Fläche des größten Radioteleskop-Netzwerks in Europa verdoppelt

Erste Teilnahme des 100-m-Teleskops Effelsberg am weltweit schnellsten Radioteleskop-Verbund

9. April 2008
Das 100-m-Radioteleskop Effelsberg hat sich zum ersten Mal an Messungen im Rahmen des europäischen e-EVN Netzwerkes beteiligt und damit seine Fähigkeit zur Entdeckung schwacher Radioquellen und Darstellung von Radiobildern höchster Auflösung nahezu in Echtzeit entscheidend verbessert. Durch die Hinzunahme des größten Radioteleskops in Europa hat das europäische Radiointerferometrie-Netzwerk e-EVN hat seine Leistungsfähigkeit beim Aufspüren schwacher Radioquellen fast verdoppelt. Mit der erstmaligen Beobachtung ("First Light") am 1. April 2008 ist das 100-m-Teleskop einem Club von bisher sechs europäischen Radioteleskopen, verteilt über ganz Europa, beigetreten. Dies wurde möglich durch die Fertigstellung einer 35 km langen Glasfaserleitung, gebaut vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), die das Radio-Observatorium Effelsberg mit dem europäischen Hochgeschwindigkeits-Datennetz verbindet. Damit stellt e-EVN nun nicht nur das schnellste Radiointerferometrie-Netzwerk weltweit dar, sondern erzielt auch eine hohe Empfindlichkeit zum Nachweis von extrem schwachen Radioquellen am Himmel. Die Datenleitung zwischen Effelsberg und Bonn wurde aus Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) finanziert, mit weiterer Unterstützung des EXPReS-Forschungsprogramms der Europäischen Kommission.

Die Herausforderung in der hier beschriebenen Beobachtungsmethode besteht in der gleichzeitigen Beobachtung mit einer Reihe von Radioteleskopen, die über ganz Europa verteilt sind (Effelsberg in Deutschland, Canbridge und Jodrell Bank in Großbritannien, Medicina in Italien, Onsala in Schweden, Torun in Polen und Westerbork in den Niederlanden), wobei mit der Technik der Radiointerferometrie ein gigantisches Radioteleskop der Größe von Westeuropa virtuell erzeugt wird. Die Daten werden nahezu in Echtzeit von jedem der Einzelteleskope zu einem zentralen Supercomputer (dem sogenannten Korrelator) in Dwingeloo (Niederlande) übertragen, der dieses Europa-weite Radioteleskop simuliert. Die Datenrate bei der Übertragung erreicht bis zu 1 Gigabit pro Sekunde von jedem Einzelteleskop, das 500fache eines normalen DSL-Anschlusses. Während einer knapp halbstündigen Beobachtung mit dieser Datenrate wurden insgesamt 1,5 Terabyte (1,5 x 1012 Byte) an Daten erzeugt, mit denen ein Bild erzeugt werden kann, dessen Winkelauflösung (Trennschärfe) im Radiowellenbereich diejenige des Weltraumteleskops Hubble im optischen Bereich um das Hundertfache übertrifft.

Professor Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und Sprecher des JIVE-Kontrollgremiums gratuliert dem deutschen Team, das die spezielle Hochgeschwindigkeits-Datenleitung für diese Messungen erstellt hat: "Mit der Unterstützung der Max-Planck-Gesellschaft und durch das mit EU-Mitteln geförderte EXPReS-Programm sind wir nun in der Lage, gerade durch die Beteiligung unseres 100-m-Teleskops in Effelsberg den aufkommenden e-VLBI-Service auf einen Standard zu heben, der richtige astronomische Untersuchungen von kurzzeitig veränderlichen Quellen bei hoher Auflösung möglich macht."

Die Glasfaserleitung, die das Radio-Observatorium Effelsberg mit dem MPIfR in Bonn verbindet, besteht aus 80 einzelnen Fasern. Mit Geräten und Methoden auf dem aktuellen Stand der Technik wurde das Kabel je nach Umgebungsituation durch Bohren, Einpflügen oder Eingraben in den Boden verbracht; es wurde auf Fußpfaden, Landstraßen oder Straßen innerhalb der Stadt verlegt, Felder wurden überquert und sogar eine Autobahn. Eine Vielzahl von Organisationen war an dem Projekt beteiligt, angefangen bei verschiedenen Abteilungen des MPIfR über die Verwaltungen mehrerer Gemeinden und Städte, zweier Bundesländer (Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz) bis hin zu Bundesbehörden und dem Deutschen Forschungsnetz (DFN).

Dazu Walter Alef, der Leiter der VLBI-Technologie-Gruppe am MPIfR: "Die Einrichtung der Hochgeschwindigkeits-Datenverbindung von Effelsberg über Bonn, Frankfurt, Amsterdam und schließlich nach Dwingeloo, zusammen mit entsprechenden Verbindungen von den anderen Teleskopen, wurde nur in der Zusammenarbeit von sehr vielen Leuten möglich, die ihr Bestes gegeben haben, um eine komplexe Beobachtung an der Vorderfront derzeitiger Technik zu realisieren."


e-VLBI (e-EVN): e-VLBI (e-EVN im Rahmen des Europäischen VLBI-Netzwerks EVN) ist eine Beobachtungstechnik, bei der Radioteleskope an unterschiedlichen Standorten zur gleichen Zeit die gleiche Region am Himmel erfassen. Die Daten von jedem Einzelteleskop werden aufgezeichnet und unmittelbar über schnelle Datenleitungen zu einem Zentralrechner verschickt. Dieser Zentralrechner, ein speziell ausgelegter Supercomputer, erfasst die Daten der Einzelbeobachtungen und korreliert sie für jede mögliche Teleskopkombination; dadurch werden Bilder von kosmischen Radioquellen erzeugt, die eine 100mal bessere Auflösung liefern als Bilder der besten optischen Teleskope. Das EXPReS-Programm entwickelt e-VLBI weiter, um die bisherige Praxis von VLBI-Beobachtungen mit der Datenspeicherung auf Festplatten mit hoher Speicherkapazität und den (postalischen) Versand dieser Festplatten zum Zentralrechner zu ersetzen. Durch elektronisch verbundene VLBI-Beobachtungen in Echtzeit wird der Versand der Rohdaten unnötig und die schnelle Erstellung von korrelierten Daten gewährleistet. Damit ist auch eine unmittelbare Erforschung plötzlich auftauchender astronomischer Ereignisse, so genannter "targets of opportunity", in Reichweite.

EXPReS: Das ist eine Abkürzung für "Express Production Real-time e-VLBI Service", ein über drei Jahre von der europäischen Kommission gefördertes Projekt zur Einrichtung eines über verschiedene europäische Forschungsinstitute reichenden astronomischen Beobachtungsinstruments von kontinentaler oder sogar interkontinentaler Größenordnung. Das elektronisch verbundene "Very Long Baseline Interferometer" (e-VLBI) wird auf der Grundlage von Hochgeschwindigkeits-Datenleitungen erreicht, mit denen einige der größten und leistungsfähigsten Radioteleskope der Erde buchstäblich in Echtzeit miteinander verbunden werden können. EXPReS setzt sich zusammen aus 19 radioastronomischen Forschungsinstituten und nationalen Forschungseinrichtungen in 14 Ländern, koordiniert durch JIVE, das "Joint Institute for VLBI in Europe".

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