Forschungsbericht aus dem Jahrbuch 2015
Paare Schwarzer Löcher in Galaxienkernen
Binary Supermassive Black Holes at the Cores of Galaxies
Paare Schwarzer Löcher sind ein wichtiger Bestandteil in unserem Verständnis der Entstehung und Entwicklung von Galaxien. Verschmelzende Schwarze Löcher zählen zu den stärksten Quellen von Gravitationswellen im Universum. Mittels hochauflösender Radiointerferometrie werden enge Paare Schwarzer Löcher direkt räumlich aufgelöst oder deren Fingerabdruck in Radiojets nachgewiesen. Bei engsten Paaren bedient man sich indirekter Methoden. So konnten kürzlich erstmals Hinweise auf den Einfluss eines Binärsystems auf die Lichtkurve eines Röntgenausbruchs einer nicht-aktiven Galaxie gefunden werden.
Binary supermassive black holes are important for our understanding of the galaxies’ formation and evolution. Coalescing binaries are among the strongest emitters of gravitational waves in the universe. With high-resolution radio observations close pairs of massive black holes can be resolved spatially, providing a direct means of detection. The closest binaries can no longer be spatially resolved, and other methods of detection are in use. Recently, first hints for the influence of a supermassive binary black hole on the lightcurve of an X-ray outburst from a non-active galaxy were found.
Verschmelzende Galaxien und das Wachstum Schwarzer Löcher
Die Untersuchung massereicher Schwarzer Löcher mit ihren extremen Gravitationsfeldern, ist eine der aktivsten Forschungsfronten der extragalaktischen Astrophysik. Die massereichsten Schwarzen Löcher finden sich in den Zentren von Galaxien. Schwarze Löcher entstehen zunächst mit geringer Masse und wachsen dann im Laufe der Zeit durch Akkretion von Gas und/oder durch das Verschmelzen miteinander, bis auf Millionen oder Milliarden von Sonnenmassen an.
Dieser Prozess findet oft in verschmelzenden Galaxien statt: Auf kosmischen Zeitskalen kollidieren Galaxien häufig miteinander, verschmelzen und bilden schließlich eine neue, massereichere Galaxie. Dabei werden große Mengen an Gas in das Zentrum befördert, die dann zum Wachstum der Schwarzen Löcher beitragen. Im Zuge der Wechselwirkung beider Galaxien bilden auch die beiden Schwarzen Löcher schließlich ein gebundenes Paar. Sie nähern sich einander immer weiter an, bis sie schließlich ineinanderstürzen, begleitet von einem gewaltigen Ausbruch an Gravitationswellen.
Die Untersuchung von Paaren Schwarzer Löcher, ihr Wachstum und ihre Wechselwirkung mit der Muttergalaxie in Form von Jets und Ausflüssen, sind ein Kernbestandteil unseres Verständnisses der Entstehung und Entwicklung von Galaxien im Universum, über kosmische Zeiträume hinweg.
Wie schnell gewinnen die Schwarzen Löcher an Masse, wann setzt der Akkretionsprozess ein und wie lange dauert er, wie schnell verschmelzen die beiden Löcher selbst? Kann genügend Drehimpuls abgeführt werden, oder kommt das Schrumpfen der Umlaufbahn bei Abständen von einigen Parsec zum Erliegen (final parsec problem)? Wie hoch ist der Rückstoß durch das Aussenden von Gravitationswellen beim Verschmelzen der Schwarzen Löcher?
Um diese Schlüsselfragen zu beantworten, ist es wichtig, Schwarzloch-Paare in allen Phasen ihrer Entwicklung – von räumlich aufgelösten Systemen, nur über ihre Muttergalaxien aneinander gebunden, bis hin zu weiten und engen Paaren – zu entdecken und ihre Eigenschaften zu vermessen. Eine intensive Suche ist daher zur Zeit im Gange (Übersichtsartikel in [1]).
Beobachtungen hoher räumlicher Auflösung im Radiolicht
Etwa 10% aller Aktiven Galaxien zeigen großräumige Jets ausströmender Materie, die durch ihre Radiostrahlung sichtbar werden. Die Jets entstehen in direkter Umgebung der Schwarzen Löcher. Sie sind sehr langlebig und zeigen Abmessungen von tausenden oder hunderttausenden von Parsec (1 Parsec = 3,26 Lichtjahre) und bestehen teils aus einzelnen Komponenten („Knoten”), die sich zeitlich verändern. Die Richtung der Jets spiegelt die Rotationsachse des Schwarzen Loches wider. Jets sind daher ideale „Sonden” ihrer Umgebung, die insbesondere auch über lange Zeiträume die Bedingungen nahe des Schwarzen Loches wiedergeben. Paare Schwarzer Löcher verraten sich durch charakteristische Periodizitäten in den räumlichen Jet-Strukturen oder auch in der Strahlungsintensität, hervorgerufen durch die Bahnbewegung des Jet-emittierenden Schwarzen Loches, oder durch Präzessionseffekte der Achse eines Schwarzen Loches in der Nähe eines zweiten (ähnlich der Präzession einer Kreiselachse). Eine Untersuchung des Quasars PKS 0735+178 hat gezeigt, wie prägnant, wiederholt und vorausberechenbar die Präzessionseffekte die Jet-Struktur und Kinematik ändern [2]. Dies gelang durch die Auswertung von hochaufgelösten Radiodaten und Langzeitmessungen der Strahlungsintensität im sichtbaren und Radiolicht.
Der Quasar S5 1928+738 (Abb. 1) war bereits länger bekannt für seine interessanten Jet-Strukturen, die auf das Vorhandensein eines Paares Schwarzer Löcher hindeuteten. Eine Analyse von hochaufgelösten Radiodaten des VLBA (Very Long Baseline Array), die ein Zeitintervall von 20 Jahren umfassen, hat es nun erlaubt, die zeitliche Änderung der Richtung des Radiojets zu erfassen [3]. Dies hat gezeigt, dass sich die Richtung der Jet-Achse periodisch ändert. Eine mögliche Erklärung besteht in der Bahnbewegung eines Schwarzen Loches, welches Teil eines Binärsystems mit einer Umlaufzeit von ca. 5 Jahren ist.
Der Quasar 3C454.3 wurde über 15 Jahre mit dem VLBA beobachtet. Dabei wurde eine ungewöhnliche Ringstruktur entdeckt (Abb. 2), die in ihrer Struktur bisher einzigartig ist [4]. Eine mögliche Interpretation involviert eine Änderung der Jet-Richtung aufgrund von Präzession, ausgelöst durch ein zweites Schwarzes Loch im Kern der Galaxie.
SDSSJ1201+3003 – ein Kandidat für ein besonders enges Paar Schwarzer Löcher
Die engsten Paare Schwarzer Löcher sind mit heutigen Methoden räumlich nicht mehr aufgelöst. Um solche Systeme aufzuspüren, bedient man sich indirekter Suchmethoden. Die Galaxie SDSSJ1201+3003 fiel zunächst durch ihren ungewöhnlichen Ausbruch im Röntgenlicht auf, der mit dem Satelliten XMM-Newton entdeckt wurde. Im sichtbaren Licht handelt es sich um eine nicht-aktive, unscheinbare Galaxie. Die generellen Charakteristika des Röntgenausbruchs können durch das Zerreißen und Aufschlucken eines Sternes durch ein massereiches Schwarzes Loch im Zentrum der Galaxie verstanden werden [5]: Nähert sich ein Stern einem Schwarzen Loch zu sehr an, so wird er schließlich durch die extremen Gezeitenkräfte des Schwarzen Loches auseinandergerissen. Ein Großteil des Sternes stürzt auf das Schwarze Loch, heizt sich dabei stark auf und sendet leuchtkräftige Röntgenstrahlen aus, bevor er für immer in dem Schwarzen Loch verschwindet.
Im Falle von SDSSJ1201+3003 zeigte die Lichtkurve jedoch eine Besonderheit: Statt des sonst beobachteten – und erwarteten – stetigen Abklingverhaltens, sank die Röntgenstrahlung plötzlich vier Wochen nach dem Maximum dramatisch ab und die Quelle war eine Zeit lang gar nicht mehr detektierbar. Danach kehrte sie zu ihrer vorherigen Helligkeit zurück, um später noch einmal abzufallen. Genau dieses Verhalten wurde von Modellrechnungen vorhergesagt, die den Einfluss eines Paares Schwarzer Löcher auf das Abklingverhalten von Ausbruchlichtkurven berechnet hatten. Das zweite Schwarze Loch stört vorübergehend die Bahnen der auf das andere Loch zufallenden stellaren Trümmer und unterbricht so temporär die Röntgenstrahlung (Abb. 3). Computersimulationen haben gezeigt, dass die Lichtkurve von SDSSJ1201+3003 im Rahmen dieses Modells sehr gut wiedergegeben wird [6]. Die Masse des Schwarzloch-Paares beläuft sich auf eine bis zehn Millionen Sonnenmassen und der Abstand der beiden Löcher liegt bei 0,6 milli-Parsec.
Dies ist die derzeit einzige Methode, Schwarze Löcher in nicht-aktiven Galaxien nachzuweisen, in denen keines der Löcher langlebige Aktivitätsmerkmale wie zum Beispiel Radiojets aufweist.
Das Besondere an dem System in SDSSJ1201+3003 ist die große Nähe der beiden Löcher. Sie sind nur ca. 0,6 milli-Parsec voneinander entfernt und damit das engste bekannte System unter den Kandidaten. In der fernen Zukunft werden die beiden Schwarzen Löcher in einem gigantischen Ausbruch an Gravitationswellen miteinander verschmelzen.
Zukünftige Messungen mittels mm VLBI
Von besonderem Interesse sind die kompaktesten Paare Schwarzer Löcher, eng aneinander gebunden, und nur Lichtjahre oder weniger voneinander entfernt – in einem Regime ihrer Entwicklung, wo Theorien verschiedene Vorhersagen für die Schnelligkeit des Schrumpfens ihrer Umlaufbahn machen. Im sichtbaren oder Röntgenlicht können solche Systeme i. a. nicht räumlich aufgelöst werden, sodass solche Paare Schwarzer Löcher bestenfalls indirekt identifiziert werden können.
Die Technik des VLBI (Very Long Baseline Interferometry) bei Wellenlängen im Millimeter-Bereich wird in Zukunft besonders hochaufgelöste Beobachtungen im Radiolicht ermöglichen [7]; die höchste Auflösung die derzeit möglich ist. Dies wird ganz neue Wege zum Verständnis kompakter Strukturen in Radiojets im Allgemeinen, und binären Schwarzen Löchern im Speziellen, eröffnen.