Nachtleuchtende Wolken, die sich in der Mesosphäre bilden, beobachtet von der Internationalen Raumstation am 29. Mai 2016. Diese Wolken entstehen zwischen 76 und 85 Kilometern über der Erdoberfläche, nahe der Grenze zwischen Mesosphäre und Thermosphäre, und helfen, diesen wenig verstandenen Teil der oberen Atmosphäre zu visualisieren

SOFIA bietet neuen Weg zur Erforschung der Erdatmosphäre

1. April 2021 /

[Bild: ESA/NASA/ Tim Peake]

Normalerweise untersucht SOFIA, die von der amerikanischen Weltraumbehörde NASA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt betriebene fliegende Sternwarte, Galaxien, Sternentstehungsgebiete, Planeten und Kometen. Ein Team um Heiko Richter und Heinz-Wilhelm Hübers vom DLR Institut für Optische Sensorsysteme in Berlin hat nun gezeigt, dass SOFIA auch die Möglichkeit bietet, die Atmosphäre unseres Heimatplaneten besser zu verstehen. Dazu haben die Wissenschaftler die Konzentration von atomarem Sauerstoff in der Mesosphäre und der unteren Thermosphäre der Erde im Höhenbereich von 80 bis 400 km durch hochaufgelöste spektrale Messungen bestimmt. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Nature Journal Communications Earth and Environment veröffentlicht.

Warum (nur) in die Ferne schweifen?
Bereits vor einem Jahrzehnt trieb Heinz-Wilhelm Hübers, Co-Autor der Studie, Direktor des Instituts für Optische Sensorsysteme und Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin, maßgeblich die Entwicklung einer neuen Technologie für SOFIA voran. Mit Hilfe des ersten kompakten 4.7 THz- Lasersystems wurde GREAT, der German REceiver for Astronomy at Terahertz Frequencies um ein neues Frequenzband erweitert. Da kam Hübers ein Gedanke: "SOFIA blickt durch die obere Erdatmosphäre hindurch während es das ferne Universum beobachtet, und ich dachte es wäre faszinierend, eines Tages mit dem GREAT-Instrument Daten zu sammeln, die der Erforschung unserer eigenen Atmosphäre zugutekommen könnten", erinnert er sich.

Jahre später, GREAT hatte bereits einige großartige Entdeckungen gemacht - darunter die Entdeckung der ersten Molekülart, die sich im frühen Universum bildete -, setzte Hübers seinen Plan zusammen mit Heiko Richter und weiteren Kolleginnen und Kollegen in die Tat um: Zum ersten Mal konnten sie direkt den Sauerstoff in der wenig untersuchten Schicht der oberen Erdatmosphäre, der Mesosphäre und unteren Thermosphäre, messen.
Atomarer Sauerstoff unterscheidet sich von dem lebensnotwendigen molekularen O2, das in tieferen Atmosphärenschichten vorherrscht. Er spielt eine wichtige Rolle bei der Kühlung der oberen Atmosphäre und wird daher zur Abschätzung der Temperaturen in diesen Regionen verwendet.  Direkte Messungen verbessern diese Temperaturschätzungen und somit festigen die SOFIA Daten das Verständnis darüber, wie z. B. die Sonnenenergie zwischen Erdoberfläche und dem Weltraum ausgetauscht wird. Klimamodelle sagen voraus, dass zunehmende Treibhausgase die Temperaturen in der unteren Atmosphäre erhöhen, aber die Temperaturen in der Mesosphäre senken werden.  Eine genauere Überwachung der der Konzentration des atomaren Sauerstoffs in der Mesosphäre und unteren Thermosphäre kann den Forschern helfen, die Beziehung zwischen der unteren und oberen Atmosphäre besser zu verstehen.


Feedback RCW36Nachtleuchtende Wolken, die sich in der Mesosphäre bilden, beobachtet von der Internationalen Raumstation am 29. Mai 2016. Diese Wolken entstehen zwischen 76 und 85 Kilometern über der Erdoberfläche, nahe der Grenze zwischen Mesosphäre und Thermosphäre, und helfen, diesen wenig verstandenen Teil der oberen Atmosphäre zu visualisieren. Credit: ESA/NASA/ Tim Peake.

Atmosphärendaten Nebenprodukt astronomischer Beobachtungen
Die Mesosphäre, beginnt in einer Höhe von etwa 50 km beginnt und war bisher nur schwer zu untersuchen. Bodengestützte Beobachtungen werden durch Wasserdampf in der unteren Atmosphäre verzerrt, wenn nicht gar verhindert; Satelliten konnten bisher keine direkten Detektionen machen, sondern müssen über die Messung anderer Moleküle oder Frequenzen mittels komplexer photochemischer Modelle auf den Sauerstoffgehalt schließen. Instrumente, die in den 1990er Jahren auf Raketen und dem Space Shuttle geflogen sind, konnten nur eine kurze Momentaufnahme des Sauerstoffs in diesen Regionen festhalten. 
SOFIA fliegt in einer Höhe von 12 – 14 Kilometern oberhalb von 99,9 % des Wasserdampfs in der Atmosphäre und ist groß genug, um die Infrarotinstrumente zu tragen, die zur direkten Messung von Sauerstoff benötigt werden. SOFIA-Beobachtungen untersuchen regelmäßig atomaren Sauerstoff im Weltraum, wo er bei der Geburt neuer Sterne eine wichtige Rolle spielt, und haben ihn sogar in der Marsatmosphäre nachgewiesen. „Nebenbei“ enthält das Datenarchiv von SOFIA eine Fülle von Atmosphärendaten aus vielen Jahreszeiten, Orten und Jahren. Um aus diesen Daten die Informationen über die Erdatmosphäre zu extrahieren und um sie richtig kalibrieren, analysieren und interpretieren zu können, entwickelten Hübers und Richter über Jahre die benötigten Werkzeuge, Prozesse und Modelle.
"Obwohl die Atmosphärendaten eigentlich ein Nebenprodukt unserer astronomischen Beobachtungen sind, freuen wir uns sehr darüber, dass SOFIA dazu beitragen kann, unseren Heimatplaneten besser zu verstehen“, so Hübers.

Die jetzt veröffentlichen Ergebnisse basieren auf Beobachtungen die, 2015 während eines SOFIA-Wissenschaftsfluges gesammelt wurden, der an der Westküste der USA in Richtung Kanada stattfand, und auf dem der 5.000 Lichtjahre entfernte kugelförmige Quallen-Nebel beobachtet wurde. Die Untersuchung weiterer Daten, die z.B. während Beobachtungen von Neuseeland aus und während der jüngsten Flüge von Köln aus gemacht worden sind, soll folgen. Sie sollen Aufschluss darüber geben, wie sich dieser Bereich der Atmosphäre über die Jahreszeiten und Standorte hinweg verändern kann.  

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SOFIA, das Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR; Förderkennzeichen 50OK0901, 50OK1301 und 50OK1701) und der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Es wird auf Veranlassung des DLR mit Mitteln des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart durchgeführt. Der wissenschaftliche Betrieb wird auf deutscher Seite vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart koordiniert, auf amerikanischer Seite von der Universities Space Research Association (USRA). Die Entwicklung der deutschen Instrumente ist finanziert mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des DLR.

Kontakt mehlert@dsi.uni-stuttgart.de
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