Infrarot-Interferometrie der Aktiven Galaxie NGC 1068

Forschungsbericht (importiert) 2004 - Max-Planck-Institut für Radioastronomie

Autoren
Beckert, Thomas; Hofmann, Karlheinz; Hönig, Sebastian; Schertl, Dieter; Weigelt, Gerd
Abteilungen
Infrarot-Astronomie (Prof. Dr. Gerd Weigelt)
MPI für Radioastronomie, Bonn
Zusammenfassung
Speckle-interferometrische Messungen sowie Interferometrie mit langen Basislinien mit den Instrumenten VINCI und MIDI des Very Large Telescope Interferometers (VLTI) ermöglichten in den letzten Jahren die Auflösung des Kerns der Aktiven Galaxie NGC 1068 bei infraroten Wellenlängen im Bereich von 1,65 bis 13 µm. Damit kann nun erstmalig die innere Torus-Region in der Umgebung des Schwarzen Lochs von NGC 1068 direkt untersucht und mit Modellvorhersagen verglichen werden.

Aktive Galaxienkerne

Der Kern der Aktiven Galaxie NGC 1068 ist einer der interessantesten Kandidaten für ein aktiv akkretierendes, supermassives Schwarzes Loch. Die Akkretion von Materie auf Schwarze Löcher kann zu einer Reihe von energiereichen Phänomenen führen, wie zu relativistischen Ausströmungen, Akkretionsscheiben, zirkumnuklearen Regionen mit sehr breiten Spektrallinien und intensiver Röntgenstrahlung. Aktive Galaxien scheinen von einem Gas- und Staubtorus umgeben zu sein, der bisher aber noch nicht durch Beobachtungen direkt nachgewiesen werden konnte. Wenn die Beobachtungsrichtung stark gegen die Torus-Achse geneigt ist, kann dieser Torus das zentrale Schwarze Loch mit seiner es umgebenden Akkretionsscheibe verdecken. Für NGC 1068 wird ein Torus-Innenradius von etwa 0,1 bis 1 Parsec (pc) vorhergesagt (1 pc = 3,26 Lichtjahre = 3,09 × 1016 m). Bei einer Entfernung von NGC 1068 von 14,4 Millionen pc entspricht ein Torus-Innenradius von 1 pc einem Winkelabstand von nur 14 Millibogensekunden. So kleine Strukturen können nur mit interferometrischen Abbildungsmethoden untersucht werden.

In den letzten Jahren wurde die Kernregion von NGC 1068 erstmals im infraroten Spektralbereich räumlich aufgelöst. Messungen mit der Bispektrum-Speckle-Interferometrie lieferten Bilder bei Wellenlängen von 1,65 und 2,16 µm. Diese Bilder zeigen ein asymmetrisches Objekt mit einem Durchmesser von nur 18×39 Millibogensekunden oder 1,3×2,8 pc. Diese Ausdehnung ist nur wenig größer als der vorhergesagte Torus-Innenrandradius von etwa 0,1 bis 1 pc. Eine noch viel höhere Auflösung ermöglichte im Jahr 2003 die erste interferometrische Kombination von zwei getrennten 8-m-Teleskopen des Very Large Telecopes (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) bei einer Wellenlänge von 2,2 µm. Diese Messung führte zur Entdeckung einer Struktur, die wesentlich kleiner als 5 Millibogensekunden oder 0,4 pc ist. Im gleichen Jahr konnte NGC 1068 schließlich auch noch bei Infrarot-Wellenlängen von 8 bis 13 µm mit dem Instrument MIDI (Mid-Infrared Interferometric Instrument) des VLT-Interferometers untersucht werden.

Auflösung von NGC 1068 mit der Bispektrum-Speckle-Interferometrie (2,16 und 1,65 µm.

Mit der Bispektrum-Speckle-Interferometrie lassen sich sehr genaue Bilder von astronomischen Objekten erzeugen. Es wird eine sehr hohe Bildschärfe erreicht, weil die Auflösungsverminderung, die von Turbulenzen in der Erdatmosphäre verursacht wird, überwunden werden kann (siehe Film unter http://www.mpifr-bonn.mpg.de/div/ir-interferometry/). Messungen mit dieser Methode am 6-m-Teleskop des Special Astrophysical Observatory in Russland ermöglichten die Rekonstruktion von hochaufgelösten Bildern von NGC 1068 bei den Wellenlängen 2,16 µm (= K’-Band) und 1,65 µm (= H-Band). Das K’-Bild (Abb. 1) zeigt, dass die Kernregion von NGC 1068 auflösbar ist und eine Größe von nur 18×39 Millibogensekunden oder 1,3×2,8 pc hat. Die Unsicherheit der Messung beträgt nur ±4 Millibogensekunden. Dieses kompakte Objekt ist asymmetrisch und zeigt eine schweifartige Struktur in nord-westlicher Richtung, die auch im H-Band-Bild (Abb. 1) zu sehen ist. Aus den Bildern lässt sich auch die Helligkeit des kompakten Objektes ableiten, die für die Modellierung der Kernumgebung benötigt wird. Außer diesem kompakten Objekt ist im K’-Bild noch eine größere nördliche Komponente mit einer Ausdehnung von etwa 400 Millibogensekunden (rot im K’-Bild) zu erkennen.

Für die Interpretation des entdeckten 1,3×2,8-pc-Objektes spielt der Positionswinkel der Längsachse (~ nord-westliche Richtung) eine wichtige Rolle. Der Positionswinkel stimmt gut mit der Orientierung der westlichen Wand eines Ionisationskonus überein, der mit dem Hubble Space Telescope entdeckt wurde. Von großer Bedeutung ist außerdem der schon früher vorhergesagte Torus-Innenrandradius von 0,1 bis 1 pc. Zusammenfassend stützen unsere Messungen die folgende Interpretation. Die K’- und H-Band-Strahlung des 1,3×2,8-pc-Objektes setzt sich aus thermischer Staub-Emission und aus gestreutem Licht von der westlichen Wand einer Ausströmungsöffnung oder von der innersten Torus-Region zusammen. Diese Ausströmungsöffnung und der Torus werden von der zentralen Akkretionsscheibe des Schwarzen Lochs aufgeheizt.

Messung mit dem VINCI-Instrument des VLT-Interferometers bei der Wellenlänge 2,2 µm

Die erste Zwei-Teleskop-Interferometrie von NGC 1068 im nah-infraroten K-Band (bei 2,2 µm) wurde im Jahr 2003 mit dem VINCI-Instrument und zwei 8-m-Teleskopen der Europäischen Südsternwarte durchgeführt. Bei einer effektiven Teleskopbasislinie von 45,8 m konnten Interferogramme mit überraschend hohem Interferenzstreifenkontrast aufgenommen werden. Die Interpretation dieses VINCI-Streifenkontrastes und der oben genannten Speckle-Interferometrie-Messungen zeigen erstmals, dass der innere Kern von NGC 1068 sowohl aus Strukturen von der Größenordnung 30 Millibogensekunden als auch aus noch viel kleineren Substrukturen besteht. Die genaue Größe dieser Substrukturen lässt sich aus diesen Messungen noch nicht ableiten. Der Durchmesserbereich konnte aber auf 0 bis 5 Millibogensekunden eingegrenzt werden. Diese Substruktur wird möglicherweise durch Klumpigkeit des Torus verursacht oder stammt von der zentralen Akkretionsscheibe.

Spektro-Interferometrie mit dem MIDI-Instrument im Spektralbereich von 8 bis 13 µm

Im Jahr 2003 wurde NGC 1068 erstmalig mit dem MIDI-Instrument des VLT-Interferometers aufgelöst. Das MIDI-Instrument hat die einmalige Fähigkeit, gleichzeitig Interferogramme bei vielen verschiedenen Wellenlängen im Bereich von 8 bis 13 µm aufnehmen zu können. Dies ermöglicht die Detektion der Signaturen unterschiedlicher Staubtypen bei gleichzeitig höchster räumlicher Auflösung. MIDI-Interferometrie stellt also die vielversprechende Kombination von zwei wichtigen Messtechniken dar, nämlich der Interferometrie und der Spektroskopie. Abbildung 2 zeigt die erste derartige Messung des Interferenz-Streifenkontrastes von NGC 1068 als Funktion der Wellenlänge. Die Modellierung der MIDI-Messungen bei zwei verschiedenen Basislängen und Positionswinkeln ermöglichte die Entdeckung von zwei unterschiedlichen Strukturen. Die größere der beiden beobachteten Strukturen besteht aus warmem Staub mit einer Temperatur von etwa 320 K und ist mit einer Ausdehnung von 2,1×3,4 pc ähnlich groß wie das bei der Wellenlänge 2,16 µm beobachtete 1,3×2,8-pc-Objekt. Dieser warme Staub mit einer Temperatur von 320 K umgibt eine wesentlich kleinere Struktur, die eine Temperatur von mehr als 800 K and einem Durchmesser von weniger als 1 pc besitzt.

Strahlungstransportmodellierung des Torus von NGC 1068

Die hochaufgelösten Interferometrie-Messungen bei unterschiedlichen Wellenlängen ermöglichen zusammen mit der spektralen Energieverteilung eine quantitative Interpretation der zirkumnuklearen Region von NGC 1068. Dazu führt man Strahlungstransportmodellierungen durch, die physikalische Parameter des Galaxienkerns liefern. Ein wichtiger neuer Schritt bei dieser Modellierung ist die Berücksichtigung von Klumpigkeit im Torus. Abbildung 3 zeigt eine typische Intensitätsverteilung, die eine Strahlungstransportmodellierung eines solchen klumpigen Torus ergeben hat.

Vergleiche von theoretischen Modellvorhersagen mit interferometrischen Messungen im Infraroten und bei Radiowellenlängen ermöglichen es, ein besseres Verständnis der zirkumnuklearen Umgebung von Aktiven Galaxienkernen und der Fütterung von Schwarzen Löchern durch Akkretion zu erlangen und Modellvorhersagen des „Unification Schemes“ von Aktiven Galaxien zu testen. Die Infrarot-Interferometrie wird zeigen, ob die bisherigen Torus-Modelle zur Interpretation der Beobachtungen geeignet sind und welche zusätzlichen Eigenschaften berücksichtigt werden müssen. Außerdem können physikalische Eigenschaften von Ausströmungen und Jets sowie der Zusammenhang zwischen Aktiven Galaxienkernen und häufig beobachteter massiver Sternentstehung („Starburst“) in Kernnähe genauer untersucht werden. Es lässt sich auch erforschen, wie Akkretionsprozesse auf unterschiedlichen Längenskalen ablaufen und in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Dadurch können Informationen über die dynamischen Prozesse zwischen den Torus-Wolken, den daraus resultierenden Materietransport und das Füttern der Akkretionsscheibe des Schwarzen Lochs gewonnen werden. In diesem Zusammenhang wird die VLTI-Interferometrie mit ihrer hohen Winkelauflösung von 4 Milli-Bogensekunden bei einer Wellenlänge von 2 µm und ihrer herausragenden spektralen Auflösung von bis zu 10 000 einzigartige Forschungsmöglichkeiten eröffnen. Die Nah-Infrarot-Interferometrie-Instrumente sowohl des VLTI als auch des Large Binocular Telescopes, an deren Entwicklung unser Institut beteiligt ist, werden zu diesen Projekten viel beitragen.

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