Vom frühen und späten Leben der Sterne

Erste astrophysikalische Ergebnisse mit dem AMBER-VLT-Interferometer

21. Februar 2007

Nach der erfolgreichen Installation des AMBER-Instruments (Astronomical Multi-BEam Recombiner) am Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der Europäischen Südsternwarte auf dem Cerro Paranal in Chile ernten die Wissenschaftler nun die Früchte ihrer Arbeit - darunter auch Forscher des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie. AMBER überlagert das infrarote Licht von drei Teleskopen des VLTI, wodurch man eine sehr hohe Bildschärfe erreichen kann, ein Verfahren, das man als Infrarot-Interferometrie bezeichnet. In dieser Woche veröffentlicht die Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics elf Artikel zum Thema AMBER/VLTI. Während drei dieser Artikel die technischen Aspekte des Instruments und der Datenverarbeitung behandeln, widmen sich die übrigen acht Artikel den ersten astrophysikalischen Studien. Sie illustrieren die Vielfalt an völlig neuartigen astrophysikalischen Erkenntnissen, die Wissenschaftler mit Hilfe des AMBER-VLT-Interferometers über die frühen und späten Entwicklungsphasen von Sternen gewonnen haben (Astronomy & Astrophysics, 21. Februar 2007).

Astronomische Messungen mit AMBER und drei Teleskopen des VLT-Interferometers (VLTI) liefern eine etwa 16-fach höhere Auflösung als jedes einzelne Teleskop mit seinen 8,2 Metern Spiegeldurchmesser. Das VLTI hat eine gesamte Spiegeloberfläche von mehr als 150 Quadratmetern und einem maximalen Abstand von mehr als 130 Metern zwischen den Einzelteleskopen. Damit ist es das weltweit größte Teleskop und Interferometer im optischen und infraroten Wellenlängenbereich. AMBER wurde von einem europäischen Konsortium gebaut und im März 2004 erfolgreich am VLTI installiert. Die Gruppe Infrarot-Interferometrie am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn unter Leitung von Prof. Gerd Weigelt war dabei für den Bau des Infrarot-Detektors zuständig. "Das AMBER/VLTI-Instrument eröffnet den Astronomen aufgrund seiner hohen räumlichen und spektralen Auflösung eine Fülle von völlig neuartigen Erkenntnissen auf den unterschiedlichsten Gebieten der stellaren Astrophysik", so Weigelt. "Das geht von den sehr frühen Phasen im Leben eines Sterns, in denen noch Materie aus der Umgebung auf den Stern einströmt, bis hin zu den sehr späten Entwicklungsstadien, in denen große Materiemengen wieder vom Stern abgestoßen werden." Die ersten wissenschaftlichen AMBER-Ergebnisse, die nun vorgestellt wurden, decken verschiedenste Themenbereiche auf dem Gebiet der stellaren Astrophysik ab.

Zwei der Publikationen beschäftigen sich mit so genannten Herbig Ae/Be-Sternen, einer Klasse von sehr jungen Sternen mit Massen zwischen dem zwei- und fünffachen der Masse unserer Sonne und einem Alter von weniger als 10 Millionen Jahren. Die beiden Artikel präsentieren AMBER-Beobachtungen des aktiven Sterns MWC 297 (Abb. 1) und des massearmen, weniger aktiven Sterns HD 104237. Die Studien beider Objekte enthüllen völlig neue Details über die windartigen Ausströmungen und die Geometrie der zirkumstellaren Gas- und Staubscheiben, in denen sich neue Planeten bilden können. Die Ergebnisse illustrieren die wichtige Rolle von AMBER als Werkzeug zur Untersuchung der unmittelbaren Umgebung von jungen Sternen.

Weitere der nun in Astronomy & Astrophysics erscheinenden AMBER-Artikel widmen sich dem Studium von heißen, aktiven Sternen, die schon seit geraumer Zeit das besondere Interesse der Astronomen auf sich gezogen haben: Alpha Arae, einer der nächstgelegenen so genannten Be-Sterne, Kappa Canis Majoris, einer der hellsten bekannten Be-Sterne, und CPD -57°2874, ein heißer Stern mit einem ungewöhnlichen Emissionslinienspektrum. Die AMBER-Messungen dieser 3 Sterne führten zu neuartigen Erkenntnissen über die rotierenden Gashüllen von Sternen dieser Objektklasse.

Zu den massereichen Sternen, die bereits mit AMBER beobachtet wurden, zählt auch der extrem massereiche und leuchtkräftige Veränderliche Eta Carinae. Dieses gleichermaßen rätselhafte wie faszinierende Objekt, das vor rund 160 Jahren einen gewaltigen Materieausbruch hatte, ist einer der leuchtkräftigsten und vermutlich auch massereichsten bislang bekannten Sterne. Seine Masse wird auf etwa das Hundertfache der Masse unserer Sonne geschätzt. Die Ursachen für den gewaltigen Ausbruch vor 160 Jahren, der zur Bildung des so genannten Homunculus-Nebels führte, sowie die Natur der zentralen Quelle von Eta Carinae sind bis heute nicht zweifelsfrei geklärt.

Mit AMBER und seiner hohen räumlichen und spektralen Auflösung ist es nun gelungen, einen Blick in das Zentrum von Eta Carinae zu werfen. In dieser innersten Region wird die Beobachtung durch einen sehr dichten Sternwind dominiert, der den darunter liegenden Zentralstern vollständig verhüllt. Die AMBER-Beobachtungen von Eta Carinae zeigen, dass dieser dichte Sternwind nicht kugelförmig ist, sondern eine eindeutig längliche Struktur besitzt. Wie die AMBER-Daten belegen, zeigt sich eine solche auffällige Abweichung von der Kugelsymmetrie sowohl bei Beobachtungen im Kontinuumslicht als auch bei Messungen im Licht einer charakteristischen Wasserstoff-Emissionslinie. Die Ausdehnung der beiden Regionen, aus denen die Kontinuums- und die Linienstrahlung stammen, unterscheidet sich dabei merklich voneinander. Während der dichte Sternwind im Kontinuum eine Ausdehnung von 10 Astronomischen Einheiten aufweist (dies entspricht rund 1,5 Milliarden Kilometer), konnte mit AMBER für die Zone der Linienemission eine etwa doppelt so große Ausdehnung gemessen werden. Insgesamt bestätigen die AMBER-Beobachtungen, dass die extrem hohe Massenabströmung des massereichen Zentralsterns von Eta Carinae nicht sphärisch symmetrisch ist und an den Polen deutlich stärker ausfällt als in der Äquatorebene. Dies ist im Einklang mit theoretischen Modellen, die für sehr schnell rotierende Sterne eine erhöhte Massenabströmung in polarer Richtung vorhersagen.

Einige der weiteren AMBER-Studien konzentrieren sich auf die Erforschung der späten Entwicklungsphasen von Einzelsternen und wechselwirkenden Doppelsternen. Beispiele hierfür sind der Doppelstern Gamma2 Velorum und die wiederkehrende Nova RS Ophiuchi. Bei Gamma2 Velorum handelt es sich um ein Doppelsternsystem bestehend aus einem so genannten Wolf-Rayet-Stern und einem heißen Stern vom Spektraltyp O. Die AMBER-Messungen dieses Systems zeigen, dass die beobachteten Emissionslinien aus einer Zone stammen, in der die mächtigen Winde beider Sterne kollidieren. Die berühmte wiederkehrende Nova RS Ophiuchi, die am 12. Feb. 2006 erstmals nach 21 Jahren wieder einen Ausbruch hatte, wurde mit AMBER nur 5 Tage nach der Entdeckung des Nova-Ausbruchs beobachtet. Dabei gelang es, die Geometrie und die Kinematik dieses Ausbruchs in einer sehr frühen Phase unmittelbar nach dem Ereignis zu untersuchen.

Zu AMBER:
AMBER (Astronomical Multi-BEam Recombiner) ist eines von zwei wissenschaftlichen Instrumenten des Very Large Telescope Interferometers (VLTI) der Europäischen Südsternwarte am Cerro Paranal in Chile. Es handelt sich dabei um ein im nahinfraroten Wellenlängenbereich (von 1.0 bis 2.5 Mikrometern) operierendes Strahlvereinigungsinstrument. AMBER wurde gemeinsam von wissenschaftlichen Gruppen in Grenoble (Laboratoire d’Astrophysique de Grenoble), Nizza (Laboratoire d’Astrophysique Universitaire de Nice und Observatoire de la Côte d’Azur), Florenz (Observatorio Astrofisico di Arcetri) und Bonn (Max-Planck Institut für Radioastronomie) gebaut.

Das grundlegende Prinzip der Interferometrie beruht auf der Überlagerung des Lichts, das von zwei oder mehr getrennt voneinander stehenden Teleskopen aufgesammelt wird. Je größer der Abstand zwischen den Teleskopen ist, desto schärfer (d.h. besser aufgelöst) sind die gewonnenen Signale. Im Falle der 8,2-Meter-Teleskope am VLTI in Chile beträgt der größte Teleskop-Abstand ca. 130 Meter. Dies ermöglicht eine räumliche Auflösung im Bereich von wenigen Milli-Bogensekunden. Mit solch einer hohen Auflösung wäre es möglich, Details von nur 2 Metern Ausdehnung auf dem Mond zu erkennen. Zusätzlich zur hohen räumlichen Auflösung liefert AMBER den Astronomen auch spektroskopische Informationen mit hoher spektraler Auflösung. Dies ermöglicht u.a. die detaillierte Beobachtung von Sternen in wichtigen Absorptions- und Emissionslinien. Somit vereint das AMBER-Instrument in einzigartiger Weise die hohe räumliche Auflösung eines Interferometers mit der hohen spektralen Auflösung eines Spektrographen.

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