50 Jahre im Dienst der Forschung – das 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg feiert Geburtstag
Forschungsbericht (importiert) 2021 - Max-Planck-Institut für Radioastronomie
Im Jahr 2021 jährte sich der Tag der Einweihung des 100-Meter-Radioteleskops des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie zum fünfzigsten Mal. Am 12. Mai 1971 wurde das Teleskop nach nur dreieinhalbjähriger Bauzeit feierlich eröffnet. Das in einem Eifeltal gelegene Teleskop ist das größte freibewegliche Radioteleskop in Europa und neben dem nur wenige Meter größeren Green-Bank-Teleskop in den USA das zweitgrößte der Welt.
Bei der Konstruktion der Antenne wurde technisches Neuland betreten. Um Verformungen des Hauptspiegels bei Bewegungen – und damit einen Verlust an Empfindlichkeit – zu vermeiden, wurde ein spezielles Design gewählt, das man heute als homologe Verformung bezeichnet. Es führt dazu, dass der Hauptspiegel beim Kippen gleichmäßig von einer Parabolform in eine andere überführt wird und damit die Empfindlichkeit nahezu konstant bleibt. Nicht zuletzt dieses Designmerkmal war es, das Beobachtungen bis zu sehr kurzen Wellenlängen erlaubt, die eine hohe Oberflächengenauigkeit erfordern. Mittlerweile werden regelmäßig Messungen bei 3,5 mm Wellenlänge durchgeführt – das ist fast zehn Mal kürzer als ursprünglich vorgesehen.
Nach einigen Tests war das Teleskop ein Jahr später vollständig einsatzbereit. Schon in den ersten Jahren erfolgten zahlreiche, bedeutende Beobachtungen. Dazu zählen die erstmalige Entdeckung des Wasser- und des Ammoniakmoleküls außerhalb unserer Milchstraße, die Beobachtungen von Pulsaren bei immer kürzeren Wellenlängen sowie die Kartierung des gesamten Himmels bei 70 cm Wellenlänge (zusammen mit den Antennen in Jodrell Bank, England, und Parkes, Australien) und der Milchstraßenebene bei 21 cm und 11 cm. Bereits in den 1970er Jahren war das Teleskop an Beobachtungen im internationalen Verbund von Radioteleskopen (VLBI, Very Long Baseline Interferometrie) beteiligt (für einen ausführlichen Überblick siehe [1]).
Auch nach 50 Jahren ist das Teleskop heute dank seiner zahlreichen kontinuierlichen Verbesserungen während der letzten Jahrzehnte leistungsfähiger als je zuvor. So wurden die Motoren und Getriebe erneuert, der Umlenkspiegel und die Paneele der Oberfläche ausgetauscht und 1996 sogar die Laufschiene ersetzt. Ebenso wurden Empfangssysteme und Rechner kontinuierlich auf dem aktuellen Stand der Technik gehalten. Ergänzt wird das Teleskop seit 2006 durch eine Station des europäischen Langwellen-Interferometers LOFAR (Abbildung 1).
Nach wie vor ist das 100-Meter-Teleskop ein bedeutender Bestandteil der wissenschaftlichen Aktivitäten des Instituts und wird für zahlreiche, wichtige Beobachtungen genutzt. Darüber hinaus können Forschende aus aller Welt Messzeit beantragen. Zurzeit wird etwa ein Drittel der Zeit von Externen genutzt. Im Gegenzug haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts Zugang zu anderen Teleskopen, auch auf der Südhalbkugel der Erde.
Zu den laufenden Großprojekten zählt beispielsweise die Durchmusterung eines großen Teils der Milchstraße im Wellenlängenbereich von 7,5 bis 3,5 cm (gemeinsam mit dem VLA). Die gleichzeitige Datenaufnahme der Kontinuumsemission, deren Polarisation sowie von ausgewählten Spektrallinien (Wasserstoff, Formaldehyd, Methanol) erlaubt wertvolle Rückschlüsse auf die physikalischen und chemischen Bedingungen in Sternentstehungsgebieten und im großräumig verteilten interstellaren Medium (Abbildung 2) [2].
Ein weiteres, langfristiges Projekt ist die Durchführung von Pulsar-Timing-Beobachtungen. Die regelmäßige Messung der Ankunftszeiten von Signalen dieser hochpräzisen, kosmischen „Uhren“ erlaubt sehr genaue Tests der allgemeinen Relativitätstheorie. Durch die Kombination langjähriger Beobachtungen zusammen mit anderen europäischen Teleskopen (EPTA, European Pulsar Timing Array) gelang vor kurzem der erste Hinweis auf Verzerrungen der Raumzeit durch den Gravitationswellenhintergrund, also der Signale von sich eng umkreisenden supermassereichen Schwarzen Löchern [3].
Interferometrie-Beobachtungen, mit der die höchsten Winkelauflösungen in der Astronomie erzielt werden, sind nach wie vor eines der Hauptarbeitsgebiete des Teleskops. Seit Jahren ist es ein wichtiges Element in einer Reihe von VLBI-Netzwerken. So konnte bei gemeinsamen Beobachtungen der aktiven Galaxie OJ287 mit dem Satellitenteleskop RadioAstron und dem GMVA-Netzwerk (Global mm-VLBI Array) eine Auflösung in der Größenordnung von nur 12 Mikrobogensekunden erzielt werden – das entspricht dem Durchmesser einer 20-Cent-Münze auf dem Mond. Deutlich ist der innere Bereich des vom Zentrum dieser Galaxie ausgehenden Plasmastrahls (Jet) zu sehen. Die nach innen zunehmende Krümmung des Jets deutet auf eine Präzession hin, möglicherweise verursacht durch ein Paar sich umkreisender, supermassereicher Schwarzer Löcher im Zentrum [4].
Auch wenn die geplanten Feierlichkeiten zum Jubiläum aufgrund der Corona-Pandemie sowie des Flutereignisses vom 14. Juli nicht stattfinden konnten, wurde der Geburtstag des Teleskops in vielfältiger Weise gewürdigt. So widmete die Post ihm eine eigene Briefmarke, zahlreiche Presse- und Fernsehberichte ehrten das Radio-Observatorium. Außerdem gab das Institut einen Bildband heraus.
Zurzeit wird die Modernisierung der Antriebssteuerung des Teleskops sowie die Digitalisierung der Empfangssysteme vorbereitet. Parallel dazu nehmen wir derzeit ein universelles, flexibles und skalierbares Datenerfassungssystem in Betrieb. Mit diesen Aktivitäten soll die Leistungsfähigkeit des Teleskops in den nächsten Jahren sichergestellt werden. Es ist zu erwarten, dass das 100-Meter-Radioteleskop in der Eifel auch in Zukunft noch wichtige Beiträge zur aktuellen Forschung liefern wird.