Forschungsbericht aus dem Jahrbuch 2017

Radioblitze aus der Tiefe des Weltalls

Radio bursts from deep space

Autoren
Spitler, Laura
Abteilungen

Zusammenfassung

Seit zehn Jahren entdecken Radioastronomen immer wieder flüchtige, starke Blitze von Radiowellen, ausgesandt von unbekannten astronomischen Quellen außerhalb unserer eigenen Galaxie. Die Entdeckung dieser sogenannten schnellen Radioblitze, oder FRBs gemäß der Abkürzung im Englischen, hat vor allem deshalb für große Aufregung gesorgt, da die geschätzte Entfernung der FRBs 100 Millionen bis einige Milliarden Lichtjahre beträgt. Es ist ein astrophysikalisches Rätsel, was für eine Quelle einen so starken Radioblitz erzeugen kann.

Summary

For the last 10 years radio astronomers have been detecting short-duration, strong bursts of radio waves from unknown astronomical sources outside our own Galaxy. The discovery of these fast radio bursts (FRBs) sparked a lot of interest, because the estimated distances to the FRBs is 100s of millions to billions of light years. It is an astrophysical puzzle how radio bursts of such intensity can be produced.

Achtzehn schnelle Radioblitze (fast radio bursts, FRBs) sind bisher bekannt (Abb. 1) und davon wurden 16 mit dem Parkes Radioteleskop (Abb. 2, rechts) in Australien gefunden. Mit Parkes hatten Astronomen den allerersten FRB entdeckt [1] und seine extragalaktische Herkunft bewiesen [2]. Obwohl die Population der FRBs noch relativ klein ist, zeigt sie schon eine Vielfalt an gemessenen Eigenschaften mit unterschiedlicher Polarisation, Zeitstruktur und unterschiedlichem Spektrum [3]. Die meisten FRBs sind einmalige Ereignisse, wo bisher nur ein Blitz pro Quelle gemessen worden ist. Im vergangenen Jahr wurde die einzige Ausnahme veröffentlicht, als von FRB 121102 ein Dutzend weitere Blitze gemessen werden konnten [4]. Diese Entdeckung hat wichtige Auswirkungen auf die Untersuchungen von FRBs. Forscher am Max-Planck-Institut für Radioastronomie sind seit fast zehn Jahren an der Untersuchung der FRBs maßgeblich beteiligt.

Es ist immer noch völlig unklar, was für astronomische Quellen die Ursache für FRBs sind und wie ein so starker Radioblitz physikalisch erzeugt werden kann, wenn FRBs tatsächlich von Quellen in Milliarden von Lichtjahren Entfernung stammen. Viele unterschiedliche Modelle für die eigentliche Quelle der FRBs wurden bisher vorgeschlagen, darunter extreme Beispiele von bekannten astronomischen Objekten, aber auch völlig neue astrophysikalische Prozesse. Aber all diese Modelle sagen klar voraus, ob nur ein Blitz erzeugt werden kann, oder ob mehrere zu erwarten sind. Zum Beispiel, wenn der Blitz in einem verheerenden Ereignis erzeugt wurde, das die Quelle zerstört, dann ist nur ein Blitz pro Quelle zu erwarten. Wenn aber der Blitz von einem seltenen, sich wiederholenden Prozess stammt, so könnten mit ausreichender Geduld weitere Blitze gemessen werden. Die Entdeckung von FRB 121102 war diesbezüglich besonders wichtig, weil er all jene Modelle widerlegt, die FRBs als Folge eines katastrophalen Ereignisses erklären.

Wie weit weg sind die Quellen der FRBs?

Bisher sind die Entfernungen von FRBs nicht direkt gemessen, sondern nur aus dem sogenannten Dispersionsmaß des Radioblitzes abgeschätzt worden. Die Dispersion der Radiowellen entsteht in der ionisierten Materie, die den Raum zwischen den Sternen und den Galaxien füllt. Radiowellen kommen auf der Erde zuerst bei höheren und dann bei niedrigeren Frequenzen an (Abb. 3). Das Ausmaß dieser Verzögerung heißt Dispersionsmaß und misst die Anzahl der Elektronen, die zwischen der Quelle und der Erde liegen. Wenn man die Dichte der Materie kennt, dann kann man aus dem Dispersionsmaß eine Entfernung ausrechnen. Unsere Kenntnisse dazu sind allerdings stark modellabhängig und deshalb wäre eine direkte Messung entscheidend. Der nächste Durchbruch im Forschungsbereich der FRBs wird die Bestimmung der Heimatgalaxie eines FRBs sein, was eine direkte Entfernungsbestimmung erlauben würde. Damit könnten viele Ungewissheiten beseitigt werden. So wäre dadurch der Energiehaushalt des Radioblitzes besser bekannt, was für die Modelle der FRB-Erzeugung sehr wichtig ist.

Um die Heimatgalaxie eindeutig zu bestimmen, muss die Himmelsposition des FRBs sehr genau gemessen werden, aber diese Messungen sind derzeit äußerst schwierig durchzuführen. Die zurzeit betriebenen Radioteleskope haben eine grundsätzliche Einschränkung. Sie haben entweder ein großes Blickfeld und eine grobe räumliche Auflösung oder ein kleines Blickfeld und eine hohe räumliche Auflösung. Um FRBs zu finden, ist ein größeres Blickfeld von Vorteil, aber um die Heimatgalaxie zu bestimmen, ist eine hohe räumliche Auflösung notwendig. Der wiederholende FRB, FRB 121102, ist hier wieder besonders hilfreich.

FRB 121102 wurde mit dem Arecibo Radioteleskop in Puerto Rico, USA (Abb. 2, links), dem damals größten und empfindlichsten Radioteleskop der Welt, entdeckt und auch als wiederholende Quelle identifiziert. Astronomen konnten dann die Quelle weiter mit dem Very Large Array (VLA) in New Mexico, USA beobachten, das eine 200-mal höhere räumlich Auflösung als Arecibo hat. Nach 80 Stunden Messzeit ist es den Forschern gelungen, neun Blitze von FRB 121102 mit dem VLA zu messen und die Himmelsposition mit einer Genauigkeit von einer Bogensekunde zu bestimmen [5]. An der Stelle am Himmel haben die Astronomen mit dem VLA eine persistente Radioquelle gefunden. Auf optischen Aufnahmen zeigte sich eine schwache Galaxie, die als Kandidat für die Heimatgalaxie von FRB 121102 in Frage kommt.

Eine längere Beobachtung der Kandidatengalaxie mit dem Gemini North Teleskop auf Hawaii, USA, hat ein Spektrum ergeben und die ersten Vermutungen bestätigt. Es handelt sich tatsächlich um die Heimatgalaxie von FRB 121102, die 3 Milliarden Lichtjahre entfernt ist, was der Entfernung entspricht, die vom Dispersionsmaß des FRBs abgeschätzt wurde [6]. Obwohl die Entfernung genau zu den Erwartungen passt, war doch der Typ der Heimatgalaxie eine große Überraschung. Die Heimatgalaxie von FRB 121102 ist eine sogenannte Zwerggalaxie. Ihr Durchmesser beträgt nur 13.000 Lichtjahre, 10-mal kleiner als unsere Galaxie. Allerdings werden viele neue Sterne und vielleicht sogar besonders große in der Galaxie geboren. Das könnte ein Hinweis auf die Quelle der Radioblitze sein.

Wie werden FRBs erzeugt?

Wir kennen Radioblitze von Quellen in unserer Galaxie, die viel Ähnlichkeit mit FRBs haben – sogenannte Radiopulsare. Von Radiopulsaren messen Astronomen eine Folge von Radioblitzen mit regulären zeitlichen Abständen. Inzwischen wissen wir, dass ein Radiopulsar ein schnell rotierender Neutronenstern mit einem starken Magnetfeld ist [7]. Wenn die Achse der Drehung und die Achse des Magnetfeldes voneinander abweichen, kann ein gebündelter Radiostrahl entstehen und wenn die Richtung dieses Strahls während einer Rotation des Neutronensterns in Richtung Erde zeigt, messen wir ein kurzen Puls. Ein Radiopulsar ist also ein astronomischer Leuchtturm - wir sehen einen kurzen Blitz, wenn der „Radioscheinwerfer“ des Sternes über die Erde streicht.

Radiopulsare zeigen auch eine Vielfalt an Radioblitzen, aber die meisten davon sind zu schwach, um aus großer Entfernung detektierbar zu sein. Eine Ausnahme sind sogenannte Riesenpulse, die besonders kurz und stark sind. Das klassische Beispiel für Riesenpulse ist der Krebspulsar. Der Krebspulsar wurde in einer Supernovaexplosion im Jahr 1054 nach Christus geboren und ist dementsprechend ein besonders junger Pulsar. Seine Riesenpulse sind die stärksten Radioblitze, die wir vor der Entdeckung der FRBs kannten, und könnten sogar noch von Nachbargalaxien aus beobachtet werden. Ein vielversprechendes Modell schlägt vor, dass FRBs noch stärkere und seltenere Riesenpulse von extragalaktischen Neutronensterne sind, die ähnlich dem Krebspulsar oder sogar noch jünger und energetischer sind [8]. Die Heimatgalaxie von FRB 121102 passt zu diesem Modell, denn sie hat das Potenzial, genau die richtigen Sterne hervorzubringen, die am Ende ihres Lebens zu Neutronensternen werden.

Ein eher spekulatives Modell hat mit der Lokalisierung des FRB 121102 an Bedeutung gewonnen. In der Heimatgalaxie und genau auf der Stelle der Quelle der Blitze ist eine kompakte, persistente Radioquelle zu sehen, die mit dem European VLBI Network (EVN) gemessen worden ist. Das EVN besteht aus mehreren Radioteleskopen in Europa, darunter das 100-m Radioteleskop in Effelsberg, Deutschland und hat noch eine höhere räumliche Auflösung als das VLA. Die Vermessung der kompakten Quelle und des FRB 121102 mit dem EVN hat gezeigt, dass die blitzende Quelle und die persistente Quelle maximal 100 Lichtjahre voneinander entfernt sind [9]. Die Eigenschaften der persistenten Quelle sind mit denen sogenannter aktiver Galaxiekerne (Active Galactic Nucleus, AGNs) vergleichbar. In einem AGN beschleunigt ein riesiges Schwarzes Loch Materie, die einen Radiojet bildet.

Ob ein Radiojet einen FRB erzeugen kann ist derzeit noch völlig unklar. Möglich ist auch, dass die Quelle der Blitze doch ein Neutronenstern ist, mit einer Umlaufbahn um das Schwarze Loch. Die persistente Quelle könnte auch die Radiostrahlung eines jungen Supernovaüberrests sein, in dem ein Neutronenstern entstanden ist. Dieser Überrest wäre allerdings viel heller als alle bisher bekannten. Astronomen wollen jetzt mit weiteren Messungen nach einer Periodizität in der blitzenden Quelle suchen. Diese würde sofort bestätigen, dass die Quelle ein Neutronenstern ist und Rückschlüsse auf seinen Typ erlauben.

Es ist noch unklar, ob alle FRBs die gleiche Art von Quelle haben oder durch die gleichen physikalischen Prozessen erzeugt werden. Obwohl alle bekannten FRBs regelmäßig beobachtet werden, ist FRB 121102 immer noch der einzige wiederholende FRB. Ist die Quelle etwas Besonderes? Blitzt die Quelle von FRB 121102, was auch immer sie sein mag, einfach häufiger als die anderen? Haben FRBs eine Vielfalt von Radioblitzen, wie wir sie von Radiopulsaren kennen, oder gibt es mehrere astrophysikalische Quellen, die Radioblitze erzeugen, und hat FRB 121102 tatsächlich eine unterschiedliche Herkunft als die anderen FRBs? Dieses Szenario ist von Gammablitzen bekannt. Gammablitze werden durch zwei völlig unterschiedliche Prozesse erzeugt. Die Antworten auf diese Frage erfordert die Entdeckung von mehr FRBs. Radioteleskope, die in den nächsten Jahrzehnten in Betrieb genommen werden, darunter MeerKAT und das Square Kilometre Array (SKA), werden mehrere FRBs am Tag mit genauen Positionen entdecken und solche wichtigen Fragen beantworten helfen.

Literaturhinweise

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Direct localization of a fast radio burst and its enigmatic counterpart
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The Host Galaxy and Redshift of the Repeating Fast Radio Burst FRB 121102
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Lorimer, D. R.; Kramer, M.
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Cordes, J. M.; Wasserman, I.
Supergiant pulses from extragalactic neutron stars
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Marcote, B.; Paragi, Z.; Hessels, J. W. T.; Keimpema, A.; van Langevelde, H. J.; Huang, Y.; Bassa, C. G.; Bogdanov, S.; Bower, G. C.; Burke-Spolaor, S.; Butler, B. J.; Campbell, R. M.; Chatterjee, S; Cordes, J. M.; Demorest, P.; Garrett, M. A.; Ghosh, T.; Kaspi, V. M.; Law, C. J.; Lazio, T. J. W.; McLaughlin, M. A.; Ransom, S. M.; Salter, C. J.; Scholz, P.; Seymour, A.; Siemion, A.; Spitler, L. G.; Tendulkar, S. P.; Wharton, R. S.
The Repeating Fast Radio Burst FRB 121102 as Seen on Milliarcsecond Angular Scales
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