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Presseinformation


PRI (MPIfR) 07/00 (1)

08. Juli 2000


MILLIMETERFENSTER BLEIBEN FÜR RADIOASTRONOMEN OFFEN

Astronomen sichern sich den Zugang zu einem wichtigen Teil des Frequenzspektrums

Astronomen, die das Millimeter-Wellenspektrum beobachten, haben eine entscheidende Schutzmaßnahme für den Fortbestand ihrer Wissenschaft erreicht. Die 2500 Delegierten der Weltfunkkonferenz, WRC-2000, haben einer großzügigen Frequenzzuweisung für die Radioastronomie zugestimmt. Die WRC-2000 endete kürzlich, nach einem 4-wöchigen Verhandlungsmarathon in Istanbul. Sie hat nun alle die Frequenzbereiche zwischen 71 GHz und 275 GHz (entsprechend ca. 4 mm bis 1 mm Wellenlänge), die von den Astronomen zur Zeit beobachtet werden, für diesen Zweck reserviert. Dadurch ist der Anteil der Radioastronomie an diesem Teil des Frequenzspektrums von vorher 44 GHz auf nunmehr fast 140 GHz angewachsen und überdeckt somit die Hälfte des gesamten Spektrums in diesem Bereich. Tatsächlich ist dadurch der größte Teil der Frequenzen für die Radioastronomie bereitgestellt, die überhaupt vom Erdboden aus beobachtet werden können und nicht von der Atmosphäre verschluckt werden.

Die Neuzuweisung eines großen Teils des Millimeter-Wellenspektrums bringt eine dreijährige Planung und Vorbereitung zum erfolgreichen Abschluss, an der Radioastronomen aus aller Welt beteiligt waren.

Der Millimeter-Wellenlängenbereich ist erst in den letzten zwei Jahrzehnten für die radioastronomische Beobachtung erschlossen worden. Ihre Beobachtung ist technologisch noch immer eine Herausforderung.

1.
30-m-Radioteleskop auf dem Pico Veleta in Spanien. Das vom Institut für Radioastronomie im Millimeterwellenbereich (IRAM) betriebene Teleskop arbeitet genau in dem Frequenzbereich (zwischen 4 mm und knapp 1mm Wellenlänge), auf den sich die von der WRC-2000 getroffene Frequenzzuweisung bezieht.


"Kommerzielle Anwendungen sind noch nicht sehr stark entwickelt oberhalb von Frequenzen von 50 GHz", sagt Klaus Ruf vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, Mitglied der deutschen Delegation zur WRC und Vorsitzender der "Inter-Union-Commission for the Allocation of Frequencies", IUCAF. "Das Ergebnis der WRC bedeutet, dass die Radioastronomie die meisten dieser Frequenzbänder mit terrestrischen Funkanwendungen gemeinsam nutzen kann, und dass die besonders störenden Satellitenaussendungen sich auf die Frequenzbänder konzentrieren werden, auf die die Radioastronomie am leichtesten verzichten kann."

"Wir haben jetzt formell Zugang zu allen drei atmosphärischen Fenstern, bis auf schmale Randbereiche," sagt Tom Gergely von der astronomischen Abteilung der National Science Foundation in Washington und Mitglied der US Delegation zur WRC. Die WRC verschob auch die Frequenzbänder, die für Satellitenaussendungen im Frequenzbereich 71 GHz bis 275 GHz vorgesehen sind. Da bis jetzt noch keine Satelliten bei diesen hohen Frequenzen betrieben werden, werden Umrüstungen bereits bestehender Einrichtungen dadurch nicht erforderlich. Weltfunkkonferenzen werden alle zwei bis drei Jahre abgehalten. Die Mitgliedstaaten der Internationalen Fernmeldeunion, ITU, kommen bei diesen WRCs zusammen um das Radiofrequenzspektrum aufzuteilen zwischen solchen Funkanwendungen wie Mobiltelefon, Satellitenfernsehen, GPS und Amateurfunk, aber auch den wissenschaftlichen Funkdiensten wie Radioastronomie, Erderkundung oder Weltraumforschung. Die WRCs befinden aber auch über die Bedingungen für die gemeinsame Nutzung eines Frequenzbandes durch verschiedene Funkdienste.

Die Ergebnisse der WRC werden Bestandteil der "Radio Regulations" (auf deutsch: Vollzugsordnung für den Funkdienst, kurz: VO Funk), eines Vertragswerks, das international die Nutzung des Frequenzspektrums regelt.

Die jetzt erfolgten Neuzuweisungen für die Radioastronomie sind die ersten seit 1979. Die Millimeter-Astronomie steckte damals noch in den Kinderschuhen und der Frequenzbedarf war noch nicht genau bekannt. Als die Astronomen diesen Bereich des Spektrums erschlossen, fanden sie eine Vielzahl von Spektrallinien, die von interessanten Molekülen im All aus gesandt werden. Viele der interessantesten Linien fallen nicht in die Frequenzbänder, die ursprünglich für die Radioastronomie reserviert worden waren, aber die nun erfolgten Neuzuweisungen decken die meisten Linienfrequenzen ab.

"Dies ist ein enormer Gewinn für die Wissenschaft", sagt John Whiteoak von der Australian Telescope National Facility, Mitglied der australischen WRC-Delegation und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Radioastronomie im Funksektor der ITU. "Damit ist die Zukunft der Millimeter-Astronomie gesichert!"

Der neu gewonnene Schutz ist ein entscheidender Schritt vorwärts für existierende Millimeter-Wellen-Teleskope, wie sie vom Institut für Radioastronomie im Millimeterbereich (IRAM), einem deutsch-französich-spanischen Gemeinschaftsunternehmen, betrieben werden. "Die jetzt neu geschützten Radiofrequenzen sind genau im Einsatzbereich unserer Teleskope, des 30-m-Radioteleskops in Spanien und des Radiointerferometers in Frankreich, erfolgt." freut sich Michael Grewing, der leitende Direktor von IRAM. Diese Schutzmaßnahmen sind ebenso für den Einsatz von weltweit vernetzten Radioteleskopen (VLBI oder Very Long Baseline Interferometry) im Millimeterwellen-Bereich von großer Bedeutung.

Auch zukünftige Projekte werden davon profitieren, wie das "Atacama Large Millimeter Array" (ALMA), das zur Zeit von einem europäisch-amerikanischen Konsortium geplant wird. Selbst an einem so abgelegenen Standort wie der Atacama-Wüste in Chile in 5000 m Höhe könnte ALMA durch Interferenzen von Satellitenaussendungen gestört werden.

"Durch die neue Regelung wird sichergestellt, dass ALMA ungestört entscheidende neue Erkenntnisse über die Entstehung von Sternen und Planeten liefern kann", sagt Karl Menten, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und Vorsitzender des internationalen wissenschaftlichen Beirats für ALMA. "Diese und viele andere wichtige astronomische Fragen werden am besten durch Beobachtungen von Millimeterstrahlung adressiert."

Der Erfolg bei der WRC wird ebenso von Johannes Andersen begrüßt, dem Generalsekretär der Internationalen Astronomischen Union (IAU), die alle Astronomen weltweit repräsentiert. "Der Erhalt der Möglichkeiten, das Universum zu beobachten, steht ganz oben auf der Prioritätenliste der IAU", sagte Andersen. "Das Ergebnis beweist, dass auch internationale Gremien die Notwendigkeit erkennen können, durch die Vereinbarung von Emissionsstandards unsere Umwelt zum Nutzen aller zu bewahren, auf der Erde wie auch im Weltraum."

Diese Pressemitteilung basiert zum Teil auf einer bereits in englischer Sprache veröffentlichten Pressemitteilung des NRAO (National Radio Astronomy Observatory) in den USA:

http://www.aoc.nrao.edu/pr/mmwrc.html

Weitere Auskünfte erhalten Sie gern von

Dr. Klaus Ruf,
Max-Planck-Institut für Radioastronomie,
Telefon: 0228/525(0)-255
Fax: 0228/525-229
e-mail: kruf@mpifr-bonn.mpg.de

Dr. Norbert Junkes,
Max-Planck-Institut für Radioastronomie,
Telefon: 02257/301-103 (Effelsberg)
Telefon: 0228/525(0)-399 (Bonn)
Fax: 0228/525-438
e-mail: njunkes@mpifr-bonn.mpg.de