Deutsch-Australische Forschungskooperation in der Radioastronomie

Unterzeichnung eines Abkommens zur Zusammenarbeit zwischen den führenden radioastronomischen Forschungseinrichtungen beider Länder

5. März 2008
Zwei der größten radioastronomischen Forschungseinrichtungen, die "Australia Telescope National Facility" (ATNF) in Australien und das Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Deutschland, haben ein Abkommen zur Verstärkung ihrer wissenschaftlichen und technischen Zusammenarbeit unterzeichnet. Es ist eine strategische Kooperation, vor allem in Hinblick auf die Entwicklung eines gigantischen Radioteleskops der nächsten Generation, des "Square Kilometer Arrays" (SKA) als internationalem Großprojekt. Eine lang andauernde Zusammenarbeit sowohl in der Forschung als auch in der technologischen Entwicklung in der Radioastronomie in beiden Ländern hat bereits zu einer Reihe von erfolgreichen Forschungskooperationen in den vergangenen Jahrzehnten geführt. Sie erstreckte sich über die Erforschung der Zentralregionen aktiver Galaxien, Magnetfelder im Universum oder die Untersuchung von Pulsaren.

Zwei große radioastronomische Forschungsinstrumente auf Nord- und Südhalbkugel der Erde: das 100m-Radioteleskop des MPIfR bei Effelsberg in der Eifel (links) und das 64m-Radioteleskop des ATNF bei Parkes in Australien (rechts). Beide Teleskope zusammen ermöglichen es, den kompletten Radiohimmel mit hoher Empfindlichkeit zu erfassen.

Die Max-Planck-Gesellschaft in Deutschland, vertreten durch das Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), und die "Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation" (CSIRO), vertreten durch die "Australia Telescope National Facility" (ATNF), haben ein Abkommen zur Zusammenarbeit bei der Entwicklung neuer Instrumente für die Radioastronomie und zur Verstärkung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit in der Radioastronomie zwischen Forschern beider Länder vereinbart. Das Abkommen wurde unterzeichnet von Prof. Karl Menten und Prof. Anton Zensus, beide Direktoren am MPIfR, und von Prof. Brian Boyle, dem Direktor des ATNF. Die Unterzeichnung fällt zusammen mit dem Berlin-Besuch des australischen Ministers für Innovationen, Industrie, Wissenschaft und Forschung, Senator Kim Carr, bei seiner deutschen Kollegin, der Ministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan.

Beide Institute, ATNF und MPIfR, sind am Programm für Entwicklung und Aufbau des globalen "Square Kilometer Arra" (SKA) Forschungsprojekts beteiligt. Sie engagieren sich in Pfadfinderprogrammen, die schließlich zum SKA führen werden, wie dem "Australian SKA Pathfinder" (ASKAP) oder den LOFAR-Teleskopstationen in Deutschland. Das SKA (Abbildung 2) wird kein Einzelteleskop darstellen, sondern aus einem Netzwerk von Tausenden von Einzelantennen bestehen, die über Entfernungen von bis zu 3000 km getrennt sind. Die Hälfte der Einzelantennen wird allerdings in einem zentralen Bereich von ca. 5 km Durchmesser aufgestellt sein. Australien bildet (neben dem südlichen Afrika) einen von zwei möglichen Standort-Kandidaten für das SKA. Dessen endgültiger Standort wird von einer internationalen Kommission in naher Zukunft festgelegt. Das SKA wird 50mal empfindlicher sein als die besten Radioteleskope der Gegenwart. Es wird ein neues Fenster ins Universum öffnen zur Erforschung der ersten Sterne und Galaxien im frühen Universum und der Magnetfelder in nahen und fernen Galaxien. Es dient auch zur Untersuchung der Dunklen Energie, die das Universum mit immer größerer Geschwindigkeit auseinandertreibt.

"Wir haben eine ganze Reihe von gemeinsamen Interessen. Die notwendigen technischen Entwicklungen, die überhaupt erst den Weg zum SKA freimachen, werden einen Durchbruch bei der Erforschung des Universums und bei der Weiterentwicklung der Radioastronomie bewirken", sagt Prof. Anton Zensus, der Vorsitzende des europäischen SKA Konsortiums.

Die wissenschaftliche Zusammenarbeit in der Radioastronomie zwischen Deutschland und Australien berührt eine Reihe von Forschungsbereichen in der modernen Astrophysik. Speziell auf dem Gebiet der Sternentstehung und der Astrochemie gibt es gemeinsame Forschungsprojekte (Gruppe von Prof. Karl Menten), ebenso bei der Untersuchung physikalischer Prozesse in den Zentralbereichen aktiver Galaxien (Gruppe von Prof. Anton Zensus). Beide Institute, MPIfR und ATNF, betreiben erstklassige Radioteleskope, zu denen Effelsberg- und IRAM-Teleskop in Europa gehören, sowie APEX in Chile, das Parkes-Teleskop und das "Australia Telescope Compact Array" (ATCA) in Australien.

Im Rahmen der neuen Vereinbarung wird es langfristige Kooperationen geben bei der Entwicklung von neuartigen Verstärkern bei hohen Frequenzen für das Effelsberg-Teleskop, der Untersuchung von Magnetfeldern im Universum, von Sternentstehungsprozessen in unserer Milchstraße mit dem Mopra-Teleskop und dem ATCA. Sie umfasst auch den Ausbau hochempfindlicher Radiobeobachtungen im weltweiten Netzwerk ("Very Long Baseline Interferometry" oder VLBI). Bei VLBI-Beobachtungen sind gleichzeitige Messungen zwischen Teleskopen an verschiedenen Orten der Erde und die Übertragung der Daten nahezu in Echtzeit von Interesse. Diese auch als elektronisches VLBI (eVLBI) bezeichneten Projekte erfordern schnelle Datenleitungen zwischen Europa und Australien. Sie werden vom Programm EXPReS der europäischen Kommission unterstützt, innerhalb dessen das europäische Netzwerk in den Asien-Pazifik-Raum erweitert wird.

Die laufende Kooperation ist äußerst vielversprechend auf dem Gebiet der Pulsarforschung, speziell bei Timing-Untersuchungen von Millisekunden-Pulsaren im Rahmen des Europäischen Pulsar Timimg Netzwerks (EPTA). Technische Entwicklungen im Hochfrequenzbereich mit der Entwicklung von Empfängern bei 3,5 mm Wellenlänge für das Effelsberg-Teleskop ergänzen sich hervorragend mit Aktivitäten am ATCA als Pfadfinder für das "Atacama Large Millimeter Array" (ALMA) in Chile. Die vereinbarte Zusammenarbeit könnte auch die Entwicklung neuer "Pulsar Timimng" Hardware für das Effelsberg-Teleskop umfassen.

Ein aktuelles Beispiel eines Forschungsprojekts, bei dem die Teleskope beider Institutionen zum Einsatz kamen, ist die Erstentdeckung von Aminoacetonitril (NH2CH2CN) im Weltraum. Das ist ein komplexes Molekül, das womöglich eine chemische Vorstufe der Aminosäure Glycin darstellt. Die Entdeckung erfolgte mit dem IRAM 30m-Radioteleskop und wurde durch Beobachtungen mit den beiden Radiointerferometern Plateau de Bure und Australia Telescope Compact Array bestätigt.

Prof. Brian Boyle, der Direktor des ATNF, erklärt den Hintergrund zur Unterzeichnung des Abkommens: "Unsere langjährige Zusammenarbeit reicht von der Entwicklung von Empfängern auf dem neuesten Stand der Technik bis hin zur Erforschung des Universums an vorderster Front. Die Herausforderungen reichen von der Erforschung der Pulsare bis zu Untersuchungen der innersten Kernbereiche von Galaxien bei hoher Auflösung."

Australien und Deutschland haben eine lange Tradition in radiastronomischer Forschung. Die Ursprünge der Radioastronomie in Australien reichen zurück in die 30er und 40 Jahre. Die deutsche Radioastronomie hat ihren Beginn in den 50er Jahren, vor allem mit dem 25m-Radioteleskop auf dem Stockert. Ein entscheidender Schritt vorwärts in beiden Ländern war die Inbetriebnahme der beiden großen Parabolspiegel, des 64m-Teleskops bei Parkes und des 100m-Teleskops bei Effelsberg in der Eifel.

Das Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) ist eines von 80 Forschungsinstituten der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) in Deutschland; die "Australia Telescope National Facility" (ATNF) ist Teil der "Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation" (CSIRO) in Australien.

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