Forschungsbericht aus dem Jahrbuch 2014
Das Square Kilometre Array (SKA) − Das Radioteleskop für die kommenden Generationen
The Square Kilometre Array (SKA) − The radio telescope for the next generation
Das SKA − eine Supermaschine für die Wissenschaft
Die Idee zum Square Kilometre Array (SKA) entstand bereits in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Zu dieser Zeit war eine dreidimensionale Kartierung von Galaxien bei optischen Wellenlängen kostspielig und langwierig. Ein Ausweg bot sich durch Radiobeobachtungen des neutralen Wasserstoffs (HI) der Galaxien an. Man versuchte ein Teleskop zu definieren, mit dem man den neutralen Wasserstoff zur kosmischen Entfernungsbestimmung nutzen konnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Wellenlänge von neutralem Wasserstoff (21 cm) aus einem frühen und damit weit entfernten Universum durch die kosmische Expansion stark gestreckt ist. Dadurch lässt sich die Entfernung bei längeren, das heißt rot verschobenen, Wellenlängen oder niedrigeren Frequenzen messen. In diesem Zusammenhang gibt es zwei Möglichkeiten die Empfindlichkeit von Radioteleskopen zu verbessern und somit die Beobachtung von solch schwachen Signalen zu ermöglichen. Nämlich die Vergrößerung der Frequenzbreite oder die der Sammelfläche. Es stellte sich heraus, dass eine Sammelfläche von ungefähr einem Quadratkilometer (entsprechend 140 Fußballfeldern) ausreicht, um das HI-Signal von Galaxien, die unserer Milchstraße ähneln, im frühen Universum beobachten zu können. Von Anfang an wurden die wissenschaftlichen Ziele, das Konzept und die technologische Entwicklung für das SKA von einem internationalen Konsortium erarbeitet, in dem Deutschland seit Beginn involviert ist. Diese Vorstudien ermöglichten die Konzeptionierung einer Supermaschine für die Wissenschaft.
Das SKA wird mit einer effektiven Empfangsfläche von 1.000.000 Quadratmeter das mit Abstand größte Radioteleskop der Welt sein. Es wird in einem Frequenzbereich von 50 MHz bis 14 GHz (oder höher) operieren. Die gesamte Sammelfläche ermöglicht eine 50 Mal höhere Empfindlichkeit und eine 10.000 Mal höhere Messgeschwindigkeit für Himmelskarten im Vergleich zu den besten heutigen Radioteleskopen. Das SKA wird es ermöglichen, tiefer in das frühe Universum zu schauen und bislang unbekannte Phänomene beobachten zu können. Tausende einzelne Empfängertypen erstrecken sich spiralförmig über eine Distanz von bis zu 3.000 Kilometern von den Zentralstationen in Südafrika und Australien. Diese Anordnung ermöglicht eine detailgenaue Kartierung von großskaligen Strukturen, wie zum Beispiel die unserer Milchstraße, oder von kleinen Punktquellen, wie z. B. die ersten Galaxien unseres Universums.
Nun birgt ein so großes Projekt mit all den offenen Punkten der technischen Machbarkeit viele Fragen, die sich nicht sofort lösen lassen. Um eventuelle Risiken beim Bau des SKA zu minimieren, macht man sich den modularen Charakter von Radiointerferometern zunutze, indem man erst im finalen Bauabschnitt die volle Empfangsfläche bereitstellt. Deshalb wird das SKA in zwei Bauabschnitten durch unterschiedliche Antennenfelder realisiert. In der ersten Phase wird das SKA aus einer locker besetzten Anordnung von Parabolspiegeln (dish array) und einfachen Antennen (sparse aperature array) bestehen. In Phase 2 wird eine signifikant höhere Anzahl dieser Antennenelemente installiert und somit die Empfindlichkeit des SKA erheblich erhöht. Die dritte Komponente der Empfängerelemente (dense aperture array) wird erst dann in der zweiten Phase verbaut werden, wenn sie Produktreife erreicht hat.
Die unterschiedlichen Empfänger-Komponenten des SKA vereinen somit das Beste aus zwei Beobachtungstechniken in sich: 1. Die Parabolspiegel werden mit hoher Winkelgenauigkeit mechanisch gesteuert, um die Positionsveränderung der Quellen am Himmel nachführen zu können und 2. wird die Richtungsempfindlichkeit der aperture arrays digital gesteuert, um die großen Gesichtsfelder direkt kartieren zu können. Ein Prototyp eines digitalen Radioteleskops der nächsten Generation ist das LOFAR-Teleskop, an dem sich unter anderen das Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und das Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching beteiligen [1] (für weitere Informationen siehe [2] und Abb. 1).
Die frühen wissenschaftlichen Möglichkeiten des SKA
Aufgrund der Kombination aus beispielloser Vielseitigkeit und Empfindlichkeit werden mit dem SKA weit über das elektromagnetische Spektrum hinaus Erkenntnisse zu wissenschaftlichen Schlüsselfragen zugänglich. Dazu gehören (I) die Bildung und Entwicklung der ersten Sterne und Galaxien nach dem Urknall, (II) die Natur der Schwerkraft und unsere Vorstellung von Raum und Zeit, (III) die kosmische Geschichte des neutralen Wasserstoffs, (IV) die Rolle des kosmischen Magnetismus und (V) möglicherweise auch die Frage nach außerirdischem Leben.
Das SKA wird in zwei Bauabschnitten gebaut, Phase 1 und Phase 2. In der Anfangsphase wird das SKA rund 10% der endgültigen Sammelfläche aufweisen. Erste wissenschaftliche Ergebnisse werden für das Jahr 2020 erwartet, während die volle Inbetriebnahme des gesamten Teleskops für 2025 vorgesehen ist. Somit wird es das SKA schon in den nächsten 10 Jahren ermöglichen, frühe wissenschaftliche Resultate aus der Liste der Forschungsfragen anzugehen. Hierbei sind insbesondere „Das dunkle Zeitalter” und „Tests der Schwerkraft in starken Gravitationsfeldern” hervorzuheben, die auch mit dem „kleineren” SKA in Phase 1 bereits wichtige erste wissenschaftliche Ergebnisse liefern können.
Das dunkle Zeitalter:
In den ersten Hunderttausend Jahren seit dem Urknall, also in der Frühphase des Universums, entkoppelte sich die Materie vom Strahlungsfeld des Urknalls und begann sich langsam zu neutralisieren. Dieser Prozess führte in das dunkle Zeitalter des Universums, in dem man sozusagen die Hand vor Augen nicht sehen konnte und in dem der gesamte Raum mit neutralem Wasserstoff angefüllt war. In dieser Phase war die Gravitation die einzige Kraft, die aus dem „Nichts” Sterne entstehen lassen konnte. Dem Strahlungsfeld dieser ersten Sterne und dessen ionisierender Wirkung verdanken wir es heute, dass Galaxien in kosmischen Entfernungen sichtbar sind. Diese Theorie wird durch Beobachtungen der kosmischen Hintergrundstrahlung und Quasaren im sichtbaren Licht unterstützt, die den Zeitpunkt der vollständigen Ionisation des Raums festlegen. Über den Anfang der „Epoche der Re-Ionisation” lassen sich aber nur bedingt Vorhersagen ableiten.
Der Nachweis dieser Prozesse ist von großer Bedeutung für unser Verständnis der Entwicklungsgeschichte des Kosmos und ist beobachtungstechnisch sehr anspruchsvoll, da sich die Signale nur als Fluktuationen des schwachen Hintergrundrauschens bemerkbar machen. Nichtsdestotrotz wäre das SKA in der ersten Bauphase empfindlich genug, um diesen Prozess nachzuweisen. Die zweite Bauphase des SKA hingegen ermöglicht die dreidimensionale Kartierung des Signals und erlaubt somit, Rückschlüsse auf die Entstehungsgeschichte des sichtbaren Kosmos ziehen zu können [3].
Tests der Schwerkraft in starken Gravitationsfeldern:
Die Allgemeine Relativitätstheorie besteht seit fast einhundert Jahren jeden Test und Albert Einsteins Vorstellung von Raum, Zeit und Gravitation hat sich bislang hervorragend bewährt. So hat diese Theorie unter anderem die Existenz von Schwarzen Löchern und Gravitationswellen vorhergesagt.
Schwarze Löcher sind die extremsten Objekte im Universum; das Gravitationsfeld, das in ihnen herrscht, deformiert die Raum-Zeit so stark, dass nicht einmal Licht entweichen kann. Die Feuerprobe der Einsteinschen Theorie wäre es, wenn es gelingen würde, in der näheren Umgebung eines Schwarzen Lochs eine sehr genaue astronomische Uhr zu finden. Die besten Kandidaten hierfür sind Pulsare. Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, die entlang ihrer magnetischen Pole Radiostrahlung aussenden und ähnlich wie bei einem Leuchtturm ein regelmäßiges Signal (Puls) aussenden. Die zeitliche Stabilität der gesendeten Pulse ist hierbei vergleichbar mit den besten Atomuhren auf der Erde. Erklärtes Ziel des SKA ist die Suche nach Pulsaren in engen Doppelsternsystemen und insbesondere die Suche nach „der Nadel im Heuhaufen”, nämlich einem Pulsar, der ein Schwarzes Loch umkreist. Mit dessen Hilfe könnte man die Eigenschaften von Schwarzen Löchern direkt messen und mit Einsteins Vorhersagen vergleichen.
Gravitationswellen sind bis dato nur indirekt in Doppelsternsystemen [4] beobachtet worden. Ihr direkter Nachweis würde den Grundstein für eine beobachtende Gravitationswellen-Astronomie legen und somit gewaltige Fortschritte im Verständnis von Gravitation und astrophysikalischen Prozessen massereicher Objekte ermöglichen. Mit der Empfindlichkeit des SKA lassen sich voraussichtlich alle Pulsare in der Milchstraße entdecken. Damit würde es möglich, Gravitationswellen im Nanohertz-Bereich mithilfe eines Netzwerks von Pulsaren aufzuspüren. Die von den Pulsaren ausgesandten Lichtpulse würden durch die Raumzeit-Verzerrung einer über die Erde laufenden Gravitationswelle systematisch verzögert.
Bei der Suche nach Pulsaren wird das SKA durch die schnelle Kartierung des Himmels die Chancen erhöhen, schon in Phase 1 ein Schwarzes Loch-Pulsar-System zu finden. Nichtsdestotrotz ist das Vermessen der Eigenschaften von Pulsaren und deren Entdeckung stark abhängig von der Qualität der Daten, mit der sich die Ankunftszeit der Pulse messen lassen, und somit abhängig von der Empfindlichkeit des Teleskops. Mit Phase 1 können zwar Gravitationswellen detektiert und sehr massive Schwarze Löcher vermessen werden, aber um Gravitationswellen zu studieren und auch stellare Schwarze Löcher zu untersuchen, brauchen wir das vollständige SKA in Phase 2.
Das SKA in Deutschland
Um die deutschen SKA-Aktivitäten zu organisieren und zu koordinieren, hat das German Long Wavelength Consortium eine SKA-Arbeitsgruppe gegründet (GLOWSKA), die als verbindendes Element zwischen der astronomischen Gemeinschaft in Deutschland, der SKA-Gemeinschaft insgesamt sowie den Industrie- und politischen Partnern fungiert. In diesem Zusammenhang wurde 2012 das Deutsche „Weißbuch” zum SKA erstellt (Abb. 2), das eine Momentaufnahme der deutsche SKA-Forschungslandschaft und der technologischen Herausforderungen darstellt [5].
(Kontakt: ska@mpifr-bonn.mpg.de).