer Milchstraße.

Professor Andrew Lyne unterstreicht die Bedeutung der Zusammenarbeit: "Unsere Forschungsarbeit vermehrt das Wissen der Menschheit in Bezug auf einige fundamentale Gesetze zum Verständnis des Universums. Die Ergebnisse sind nicht nur von Bedeutung für die Wissenschaftler unserer Generation. Sie helfen auch, das Interesse junger Leute für Astronomie, Physik und Forschung allgemein zu wecken, die wiederum eine wichtige Grundlage bilden für eine Gesellschaft, die zunehmend von wissenschaftlichem und technologischem Fortschritt abhängt".

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