Wissenschaftliche Schlüsselprojekte für LOFAR

Die an LOFAR beteiligten Forschungsinstitute führen sechs wissenschaftliche Schlüsselprojekte durch:
 
 1. Die Epoche der Re-Ionisation
 2. Radiodurchmusterungen des Himmels
 3. Kurzzeit-Radiosignale („Transients”) und Pulsare
 4. Kosmische Strahlung
 5. Kosmische Magnetfelder
 6. Radiostrahlung der Sonne und „Weltraumwetter”.
 
Alle 12 in GLOW zusammengeschlossenen Institute beteiligen sich an diesen Projekten.
 
Das erste Projekt hat die Untersuchung des kosmischen Zeitalters der Re-Ionisation zum Ziel, jener Epoche einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall, in der das Licht der ersten Sterne im jungen Kosmos die Wasserstoffatome in ihrer Umgebung ionisierte. Gemäß den Simulationen der Entwicklung des frühen Universums, wie sie z.B. am MPI für Astrophysik in Garching betrieben werden, sind schwache Signale auf Winkelskalen von einigen Bogenminuten am Himmel zu erwarten. Die ursprüngliche Frequenz der Radiolinie des Wasserstoffs bei 1420 MHz (entsprechend einer Wellenlänge von 21.2 cm) wird auf dem etwa 12 Milliarden Jahre langen Weg zu uns durch die Expansion des Universums um einen Faktor von rund 10 auf etwa 140 MHz rotverschoben (s. Seite Das junge Universum). Zur Entdeckung dieser Signale benötigt man eine große Konzentration von Antennen in einem Gebiet von ungefähr zwei Quadratkilometern Fläche. Diese Konfiguration liefert eine Auflösung von rund 3.5 Bogenminuten (die Winkelauflösung berechnet sich aus der beobachteten Wellenlänge geteilt durch den maximalen Abstand der Antennen).
 
Das zweite Schlüsselprojekt wird Radiodurchmusterungen des gesamten nördlichen Himmels durchführen, mit dem Ziel, einen Katalog von Radioquellen bei verschiedenen Frequenzen zu erstellen. Dessen Umfang wird gewaltig: Mit rund hundert Millionen Quellen soll der Katalog alle seine Vorgänger zusammengenommen um mehr als einen Faktor zehn übertreffen. Hierzu braucht man aber nicht nur viele Antennen, um die nötige Empfindlichkeit zu erreichen, sondern auch eine gute Winkelauflösung im Bereich einiger Bogensekunden, damit sich die vielen Quellen nicht überlagern. Daher müssen die Abstände zwischen einigen der Antennen hundert und mehr Kilometer betragen, also die internationalen Stationen mit einbeziehen.
 
In einem dritten Schlüsselprojekt will man die Flexibilität eines Softwareteleskops nutzen und Kurzzeitsignale jagen: „transiente” Radioquellen, die unerwartet und nur für kurze Zeit am Himmel erscheinen. Dazu gehören Radioausbrüche von Schwarzen Löchern und Supernovae, aber auch Radioblitze von nahen Sternen und extraterrestrischen Planeten. Von besonderem Interesse sind Pulsare, die bei langen Wellenlängen besonders stark strahlen, und dort läßt sich ihr Emissionsmechanismus gut studieren.
 
Das vierte Schlüsselprojekt ist der Untersuchung kosmischer Teilchen gewidmet. Der Ursprung dieser kosmischen Teilchen wird noch diskutiert, Supernovae und Jets von Schwarzen Löchern sind die wahrscheinlichsten Kandidaten. Einige dieser Teilchen erreichen Energien von bis zu 1020 Elektronenvolt. Sie bewegen sich also, wenn es Protonen sind, mit 99.999999999999999999995 % der Lichtgeschwindigkeit. Trifft ein solches Teilchen auf Atomkerne in der Erdatmosphäre, kommt es zu einer Art Massenkarambolage. Aus der Energie des einfallenden Teilchens entsteht ein Schauer von 100 Milliarden neuer Teilchen wie zum Beispiel Elektronen. Diese fliegen dann gemeinsam in pfannkuchenförmiger Formation - rund zwei Meter dick und mit einem Kilometer Durchmesser - mit nahezu Lichtgeschwindigkeit auf den Beobachter zu. Wie im Fall der Synchrotronstrahlung werden die Elektronen durch das Erdmagnetfeld abgelenkt und erzeugen Radiowellen. Da bei Frequenzen um 100 MHz die Wellenlänge mit rund drei Metern größer ist als die Dicke des Emissionsgebiets, wird diese Strahlung kohärent verstärkt. Die Folge ist ein Blitz, der im Radiobereich tausendmal heller leuchtet als die Sonne und nur ein Hunderttausendstel so lange dauert wie ein Gewitterblitz. Solche Radioblitze enthalten genaue Informationen über Art und Energie des auslösenden Teilchens, aber auch über die Richtung, aus der es kam.
 
Mit LOFAR ist es im Prinzip auch möglich, die Ankunft solcher Teilchen auf dem Mond zu detektieren. Weil dieser keine Atmosphäre besitzt, löst ein dort auftreffendes kosmisches Elementarteilchen erst im Mondboden einen Teilchenschauer aus. Die sich im Mondboden ausbreitenden Teilchen wiederum erzeugen durch den Cherenkov-Effekt niederfrequente Strahlung, wenn sich geladene Teilchen schneller durch ein Material bewegen als das Licht. (Licht breitet sich nur im Vakuum tatsächlich mit „Lichtgeschwindigkeit” aus, ist aber in allen anderen Medien langsamer.) Weil die niederfrequente Strahlung sogar einige hundert Meter Mondgestein durchdringen kann, verlässt sie den Trabanten zum Teil wieder und lässt sich von der Erde aus beobachten - zumindest dann, wenn die Energie der kosmischen Teilchen mindestens einige 1021 Elektronenvolt betrug. Das ist zehn Mal mehr als die energiereichsten bislang auf der Erde gemessenen Teilchen besaßen. Weil solch hohe Energien extrem selten sind, benötigt man eigentlich einen gewaltigen Detektor: Nutzt man den gesamten Mond als Detektorfläche, ist das gerade groß genug.
 
Zwei internationale Schlüsselprojekte wurden von deutschen Wissenschaftlern initiiert. „Kosmische Magnetfelder”, geleitet vom MPI für Radioastronomie in Bonn, will erstmals magnetische Felder zwischen den Galaxien mit Hilfe von Radiowellen nachweisen und deren Ursprung ergründen (Magnetfelder). Hierzu wurde 2010 eine durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Forschergruppe eingerichtet, geleitet von Wissenschaftlern aus acht deutschen Instituten. Zur Zeit werden 9 Doktoranden und 3 Postdocs aus den Mitteln dieser Forschergruppe bezahlt.
 
„Radiostrahlung der Sonne und Weltraumwetter”, unter der Leitung des AIP Potsdam, will Radio-Eruptionen der Sonne sehr viel genauer messen als bisher möglich und die Auswirkungen auf die Erde untersuchen (LOFAR solar key science project). Dazu sollen in regelmäßigen Abständen Radio-Sonnenbilder gemessen werden. Für ein Bild werden inklusive „Schwenken” nur wenige Sekunden benötigt. Sobald sich eine Eruption auf der Sonne ereignet, wird dessen Entwicklung genau verfolgt. Auch diese beiden Schlüsselprojekte benötigen eine hohe Auflösung und daher die langen Basislinien der europaweiten Stationen.
 
Alle Schlüsselprojekte erfordern sehr hohe Rechenleistung und Datenübertragungsraten. Von Deutschland aus werden die LOFAR-Daten über Hochleistungsverbindungen über das Forschungszentrum Jülich in die Niederlande geleitet. Im digitalen Herzen des Teleskops, im niederländischen Groningen, steht das LOFAR-Rechenzentrum, ein Superrechner vom Typ Blue Gene/P. Er korreliert die Daten aller Antennen in Realzeit miteinander. Seine Rechenleistung beträgt 27 Teraflops (27 Billionen Gleitkommaoperationen pro Sekunde), außerdem ist er für den schnellen Datendurchsatz von rund 300 Gigabit pro Sekunde optimiert.

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