Spuren einer gewaltigen Explosion prasseln auf die Erde

Hochenergetische Strahlung aus dem Innern der Milchstraße zeugt von einem Gammastrahlenausbruch vor langer Zeit

19. März 2004
Ein gewaltiger Gammastrahlungsausbruch in der Milchstraße hinterlässt Spuren, die noch nach etwa einer Million Jahren auf der Erde nachweisbar sein könnten. Der Überschuss an extrem hochenergetischer kosmischer Strahlung, der heute aus Richtung des Zentrums unserer Milchstraße auf die Erde trifft, kann durch ein solches Ereignis verursacht sein. Seit mehr als 10 Jahren registrieren Messgeräte in Japan und Australien diese Strahlung, bisher war aber nicht klar, durch welche Prozesse sie entsteht. Ein internationales Forscherteam um Prof. Peter L. Biermann vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie und der Universität in Bonn hat nun eine Theorie entwickelt, wie die Energie von einer solch gewaltigen Sternenexplosion aus dem Innern der Milchstraße weitergegeben und schließlich auf der Erde nachgewiesen wird. Träger der Energie sind zunächst schnelle Protonen. Auf dem Weg durch die Galaxie wandeln sie sich mehrfach um und kommen schließlich als Neutronen bei uns an.

Kosmische Gammastrahlungsausbrüche (engl. "gamma ray burst" oder GRB) wurden bereits in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts entdeckt, aber erst 1997 gelang es zum ersten Mal, ein optisches Gegenstück zu einem Gammastrahlungsausbruch aufzuspüren. Das Hauptproblem dabei ist, dass die Ausbrüche sehr kurz sind und man daher sehr schnell reagieren muss, um optische Teleskope auf die jeweilige Himmelsregion auszurichten. Gammastrahlungsausbrüche sind nämlich seltene Ereignisse. In unserer Milchstraße tritt etwa einmal in einer Million Jahren eine solche Explosion auf. Erst Anfang 2003 konnte die Verbindung zwischen GRBs und gewaltigen Supernova-Explosionen nachgewiesen werden. Praktisch alle Modelle für Gammastrahlungsausbrüche schlagen vor, dass sich die Energie von der Explosion eines massereichen Sterns über entgegengesetzt gerichtete extrem energiereiche Teilchenstrahlen oder Jets ausbreitet (siehe z.B. Jochen Greiner et al., Pressemeldung der Max-Planck-Gesellschaft vom 13. November 2003).

In Zusammenarbeit mit seinen Kollegen Gustavo M. Tanco von der Universität Sao Paulo (Brasilien), Ralph Engel vom Forschungszentrum Karlsruhe sowie Giovanna Pugliese von der ESO in Garching hat Peter Biermann nun den weiteren Weg der dort freigesetzten Partikelstrahlung in der Milchstraße verfolgt. In einer soeben im "Astrophysical Journal" veröffentlichten Arbeit (2004, Astrophysical Journal Letters 604, L29-L32) haben sie berechnet, welche Auswirkungen hier auf der Erde zu erwarten sind, wenn ein solcher Gammastrahlungsausbruch im Innern unserer Milchstraße stattgefunden hat.

In den Jets werden die Protonen beschleunigt, aber das Magnetfeld hält sie im Inneren der Jets. Es kommt zu Zusammenstößen mit Lichtteilchen (Photonen) und die Protonen werden dabei zerlegt. Die dabei erzeugten Neutronen beeinflusst das Magnetfeld nicht und sie fliegen davon. Neutronen sind jedoch nicht stabil, sie haben nur eine Lebensdauer von ca. 15 Minuten, dann zerfallen sie und als Zerfallsprodukte entstehen wiederum Protonen, die vom Magnetfeld im Inneren der Galaxis zurückgehalten werden. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit stößt ein solches Protonen mit einem anderen Proton in der Umgebung (interstellares Gas) zusammen und neben verschiedenen anderen Elementarteilchen entsteht wieder ein Neutron. Beim Eintritt in die Erdatmosphäre löst ein solches Neutron eine wahre Kettenreaktion aus, die leicht nachgewiesen werden kann. Die Berechnungen haben ergeben, dass selbst eine Million Jahre nach einem Strahlungsausbruch der Neutronenfluss bei einer Energie von etwa 1018 eV noch messbar ist.

Einen solchen Neutronenstrom aus Richtung des Zentrums unserer Milchstraße haben verschiedene Forschergruppen aus Japan und Australien tatsächlich entdeckt, konnten den Ursprung aber bis jetzt nicht erklären.

Und dies wird durch das hier präsentierte Modell möglich. Es wäre allerdings eine noch viel dramatischere Auswirkung hier auf der Erde vorstellbar. "Glücklicherweise ist es statistisch sehr unwahrscheinlich, dass der eng kollimierte Jet des Gammastrahlungsausbruchs genau auf die Erde ausgerichtet ist. Das könnte schon verheerende Auswirkungen haben; immerhin ist das in nur wenigen Sekunden die gleiche Energie, die die Sonne in mehreren Minuten abstrahlt, und das noch in viel gutmütigerer Form", sagt Peter Biermann.

Eine solide Überprüfung dieses Modells wird durch das nach Pierre Auger benannte Experiment zur Untersuchung von kosmischer Strahlung bei höchsten Energien ermöglicht. Der Standort in Argentinien ist ideal geeignet, um kosmische Strahlung gerade aus der Richtung des Galaktischen Zentrums zu untersuchen. Und die Kombination unterschiedlicher Teilchendetektoren in diesem Experiment erlaubt den Nachweis kosmischer Teilchen in einem Energiebereich von nur wenigen 1017 eV bis zu den höchsten bekannten Energien.

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