Forschungsbericht aus dem Jahrbuch 2004

Hochauflösende Untersuchungen von Aktiven Galaxienkernen

High resolution studies of active galactic nuclei

Autoren

Huege, Tim; Kadler, Matthias; Ros, Eduardo; Witzel, Arno; Zensus, Anton

Abteilungen
Zusammenfassung
Die Zentren von aktiven galaktischen Kernen stellen das Hauptarbeitsgebiet der Gruppe von Dr. Anton Zensus dar. Mit höchstmöglicher Auflösung wird die Umgebung der Kernmaschinen (massereiche Schwarze Löcher) mit Interferometrie im Radiowellenbereich (VLBI) beobachtet und durch Vergleich mit Beobachtungen in allen verfügbaren Wellenlängenbereichen verknüpft, um die physikalischen Bedingungen und Vorgänge in diesen energiereichsten Objekten im Kosmos zu studieren. Zudem werden kosmologische Fragestellungen, speziell zum kosmischen Mikrowellenhintergrund, untersucht.
Summary
The central region of Active Galactic Nuclei (AGN) are the main research topic of the group headed by Dr. Anton Zensus. The regions surrounding the nuclear engines (supermassive black holes) are observed using radio interferometry with Very Long Baselines (VLBI). By comparison with observations of AGN in all accessible wavelength ranges, detailed physical models for these most energetic objects in the Universe are made. In addition cosmological questions are investigated, especially questions concerning the cosmic microwave background (CMB).

Untersuchungen der physikalischen Prozesse in den Kernregionen "Aktiver Galaxienkerne" (AGK) bilden den Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeiten der Forschungsgruppe, die Dr. Anton Zensus am Max-Planck-Institut für Radioastronomie leitet. Ein Schwerpunkt hierbei ist die bildliche Darstellung der direkten Umgebung der "Kernmaschinen" in aktiven Galaxienkernen, die allgemein als "supermassive Schwarze Löcher" vermutet werden. Nur Beobachtungen mit höchstem Winkelauflösungsvermögen sind in der Lage, diese bis zu Milliarden von Lichtjahren entfernten Objekte detailliert zu erfassen. Die speziell zu diesem Behufe entwickelte Methode der Radio - Interferometrie mit großen Basislängen (VLBI) bildet somit einen Grundpfeiler der Arbeit der Gruppe. Die Fortentwicklung der VLBI-Methodik zu kürzeren Wellenlängen - z.Zt. bis etwa 1 mm - auf der einen Seite und zu größeren Basislängen - durch Hinzunahme weltraumgestützter Teleskope im Erdorbit - hat entscheidende Fortschritte ermöglicht. So ist es inzwischen möglich, bis auf wenige zehn Schwarzschildradien Abstand an die zentralen Schwarzen Löcher in näheren Aktiven Galaxien beobachtend vorzudringen und die physikalischen Bedingungen in der Nähe der Fußpunkte der von dort ausgehenden Jets zu studieren. Sowohl die Entwicklung der Jets über - astronomisch gesehen - kurze Zeitspannen als auch über kosmologische Epochen (durch Beobachtungen von Quellen in verschiedenen Entfernungen) werden betrieben.

Um ein möglichst vollständiges Bild der Vorgänge in Aktiven Galaxienkernen zu erlangen, werden auch Beobachtungen außerhalb des Radiowellenbereichs durchgeführt, und zwar bei allen erreichbaren Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums bis hin in den hochenergetischen Gamma - Strahlungsbereich. Der Hauptgrund liegt in der Tatsache, dass verschiedene physikalische Prozesse bei unterschiedlichen Beobachtungsfrequenzen ihre charakteristische Signatur haben und erst die Zusammenfassung aller dieser Ergebnisse ein profundes Gesamtbild ermöglicht.

Von besonderem Interesse sind dabei Untersuchungen der zeitlichen Veränderungen der Strahlungsintensität von Aktiven Galaxienkernen, die auf allen Zeitskalen von Minuten zu Jahren nachweisbar sind und Rückschlüsse auf die physikalische Natur der Emitter ermöglichen. In diesem Kontext wird besonders das Phänomen der "Intra-Day Variability" von AGK untersucht, das in den 80er-Jahren mit dem 100-m- Radioteleskop in Effelsberg entdeckt wurde. Bis heute ist eine befriedigende Trennung von quell-intrinsischen und propagations-induzierten quell-extrinsischen Effekten noch nicht gelungen, d.h. es ist unklar, welcher Anteil der beobachteten Variabilität in den Quellen selbst produziert wird und wie groß der Beitrag der interstellare Szintillation (durch das zwischen Quelle und Beobachter befindliche interstellare Medium) ist. Da aber grundlegende physikalische Theorien, wie u.a. der inverse Compton-Effekt, der Strahlungstemperaturen größer als 1012 K nicht erlaubt, hiervon berührt werden, werden nicht nur am MPIfR, sondern weltweit große Anstrengungen unternommen, um eine befriedigende Klärung herbeizuführen.

Begleitet werden die oben aufgeführten vorwiegend beobachtenden Forschungen von theoretischen Arbeiten, z.B. relativistischen hydrodynamischen und im Ansatz magneto-hydrodynamischen Modellrechnungen von Jetphänomenen in AGK und Untersuchungen der physikalischen Bedingungen in Systemen mit binären Schwarzen Löchern.

Des Weiteren finden in der Gruppe Untersuchungen zum Phänomen des kosmischen Mikrowellenhintergrundes statt. Hier steht vor allem die Frage nach dem Einfluss diskreter Quellen auf die Beobachtungsbefunde im Vordergrund. Ebenso werden die Forschungen an Gravitationslinsen wie auch die Arbeiten zur Radio-Astrometrie weiter gefördert.

Auf instrumentellem Sektor stehen neben der Weiterentwicklung der VLBI-Technik zu höheren Frequenzen und größeren Aufnahme-Bandbreiten vor allem die Mitarbeit an der Konzeption und Entwicklung neuer Instrumente wie SKA (Square Kilometer Array) und LOFAR (Low Frequency
Array) im Mittelpunkt des Interesses.

Im Folgenden werden beispielhaft zwei Projekte etwas näher beschrieben, und zwar die wellenlängenübergreifende Studien an der aktiven Galaxie NGC 1052 und die Untersuchungen der Radioemission aus Luftschauern kosmischer Strahlung, die in gewisser Weise die Breite der
Forschungsvorhaben der Gruppe andeuten.

NGC 1052 - kombinierte Beobachtungen im Radio- und Röntgenwellenbereich

Das so genannte Standardmodell der aktiven Galaxienkerne beschreibt den grundsätzlichen Aufbau der Umgebung eines supermassiven Schwarzen Loches im Zentrum einer Galaxie: Die im Schwerefeld des Schwarzen Loches eingebundene Materie sammelt sich in einer Akkretionsscheibe, in der das immer schneller rotierende Material durch die Schwerkraft des Schwarzen Loches in einer Umlaufbahn gehalten wird. Durch Turbulenzen und Reibung verliert das rotierende Material an Drehimpuls, strahlt Energie in Form von elektromagnetischen Wellen ab und stürzt auf einer Spiralbahn unaufhaltsam dem Ereignishorizont des Schwarzen Loches entgegen, innerhalb dessen nicht einmal mehr Licht dem Einflussbereich des Schwarzen Lochs entkommen kann. Nur ein Bruchteil der zur Verfügung stehenden Energie wird dabei in Strahlung umgesetzt. Während ein Großteil in das Schwarze Loch stürzt, gelingt es einem vergleichsweisen kleinen Teil der akkretierenden Materie zu entweichen: Durch einen noch nicht vollständig verstandenen Mechanismus bilden sich kollimierte Materieströme aus, so genannte Jets, durch welche senkrecht zur Akkretionsscheibe Teilchen mit annähernder Lichtgeschwindigkeit aus dem Zentralgebiet der Galaxie herausbefördert werden.

Wie in vielen anderen Gebieten der beobachtenden Astronomie auch zeigt sich auf dem Gebiet der Erforschung aktiver Galaxienkerne klarer als je zuvor, dass ein Abweichen von der traditionellen Unterteilung in Radio-, Infrarot-, optische und Hochenergie-Astronomie ein tieferes Verständnis der zu Grunde liegenden physikalischen Vorgänge ermöglicht. Insbesondere hat sich die Kombination der Ergebnisse aus Radio- und Röntgenbeobachtungen als erfolgreich herausgestellt. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass insbesondere röntgenspektroskopische Methoden in Kombination mit radio-interferometrischen Beobachtungen neue Ergebnisse in Bezug auf die Materieakkretion und Jetenstehung liefern werden. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde mit Beobachtungen der aktiven Galaxie NGC 1052 getan.

NGC 1052 ist eine elliptische Galaxie, die sich im Radio-Wellenlängenbereich durch eine außergewöhnlich starke und kompakte Kern-Helligkeit auszeichnet. Damit bildet ihr Zentralgebiet ein ideales Untersuchungsobjekt für radio-interferometrische Beobachtungen mit sehr großen Basislinien. Mithilfe eines weltumspannenden Netzwerks großer Radioteleskope lässt sich durch die VLBI-Technik ein in der Astronomie unübertroffenes Auflösungsvermögen von weniger als einer Milli-Bogensekunde erreichen.

Abbildung 1 zeigt die innerste Struktur des Jet-Systems in NGC 1052 aufgenommen bei vier verschiedenen Radiofrequenzen mit einem VLBI-Netzwerk. Deutlich ist zu erkennen, dass sich mit wachsender Frequenz das Auflösungsvermögen des Interferometers verbessert, das bei 43 GHz (entspr. 7 mm Wellenlänge) bei ungefähr 0.1 Millibogensekunden angelangt ist. Bei der relativ geringen Entfernung von 70 Millionen Lichtjahren können bei dieser Auflösung Strukturen dargestellt werden, deren Größe der des Ereignishorizonts des Schwarzen Loches nahe kommt.

Von besonderem Interesse ist die augenfällige dunkle Lücke zwischen den beiden Jets. Die niederfrequente Radiostrahlung (bei 5 GHz) wird in diesem Innenbereich des Jet-Systems nahezu vollständig absorbiert. Die detaillierte spektrale Analyse zeigt, dass frei-frei Absorption innerhalb eines ionisierten Absorbers für dieses Verhalten verantwortlich ist. NGC 1052 stellt damit eines der eindrucksvollsten Beispiele einer so genannten Typ-2 Galaxie dar, einer Galaxie, deren Zentralgebiet so im Raum orientiert ist, dass uns der Blick auf ihr zentrales supermassives chwarzes Loch und dessen unmittelbare Umgebung durch die Abschattung eines sich außen an die Akkretionsscheibe anschließenden verdunkelnden Torus verwehrt bleibt.

Zusätzliche Informationen über die physikalischen Eigenschaften dieses verdunkelnden Torus kommen aus Untersuchungen bei Röntgen-Wellenlängen. Die Analyse einer nur kurzen Beobachtung von NGC 1052 durch das Röntgenteleskop CHANDRA zeigt ein stark absorbiertes Kernspektrum, d.h. die Röntgenstrahlen aus dem Zentralgebiet der Galaxie werden durch den selben verdunkelnden Torus absorbiert. Die Analyse des Röntgenspektrums erlaubt Rückschlüsse auf Teilchendichte und Temperatur im Torus.

Auf größeren Skalen (im Bogensekundenbereich, d.h. tausendmal größer als typische VLBI-Karten) zeigt sich eine ausgedehnte Verteilung von Röntgenemission, die in auffälliger Beziehung zu dem großskaligen Radio-Jet steht (Abb. 2). Die intensivste ausgedehnte Röntgenstrahlung (in Farbe) im Zentralgebiet der elliptischen Galaxie NGC 1052 stammt aus der Region um die äußeren Radio-Fassaden (lobes), hier dargestellt durch Konturen. Zusammen mit dem thermischen Spektrum der ausgedehnten Röntgenstrahlung legt dies nahe, dass wir heißes interstellares Gas sehen, welches mit dem Jet wechselwirkt.

Kombinierte Radio/Röntgen-Beobachtungen von NGC 1052 haben uns auch der Lösung eines Jahrzehnte alten Rätsels näher gebracht: Nachdem sich in den frühen 60er-Jahren die Erkenntnis durchsetzte, dass es sich bei den mysteriösen so genannten quasi-stellaren Objekten (QSOs) um außergewöhnlich helle Kerne von Galaxien handelt, stellte sich die Frage, warum mit einigen dieser Quellen helle Radioquellen assoziiert sind, während die Mehrheit der QSOs "radio-leise" erscheint. Noch heute zeugt von der damals unabhängig voneinander vorangetriebenen Erforschung der aktiven Galaxienkerne im optischen und im Radiowellenlängenbereich die synonyme Verwendung der Begriffe QSO und Quasar (quasi-stellar radio source). Heute ist klar, dass die starke Radiohelligkeit aktiver Galaxienkerne auf Synchrotronstrahlung der Jets zurückzuführen ist. Die eigentliche Frage lautet also: Warum und wie werden in der Umgebung einiger supermassiver Schwarzer Löcher mächtige, kollimierte, relativistische Jets geformt, während andere Schwarze Löcher nicht dazu fähig erscheinen.

Neue Röntgendaten von NGC 1052, aufgenommen mit den europäischen Satelliten XMM-Newton und BeppoSax, zeigen außergewöhnlich starke Röntgenemission aus dem Zentralgebiet der Galaxie innerhalb eines relativ breiten Energiebereichs zwischen 4 keV und 8 keV. Die genaue spektrale Analyse zeigt, dass es sich hierbei um relativistisch verbreiterte Eisenlinien handelt. Diese Strahlung wird durch den Fluoreszenzeffekt in den innersten Bereichen der Akkretionsscheibe erzeugt, und das charakteristische Profil dieser Linie wird durch die massive gravitative Einwirkung des Schwarzen Lochs in dieser Region geformt. Abbildung 3 zeigt dieses Linienprofil während zweier Beobachtungsperioden im Januar 2000 und im August 2001. Die deutliche Veränderung, vor allem im "roten" (d.h. niederenergetischen) Teil der Linie, zeigt eine starke strukturelle Veränderung in der inneren Akkretionsscheibe an: die Signatur eines Akkretionsprozesses. Parallel vorgenommene VLBI-Beobachtungen der Quelle zwischen 1999 und 2002 zeigen einen damit assoziierten Ausstoß relativistischen Plasmas in den Radiojet, d.h. nicht das gesamte Material wurde in diesem Akkretionsprozess vom Schwarzen Loch verschlungen, sondern ein Teil wurde in den Jet ausgestoßen. Man hat damit erstmals einen jet-erzeugenden Vorgang in einem aktiven galaktischen Kern beobachtet.

Radioemission aus Luftschauern kosmischer Strahlung

Auf die Erde prasseln ständig große Mengen geladener Teilchen aus dem Weltraum, die so genannte "kosmische Strahlung", ein. Sie wurde im Jahre 1912 von Victor Hess mit einem Teilchendetektor, vergleichbar einem Geiger-Zähler, auf einem Ballonflug entdeckt. Die Energien dieser Teilchen umspannen viele Größenordnungen. Teilchen mit Energien unterhalb 1010 eV stammen hauptsächlich von der Sonne. Solche mit Energien oberhalb 1010 eV bis maximal etwa 1018 eV stammen überwiegend aus Quellen in unserer Galaxie, wie z.B. Überresten explodierender Sterne (Supernova-Überreste). Ab Energien von etwa 1014 eV lassen sie sich aufgrund ihrer Seltenheit jedoch nicht mehr sinnvoll mit direkten Messungen auf Ballons oder Satelliten nachweisen. Eine indirekte Messung ist aufgrund der lawinenartigen Kaskade von sekundären Teilchen, die bei ihrem Eintritt in die Erdatmosphäre erzeugt wird, möglich. Die am Boden auftreffenden Fragmente deser "Luftschauer", welche übrigens eine Hauptquelle der natürlichen Radioaktivität auf der Erde darstellen, lassen sich mithilfe von Teilchendetektoren nachweisen. Teilchen noch höherer Energie als 1018 eV - Energien bis zu fast 1021 eV wurden gemessen, das ist millionenfach höher als in Teilchenbeschleuniger-Experimenten erreichbar - sind extragalaktischen Ursprungs und stellen ein besonders faszinierendes Forschungsgebiet dar (s. MPG Jahrbuch 2002, S. 660). Die Herkunft dieser ultrahochenergetischen Teilchen ist noch weitgehend ungeklärt. Die Erklärungsansätze reichen von Radiogalaxien mit aktiven galaktischen Kernen bis hin zu völlig neuartigen physikalischen Theorien. Diese Teilchen treffen so selten auf der Erde auf, dass sehr aufwändige und große Experimente mit mehr als tausend Quadratkilometern Sammelfläche nötig sind, um sie mit genügender Statistik zu messen. Neben der Messung der Kaskaden-Fragmente mittels Teilchendetektoren wird zur Beobachtung der Luftschauer ultrahochenergetischer Teilchen auch die Fluoreszenz von Luftmolekülen, welche beim Durchtritt der Kaskade durch die Atmosphäre zum Leuchten angeregt werden, mit optischen Teleskopen registriert. Das AUGER-Experiment, an dem Mitarbeiter des MPIfR Bonn mit theoretischen Arbeiten beteiligt sind, verbindet erstmals Teilchendetektoren mit optischen Fluoreszenzmessungen, um die höchstenergetischen Teilchen besonders effektiv zu studieren.

Eine weitere Technik zur Beobachtung von hoch- und ultrahochenergetischen Teilchen, die sich als wertvolle Ergänzung zu den o.g. Techniken einsetzen ließe, wurde erstmals um 1965 studiert: Die Messung von Radiowellen, die aus Luftschauern bei Frequenzen um 50 MHz (nahe den Frequenzen des UKW-Funks) abgestrahlt werden. Mit den technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit gestaltete sich die Untersuchung jedoch schwierig. Zusätzlich waren die anderen o.g. Techniken sehr erfolgreich, sodass die Forschung auf dem Gebiet der Radioemissionen aus kosmischen Luftschauern in den 70er-Jahren wieder zum Erliegen kam. Mit den heutigen Möglichkeiten der digitalen Signal- und Datenverarbeitung ist das Interesse an dieser zusätzlichen Beobachtungstechnik für kosmische Luftschauer jedoch wieder neu erwacht. Insbesondere eine spezielle Gattung von neuartigen Radioteleskopen ("digitale Radiointerferometer"), wie das aktuell in der Entstehung befindliche "Low Frequency Array" (LOFAR), könnte effektiv und kostengünstig für die Beobachtung kosmischer Luftschauer eingesetzt werden und damit eine Brücke zwischen der klassischen Radioastronomie und der Astroteilchenphysik schlagen.

Das am MPIfR Bonn ins Leben gerufene LOPES- Projekt dient der Erforschung und Entwicklung der nötigen Techniken und Grundlagen für die Beobachtung kosmischer Luftschauer mithilfe von LOFAR. Die Konzeption und der Aufbau des LOPES-Experiments in Verbindung mit dem bereits existierenden Teilchendetektor-Array KASCADE am Forschungszentrum Karlsruhe wird von einer eingehenden theoretischen Untersuchung der Emissionsmechanismen, die zur Abgabe der Radiostrahlung aus einem Luftschauer führen, begleitet.

Als dominierenden Effekt untersuchen wir dabei den Mechanismus der "kohärenten Geosynchrotron - Strahlung": Die im Luftschauer in großer Zahl entstehenden Paare von Elektronen und Positronen werden dabei vom Erdmagnetfeld auf kreisförmige Bahnen gezwungen. Bei der Ablenkung der geladenen Teilchen wird dann elektromagnetische Strahlung freigesetzt. Die Schwierigkeit besteht nun in der Ermittlung der Gesamt-Radiostrahlung aus solch einem Luftschauer, der ein hochkomplexes Gebilde aus Milliarden von Teilchen darstellt, das sich bei seinem Weg durch die Erdatmosphäre kontinuierlich verändert (Abb. 4). Insbesondere Kohärenz- und Interferenzeffekte, d.h. das Verstärken bzw. Auslöschen von Strahlungsanteilen, bedingt durch die Phasenunterschiede der an der Antenne eintreffenden Radiowellen, sind ein wichtiger Aspekt der Modellierung. Es zeigt sich, dass eine möglichst niedrige Beobachtungsfrequenz (10 MHz bis höchstens 100 MHz) am besten geeignet ist, da dort die Wellenlänge der emittierten Radiostrahlung (30 bis 3 Meter) größer ist als die Dicke des durch die Atmosphäre wandernden Luftschauers. Dies ermöglicht die größtmögliche Aufsummierung der emittierten Strahlungsbeiträge.

Neben einer analytisch-theoretischen Untersuchung des Strahlungsmechanismus untersuchen wir die Eigenschaften der ausgesendeten Strahlung auch mit aufwändigen computerbasierten Modellen, so genannten "Monte Carlo" - Simulationen. Diese ermöglichen eine besonders genaue Modellierung der Emissionen, da sich die Komplexität eines Luftschauers hiermit besonders naturgetreu berücksichtigen lässt. Mithilfe der Monte Carlo-Simulationen konnten wir viele wichtige Eigenschaften der zu erwartenden Radiostrahlung von Luftschauern ermitteln. So zeigt das Strahlungsmuster entgegen erster Erkenntnisse keine nennenswerte Asymmetrie aufgrund der durch das Erdmagnetfeld gegebenen Vorzugsrichtung. Die von uns vorhergesagten Polarisations-Eigenschaften der Radiostrahlung aus Luftschauern ermöglichen eine eindeutige Überprüfung des geomagnetischen Strahlungsmechanismus mit gezielten Messungen (Abb. 5).

Zudem machen wir Vorhersagen über die Entfernungs- und Frequenzabhängigkeit der Radiostrahlung, welche mit den (spärlich) vorhandenen historischen Daten gut übereinstimmen (Abb. 6).

In der Zukunft werden wir unser Modell noch weiter verfeinern und zusätzliche Strahlungsmechanismen integrieren. Die Vorhersagen unseres theoretischen Modells lassen sich jedoch bereits jetzt mithilfe des LOPES-Experiments direkt überprüfen und erlauben ihrerseits die physikalische Interpretation der mit dem LOPES-Experiment und anderen Experimenten gemessenen Daten. Unsere Arbeit bildet somit ein wichtiges Fundament für die Etablierung der Radiomessung von Luftschauern als eine weitere Technik zur Untersuchung von kosmischer Strahlung bei hohen Teilchenenergien.

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