Das Flugzeugobservatorium SOFIA enthüllt Gasbewegungen im Lagunennebel
The airborne observatory SOFIA reveals gas kinematics in the Lagoon nebula
Zusammenfassung
Das Flugzeug-Observatorium SOFIA erlaubt astronomische Beobachtungen im Ferninfrarot-Bereich, der vom Boden aus nicht zugänglich ist. Hier befinden sich die wichtigsten Spektrallinien, die für das Kühlen des interstellaren Mediums verantwortlich sind. Unsere Gruppe hat mit dem upGREAT-Empfänger auf SOFIA die Feinstrukturlinie des ionisierten Kohlenstoffes im Lagunennebel gemessen. Hieraus lassen sich erstmals die Gasbewegungen in der unmittelbaren Umgebung des Nebels ermitteln.Summary
The airborne observatory SOFIA allows astronomical observations in the Far-Infrared, which is not accessible from the ground. It covers the most important cooling lines of the interstellar medium. Velocity-resolved observations of these lines are crucial for our understanding of the star formation process. Here we present observations of the ionized carbon finestructure line in the Lagoon Nebula, which for the first time reveals the gas motions in the immediate environment of the nebula.Das fliegende Observatorium SOFIA
In den frühen Entwicklungsstadien der Sternentstehung blockiert der kosmische Staub die von den werdenden Sternen emittierte optische und UV-Strahlung. Bei größeren Wellenlängen kann die Strahlung jedoch entweichen, und der so abgeführte Energieüberschuss ermöglicht überhaupt erst einen weiteren Kollaps der Wolkenkerne.
Moderne, hochempfindliche Empfänger sind imstande, mit Hilfe einer Spektralanalyse die beteiligten molekularen und atomaren Spezies nachzuweisen. Gleichzeitig können die Messungen mit einer so hohen spektralen Auflösung verarbeitet werden, dass sich die verschiedenen Geschwindigkeiten in einer interstellaren Wolke voneinander trennen lassen.
Die Beobachtung der frühen Stadien der Sternentwicklung stellt besondere Anforderungen an den Standort, an dem diese Instrumente eingesetzt werden: Der größte Anteil der Strahlung wird im fernen Infrarot emittiert, also in den vier bis fünf Oktaven des elektromagnetischen Spektrums, die sichtbares Licht und Mikrowellen voneinander trennen. Gerade in diesem Bereich wird die unterste Schicht der Erdatmosphäre undurchlässig, was den Einsatz von Satelliten oder Flugzeugobservatorien erfordert. Die weltweit einzigartige fliegende Sternwarte SOFIA (Stratosphärisches Observatorium für Infrarotastronomie, Abbildung 1) erlaubt es zudem, die Ausstattung ihrer Instrumente den jüngsten technischen Entwicklungen anzupassen.
Die Analyse der Strahlung
Zur Untersuchung der schwachen Strahlung werden spezielle Empfangssysteme entwickelt, deren Empfindlichkeit an der Grenze des heute technisch Machbaren liegen. Dabei werden supraleitende Mischer eingesetzt, die dicht am absoluten Temperaturnullpunkt betrieben werden, um das thermische Rauschen zu minimieren und die Empfangsempfindlichkeit zu erhöhen. Durch diese Mischer kann die empfangene Höchstfrequenzstrahlung in einen Frequenzbereich herunter gemischt werden, der sich dann besser verstärken und verarbeiten lässt.
Zudem kommen am MPIfR Bonn entwickelte Digitale Fast Fourier Transform Spektrometer (FFTS) zum Einsatz, die analoge Signale extrem schnell in einen digitalen Datenstrom umwandeln. Ein solches FFTS arbeitet an dem neuen upGREAT-Empfänger in SOFIA. Dieser Empfänger wurde von einem Konsortium des MPIfR, der Universität zu Köln und dem DLR-Institut für Planetenforschung gebaut. Das FFTS generiert mehr als 250 GB an Daten pro Sekunde – genug um eine 1-TB-Festplatte in nur vier Sekunden zu füllen. Weil diese Datenmenge kaum zu handhaben ist, werden bei den FFTS komplexe Logikchips (FPGAs) eingesetzt, um die Datenströme in integrierte Spektren zu transformieren, wodurch sich die Datenmenge erheblich reduzieren lässt. Algorithmisch kommt dabei eine spezielle Form der Fouriertransformationen zum Einsatz. Bei cleverer Programmierung der FPGAs kann ein einzelner Chip heute mehr Fouriertransformationen rechnen als viele PCs zusammen.
Der Lagunennebel: Gasbewegungen enthüllt
Der eindrucksvolle Lagunennebel, auch Messier 8 genannt, gehört zu den hellsten, ionisierten Gebieten am Himmel. In ihm ionisieren junge, massereiche Sterne den Wasserstoff der sie umgebenden, dichten Molekülwolke, aus der sie ursprünglich entstanden sind. Der hellste Stern ist Herschel 36, der im Herzen des Lagunennebels für die Ionisation des hellen Uhrenglas-Nebels verantwortlich ist (Abbildung 2).
Die starke Strahlung im Ultraviolett und Fern-Ultraviolett der massereichen Sterne erzeugt nicht nur helle Nebel aus vorwiegend ionisiertem Wasserstoff, sondern verändert auch erheblich die physikalischen und chemischen Bedingungen in den Molekülwolken ihrer Umgebung. Die Fern-Ultraviolettstrahlung dringt weit in diese Wolken ein, heizt sie auf und photodissoziiert dort Moleküle. Weiterhin wird an den Oberflächen der Wolken auch Kohlenstoff ionisiert. Die Emission von sogenannten Feinstrukturlinien der erzeugten Atome (vorwiegend Sauerstoff) und Ionen (Kohlenstoff) ist hauptsächlich für die Kühlung dieser Wolken verantwortlich.
Da ein großer Teil des molekularen Gases im interstellaren Medium durch die Fern-Ultraviolettstrahlung umgebender Sterne beeinflusst wird, ist das Verständnis dieses Kühlprozesses und die Analyse der Feinstrukturlinien dieser Wolken von großer Bedeutung. Das gilt letztlich auch für das Verständnis von Galaxien im frühen Universum, in denen in den letzten Jahren starke Emission der Feinstrukturlinie des ionisierten Kohlenstoffs mit hohen Rotverschiebungen mit Teleskopen wie APEX und ALMA nachgewiesen worden ist. Diese Linie liegt bei einer Wellenlänge von 158 Mikrometern.
Die Ergebnisse von Beobachtungen der Kohlenstoff-Feinstrukturlinie zeigt Abbildung 2. Die stärkste Emission geht vom Uhrenglasnebel in der unmittelbaren Umgebung des Sterns Herschel 36 aus. Auch die Oberfläche der Molekülwolke an der Rückseite des ionisierten Gebietes strahlt hell in der 158-μm-Linie.
Dank der hohen spektralen Auflösung der FFT-Spektrometer lassen sich nun in der Linie unterschiedliche Geschwindigkeitskomponenten differenzieren. In unsere Richtung, daher mit geringerer Geschwindigkeit, leuchtet in der 158-μm- Linie das im optischen dunkle Material des Schleiers im Vordergrund der Wolke. Er gibt auch dem Uhrenglasnebel seine charakteristische Form. Das Hintergrundgas hingegen bewegt sich von uns weg.
Diese Beobachtungen erlauben detaillierte Studien der Wechselwirkung neu entstandener Sterne mit der Molekülwolke, in der sie ursprünglich entstanden sind.