Das staubige Herz eines aktiven Sternsystems

Eine dichte Scheibe und ein heller Schlot im Zentrum der Circinus-Galaxie

13. März 2014
Einer internationalen Forschergruppe unter der Leitung von Konrad Tristram vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie ist es gelungen, die bisher detailreichste hochaufgelöste Infrarot-Studie von der Umgebung eines extrem massereichen Schwarzen Lochs im Zentrum einer aktiven Galaxie zu erhalten. Die Beobachtungen der Circinus-Galaxie zeigen zum ersten Mal, dass sich der von der zentralen Energiequelle einer aktiven Galaxie beleuchtete Staub in zwei voneinander getrennten Komponenten befindet. Dabei ist eine verbogene Staubscheibe im Inneren von großräumiger verteiltem Staub umgeben. Die großräumigere Staubkomponente dürfte den überwiegenden Anteil der Abschattung des inneren Bereichs in der Umgebung des zentralen Schwarzen Lochs verursachen. Diese Modellvorstellung ist deutlich komplizierter als das über die vergangenen Jahrzehnte favorisierte einfache Modell eines Staub-Donuts. Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Astronomy & Astrophysics" veröffentlicht.


In den Kernregionen von aktiven Galaxien werden gewaltige Energiemengen dadurch freigesetzt, dass das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum einer solchen Galaxie Materie verschluckt. Die Schwarzen Löcher haben Massen, die die Masse unserer Sonne um das Millionenfache oder sogar Milliardenfache übersteigen. Die Materie wird auf ihrem Sturzflug auf das Schwarze Loch derart heiß und leuchtkräftig, dass sie die gesamte übrige Galaxie mit ihren Milliarden von Sternen überstrahlen kann. Die schiere Menge der im Zentralbereich freigesetzten Energie wirkt sich natürlich auch auf die umgebende Galaxie aus. Man nimmt daher an, dass aktive Galaxienkerne eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Entwicklung von Galaxien spielen und dass sie deswegen das derzeitige Erscheinungsbild des Universums signifikant mitgestaltet haben.

Dem Forschungsteam ist es gelungen, unter Verwendung des MIDI-Instruments am Very Large Telescope Interferometer der Europäischen Südsternwarte (ESO) in der chilenischen Atacamawüste einen vorher nicht erreichten klaren Blick auf die Struktur und Verteilung des warmen Staubs im Kernbereich der Circinus-Galaxie zu erhalten. Diese Galaxie liegt in Richtung des südlichen Sternbilds Circinus (der Zirkel) in nur 13 Millionen Lichtjahren Entfernung und beherbergt in ihrem Zentrum einen der nächstgelegenen und demzufolge hellsten aktiven Galaxienkerne.

"Wir haben mindestens doppelt so viele interferometrische Daten gesammelt wie für alle anderen Galaxien", berichtet Konrad Tristram vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), der Erstautor der Veröffentlichung. "Durch unsere Beobachtungen wird die Circinus-Galaxie zur am besten untersuchten Quelle in optischer und Infrarot-Interferometrie außerhalb unserer Milchstraße." Durch die Verknüpfung von zwei separaten Teleskopen steigern die interferometrischen Messungen die räumliche Auflösung am Himmel zu der eines Teleskops mit 92 m Durchmesser.

Im Fall der Circinus-Galaxie konnten die Wissenschaftler zum ersten Mal zeigen, dass die Strahlung des Staubs im zentralen Bereich aus zwei komplett unterschiedlichen Bereichen kommt, nämlich einer inneren, scheibenförmigen Struktur und einer weiteren Komponente, die in senkrechter Richtung dazu ausgedehnt ist. Die innere Staubscheibe hat einen Durchmesser von ca. drei Lichtjahren und stimmt in ihrer Position sehr gut überein mit einer verbogenen Gasscheibe, die mit Hilfe der Strahlung des Wassermoleküls nachgewiesen wurde.   

Die innere Staubscheibe wird umgeben von einer wesentlich größeren Staubverteilung mit einer Ausdehnung von mindestens sechs Lichtjahren. Dabei ist nur der innere Rand dieses Staubes sichtbar, der von der Strahlung aus der Zentralregion direkt ausgeleuchtet wird. Dieser innere Schlot erscheint senkrecht zu der Staubscheibe ausgedehnt. Dabei wird die südöstliche Seite wesentlich stärker verdunkelt als die nordwestliche Seite. Das führt zu der starken Asymmetrie und Farbänderung in der beobachteten Strahlung.

"Daraus können wir schließen, dass die ausgedehntere Staubkomponente die Abschirmung des Zentralbereichs und die Begrenzung des sichtbaren Ionisationskegels verursacht", erklärt Leonard Burtscher vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching. "Wir sehen nur den direkt ausgeleuchteten Bereich am inneren Rand dieser Komponente. Das ist mit Sicherheit im Widerspruch zu einigen früheren Annahmen."

Aktive Galaxienkerne erscheinen in zwei unterschiedliche Klassen: zum einen die mit einem direkten Blick auf den inneren Kernbereich mit der Akkretionsscheibe, in der die großen Energiemengen freigesetzt werden, zum anderen die mit versperrtem Blick in den zentralen Bereich. Diese Zweiteilung wird normalerweise geometrisch erklärt: eine donut-förmige Verteilung von dichtem Gas und Staub umgibt den Zentralbereich des aktiven Galaxienkerns und wird als 'Torus' bezeichnet. Von oben gesehen, kann man durch das Loch im Torus direkt bis zur Zentralbereichs durchsehen, während von der Seite aus das Material des Torus die Durchsicht versperrt. Der Torus selbst dürfte auch eine wichtige Rolle bei der Fütterung des supermassereichen Schwarzen Lochs spielen. Er liefert das Material, welches schließlich vom Zentralobjekt verschluckt wird. Die Untersuchung der Funktion dieses Torus wird damit bedeutsam für das Verständnis von aktiven Galaxienkernen und deren Rolle bei der Galaxienentwicklung.

Obwohl das Bild des Torus nun sehr viel klarer geworden ist, bleiben dennoch noch offene Fragen. Zum Beispiel haben beide Staubkomponenten, die innere Scheibe und die ausgedehntere Komponente senkrecht dazu, eine übereinstimmende Temperatur von ca. 300 Kelvin (das entspricht ~30° Celsius, also ungefähr Raumtemperatur). Überraschenderweise gibt es keinen Anhaltspunkt für einen Temperaturanstieg zum Zentrum hin, wie es für eine zentrale Heizung des Staubes zu erwarten wäre.

"Das gleichzeitige Vorhandensein einer hellen scheibenförmigen Komponente und senkrecht dazu einer ausgedehnteren Staubkomponente, beide mit ähnlicher Temperatur, wird von den derzeitigen Modellen für aktive Galaxienkerne nicht vorhergesagt", schließt Gerd Weigelt, Direktor am MPIfR und Leiter der Forschungsabteilung für Infrarot-Astronomie. "Wir brauchen also sowohl neue Modelle als auch neue VLTI-Beobachtungen mit dem kommenden MATISSE-Instrument, um unser Verständnis der dreidimensionalen Staubverteilung in aktiven Galaxienkernen zu verbessern."

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