Galaktischer Magnetismus und die Milchstraße

Durch Radiobeobachtungen der Galaktischen Synchrotronstrahlung der Gesamtintensität und der polarisierten Intensität lassen sich die wesentlichen Eigenschaften des Galaktischen Magnetfelds bestimmen.

Seit Bestehen des MPIfRs werden Durchmusterungen der Galaktischen Ebene bei verschiedenen Frequenzen durchgeführt, um die physikalischen Eigenschaften der beobachteten Objekte und der diffusen Strahlung zu enthüllen. Die meisten dieser Durchmusterungen sind im Survey Sampler des MPIfR enthalten.

Kontinuumsdurchmusterungen

Die Effelsberger 1.4-GHz-Durchmusterung bei mittleren Galaktischen Breiten (EMLS: Effelsberg 1.4-GHz Medium Galactic Latitude Survey), die sich zur Zeit in der Reduktionsphase befindet, überdeckt das 40° breite Band der nördlichen Galaktischne Ebene der Gesamtintensität und der dazugehörigen polsarisierten Strahlung. Die Winkelauflösung beträgt 9.35'. Die Empfindlichkeit der Gesamtintensität ist durch Überlagerung nicht aufgelöster Quellen in der Keule auf 7 mJy/Keule (oder 15 mK TB) begrenzt. Das Rauschen in den Karten der Stokes-Parameter U und Q beträgt 4 mJy/Keule. Die spektakulärsten Ergebnisse stammen von den Polarisationskarten, die eine unerwartete Vielfalt von Strukturen zeigen, und die kein Gegenstück in der Gesamtintensität aufweisen. Variationen der Faraday-Drehung in der magneto-ionischen Komponente des interstellaren Mediums sind für die beobachteten Strukturen verantwortlich. Zahlreiche sogenannte „Faraday-Screens”- d.h. drei-dimensionale Gebilde mit ausgerichtetem Magnetfeld - zeigen sich in den Polarisationskarten. Eine Absoluteichung ist für die Interpretation der polarisierten Strukturen unerlässlich. Dafür werden Daten einer neuen Durchmusterung mit niedrigerer Winkelauflösung verwendet, die mit dem DRAO 26-m-Telescope (Kanada) durchgeführt wurde. Auch diese Daten sowie erste Beispielkarten des EMLS finden Sie im MPIfR Survey Sampler.

Elektronendichte-Modell

Um Entfernungen von Pulsaren von ihren beobachteten Dispersionsmaßen abzuleiten oder um die Struktur des Magnetfelds der Milchstraße anhand der Rotationsmaße von Pulsaren oder extragalaktischen Quellen zu bestimmen, wird eine detaillierte Kenntnis der Verteilung der Elektronen in der Milchstraße benötigt. Wir haben untersucht, wie präzise acht Elektronendichtemodelle, die von verschiedenen Autoren vorgeschlagen worden sind, die Entfernungen von Pulsaren überhaupt vorhersagen können; vorausgesetzt, deren Entfernung konnte auch direkt durch Parallaxen oder die Assoziation mit Kugelsternhaufen abgeleitet werden. Dies führte zur Entwicklung von vier weiteren Modellen. Es stellt sich heraus, dass die von der jetzigen Generation von Elektronendichtemodellen abgeleiteten Entfernungen ungenau sind. Gemeinsam mit Kollegen aus anderen Instituten entwickeln wir die nächste Generation von Modellen.

Magnetfelder in der Milchstraße

Die großskalige Struktur des Magnetfeldes in der Milchstraße ist sehr viel schwerer zu bestimmen als in nahen Galaxien, da sich das Sonnensystem innerhalb der Milchstraßenscheibe befindet. Messungen der Faradaydrehung von Pulsaren mit bekannter Entfernung und von extragalaktischen Quellen, die durch die Milchstraße hindurchscheinen, erlauben es, ein dreidimensionales Bild des Galaktischen Magnetfeldes zu konstruieren. Die großskalige Struktur des Magnetfeldes folgt den optisch sichtbaren Spiralarmen, wie in anderen Galaxien auch. Magnetfelduntersuchungen der Milchstraße haben eine viel größere räumliche Auflösung verglichen mit nahen Galaxien und erlauben deshalb Untersuchungen von Details. Eine Umkehr der großskaligen Magnetfeldrichtung in der Scheibe der Milchstraße wurde innerhalb des Abstandes des Sonnensystems vom Galaktischen Zentrum gefunden. Dies ist bislang einmalig im Vergleich zu Magnetfeldern in nahen Galaxien. Die ausgerichtete und die fluktuierende Magnetfeldkomponente sind in Sonnennähe ungefähr gleich groß und betragen einige mikro-Gauss. Das Magnetfeld in der Galaktischen Zentrumsregion ist deutlich höher, was auch durch kürzlich durchgeführte Beobachtungen des ersten Pulsars im Galaktischen Zentrum bestätigt wurde (Pressemitteilung). Das Magnetfeld in der Scheibe ist symmetrisch relativ zur Galaktischen Ebene, aber anti-symmetrisch für das toroidale Halomagnetfeld, d.h. die Richtungen oberhalb und unterhalb der Galaktischen Ebene sind entgegengesetzt.

Simulationen der polarisierten Strahlung

Modelle des Galaktischen Magnetfeldes wurden auf der Basis von Radiokarten des gesamten Himmels bei niedrigen und hohen Frequenzen entwickelt. Zusätzlich wurden Gesamthimmelskarten der polarisierten Strahlung bei 1.4 GHz (DRAO 26-m- und Villa Elisa 30-m-Teleskope) und bei 22.8 GHz (WMAP) einbezogen, sowie zahlreiche Rotationsmaße extragalaktischer Quellen in der Ebene und in hohen Breiten. Das Ergebnis ist ein zuverlässiges 3D-Magnetfeldmodell, das mit allen verfügbaren Beobachtungen übereinstimmt. Dieses 3D-Modell erlaubt die Milchstraße aus jeder Richtung von außen anzusehen. Es zeigt sich eine weit geringere Ausdehnung des Milchstraßenhalos als bislang angenommen. Das 3D-Modell hilft auch bei der Interpretation von Beobachtungen naher Galaxien.      

Auf Grundlage des Milchstraßenmodells wurden Himmelskarten bei niedrigen Frequenzen simuliert, wie sie künftig von LOFAR beobachtet werden. Simulationen kleiner Felder mit Bogensekunden Auflösung wurden für diffuse Galaktische Strahlung und die Rotationsmaß-Verteilung extragalaktischer Quellen als Teil der „SKADS Sciene Simulations” durchgeführt, die zur Abschätzung des Galaktischen Einflusses auf SKA Beobachtungen extragalaktischer Quellen oder auf niederfrequente Experimente zum Nachweis von Signalen aus der Epoche der Reionisation benötigt werden. Ein anderer Aspekt der „SKADS Sciene Simulations” basiert auf der Dynamo-Theorie mit dem Ziel der Bestimmung von Zeitskalen zur Verstärkung und Ausrichtung von Magnetfeldern in Galaxien. Modelle, die die Bildung und Entwicklung von Zwerg- und Scheiben-Galaxien beschreiben, bilden die Grundlage für ein Entwicklungsmodell des turbulenten und des geordneten Magnetfeldes, dessen Vorhersagen durch Beobachtungen getestet werden können.

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