Der Sternentstehung auf der Spur




Wie die Sonne, die Sterne und die Erde entstanden sind, dafür interessiert sich die Menschheit seit Anbeginn. Doch erst seit wenigen Jahrzehnten gibt es darüber ernstzunehmende wissenschaftliche Vorhersagen. Jetzt endlich erscheint es möglich, Sterngeburten mit einer neuen Generation von astronomischen Instrumenten direkt zu beobachten.

Nur wenige geologische Überreste zeugen noch davon, wie unsere Erde und die anderen Planeten der Sonne vor etwa fünf Milliarden Jahren entstanden sind. Doch überall in unserer Milchstraße kondensieren noch heute Wolken von Staub und Gas zu Sternen und Planeten, wie übrigens schon der Philosoph Immanuel Kant vor 200 Jahren spekulierte.

Man sieht diese Wolken in einer klaren Nacht als dunkles Band, das den Sternenteppich der Milchstraße durchteilt: So dicht ist die Materie, aus denen sie sich zusammensetzen, daß sie für Sternlicht undurchsichtig sind. Sterngeburten finden tief im Innern dieser Dunkelwolken statt. Erst die Radioastronomie, deren Blütezeit nach dem Krieg begann, eröffnete ungekannte Möglichkeiten. Radiostrahlung durchleuchtet nämlich, im Gegensatz zum sichtbaren Licht, auch dichteste interstellare Wolken fast ungehindert, so wie Röntgenstrahlung den menschlichen Körper.

Diese Sternentstehungswolken sind dünner als ein irdisches Hochvakuum. Sie sind aber so riesig, daß ihre Masse ausreichen würde, um viele hundert Sterne entstehen zu lassen. Sie bestehen haupts„chlich aus Wasserstoffmolekülen. Da diese Wasserstoffmoleküle vom Erdboden aus nicht beobachtet werden können, behelfen sich die Astronomen, indem sie andere chemische Verbindungen beobachten, die den Wolken in geringen Spuren beigemischt sind.

So lassen sich beispielsweise mit dem Effelsberger Radioteleskop bei ganz bestimmten Frequenzen Radiostrahlen nachweisen, die von Ammoniak oder Methylalkohol ausgesandt werden. Aus der Intensität dieser Radiostrahlung können die Astronomen die Dichten und Temperaturen der Sternentstehungswolken errechnen, Eigenschaften, die man kennen muß, will man die physikalischen Prozesse verstehen, die in ihrem Inneren ablaufen.

Nach zwanzig Jahren der Erforschung dieser sogenannten Molekülwolken mit dem 100-m-Teleskop und anderen Instrumenten hat sich nun eine von vielen Wissenschaftlern akzeptierte Vorstellung über den Sternentstehungsprozeß herausgebildet.

Demnach bilden sich in den interstellaren Wasserwolken Gebiete erhöhter Dichte, die durch ihre eigene Schwerkraft zusammengezogen werden. In diesen Wolkenkernen befinden sich einige hunderttausend Wasserstoffmoleküle in jedem Kubikzentimeter. Magnetfelder, die den Raum zwischen den Sternen durchdringen, sorgen dafür, da die unvermeidliche Rotation dieser Kerne abgebremst wird. Irgendwann werden die Wolkenkerne so dicht, daß die Wärmestrahlung nicht mehr aus ihrem Inneren entweichen kann. Es entsteht ein Wärmestau: Der Wolkenkern wird heiáer und dichter bis schließlich dasselbe passiert wie in einer Wasserstoffbombe: Der Wasserstoff wird in Helium verwandelt, und plötzlich werden riesige Mengen von Energie abgegeben: ein Stern ist entstanden. Im Gegensatz zur Bombe explodiert der Stern allerdings nicht, sondern wird durch seine eigene Schwerkraft zusammengehalten.

Bei dieser Sternentstehung wird jedoch nicht alles Gas, das ursprünglich vorhanden war, aufgebraucht. Neugeborene Sterne machen sich Luft, indem sie einen Teil des übriggebliebenen Gases einfach nach entgegengesetzten Richtungen wegblasen. Der Rest sammelt sich in einer Scheibe aus Staub und Gas um den Stern. Aus dieser Scheibe können sich nun mit der Zeit Planeten bilden.


(Rainer Mauersberger, Copyright MPIfR 1996)

ur 3/2013

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