Speckle-interferometrische Untersuchungen von jungen stellaren Objekten, Sternen in späten Entwicklungsstadien und Seyfertgalaxien.

T. Blöcker, A. Gauger, K.-H. Hofmann, J. Lichtenthäler, R. Osterbart, D. Schertl, G. Weigelt, M. Wittkowski, Y. Balega/SAO, T. Beckert, W.J. Duschl, M. Scholz/Univ. Heidelberg, A.J. Fleischer, J.M. Winters/Univ. Berlin, N. Langer, H. Zinnecker/Univ. Potsdam




Speckle-interferometrische Abbildungsmethoden liefern sehr hohe Winkelauflösung, weil sie die auflösungsbegrenzende Wirkung der Erdatmosphäre vollständig überwinden können. Mit dem russischen 6-m-Teleskop konnten wir z.B. erstmalig im optischen Spektralbereich bei der Wellenlänge 550 nm beugungstheoretische Bilder mit der faszinierenden Auflösung von 19 Millibogensekunden rekonstruieren und im Infraroten bei der Wellenlänge 2,2 Mikron (= 0.0022 mm, K-Band) Bilder mit 76 Millibogensekunden Auflösung erhalten. Damit ist es uns jetzt möglich, viele Schlüsselobjekte mit bisher bei optischen und infraroten Wellenlängen unerreichter Auflösung zu untersuchen. Noch sehr viel höhere Winkelauflösung wird in Zukunft durch optische Long-Baseline-Interferometrie mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte und dem Large Binocular Telescope in Arizona erzielt werden können.

Junge Sterne. - Sterne werden beim Gravitationskollaps von riesigen interstellaren Wolken aus Gas und Staub geboren. Bei diesem Kollaps kommt es zu einer Fragmentierung in einzelne kleine Wolken, aus denen nach weiterer Kontraktion sogenannte Protosterne entstehen, die zirkumstellare Gas- und Staubhüllen, Akkretionsscheiben und spektakuläre Massenausströmungen senkrecht zur Akkretionsscheibe haben können. Diese Massenausströmungen bei der Geburt von Sternen sind noch nicht sehr genau verstanden, aber Drehimpulsumverteilung, Freisetzung von Akkretionsenergie und Magnetfelder scheinen eine entscheidende Rolle zu spielen. Die dabei auftretenden Strukturen sind so komplex, daß zur Entschlüsselung ihrer physikalischen Eigenschaften hochaufgelöste Messungen bei unterschiedlichen Wellenlängen benötigt werden. Wir untersuchen deshalb junge Objekte mit Massenausströmungen mit Hilfe von speckle-interferometrischen Messungen am 6-m-SAO-Teleskop. Die hochaufgelösten Infrarotbilder werden zusammen mit Polarimetrie-Messungen und Radio-Interferometrie-Messungen zur Modellierung der Objekte (u.a. mittels Strahlungstransportrechnungen) verwendet. Abb. 1 zeigt z.B. eine Speckle-Masking-Messung der Massenausströmung des jungen stellaren Objektes S140IRS1 mit dem 6-m-Teleskop bei der Wellenlänge 2,2 Mikron. Nur der südliche Teil der Massenausströmung ist bei dieser Wellenlänge sichtbar. Die Infrarotbilder, Polarimetrie-Messungen und Radiointerferometrie-Messungen sprechen dafür, daß es sich bei S140IRS1 um einen massereichen Stern handelt, in dessen Umgebung sich eine zirkumstellare Staubscheibe und senkrecht dazu eine riesige Massenausströmung befinden. Der Stern wird von dieser Staubscheibe teilweise abgeschwächt, weil wir von der Erde aus etwa auf die Kante der Scheibe schauen. Durch die Pole der Scheibe kann Sternlicht entweichen und die umgebenden Strukturen beleuchten.

Sterne in späten Entwicklungsstadien. - Nach dem Ende des zentralen Wasserstoffbrennens verlassen Sterne die Hauptreihe des Hertzsprung-Russell-Diagramms und werden zu Roten Riesen, deren Helium-Kern immer kompakter wird, während sich die Hülle immer weiter ausdehnt. Schließlich zündet das Heliumkernbrennen, nach dessen Ende die Sterne aus einem sehr dichten Kohlenstoff/Sauerstoff-Kern, zwei nuklearen Schalenquellen und einer wasserstoffreichen Hülle bestehen. Im Laufe der folgenden Entwicklung wandern die Sterne den sogenannten Asymptotischen Riesenast im Hertzsprung-Russell-Diagramm hinauf. In dieser Phase werden Sterne AGB-Sterne genannt. Dieses Stadium wird von allen Sternen mit Anfangsmassen im Bereich von etwa 0,8 bis 8 Sonnenmassen durchlaufen. AGB-Sterne sind zumeist pulsationsinstabil und im Laufe ihrer Entwicklung kommt es zu immer heftiger werdenden Massenverlusten durch schock- und staubgetriebene Winde, die zur Ausbildung zirkumstellarer Staubhüllen führen. Eine sehr wichtige Klasse der pulsationsinstabilen AGB-Sterne sind die Mira-Veränderlichen. Durch den oft dramatisch ansteigenden Massenverlust können AGB-Sterne bis zu 85% ihrer Anfangsmasse verlieren. Dieser enorme Massenverlust ist nicht nur für die weitere Entwicklung der Sterne sondern auch für die Anreicherung des interstellaren Mediums mit schwereren Elementen von entscheidender Bedeutung. Das so von den AGB-Sternen ins interstellare Medium zurückgegebene, mit schwereren Elementen angereicherte Material kann dann später bei der Bildung von neuen Generationen von Sternen und eventuell Planeten und anderen Objekten teilnehmen.

Mit dem 6-m-Teleskop konnten wir unterschiedliche Eigenschaften von AGB-Sternen mit bisher im Infraroten unerreichter Auflösung untersuchen. So konnten die Photosphären von mehreren Mira-Sternen bei optischen und infraroten Wellenlängen aufgelöst werden. Es wurde z.B. der Durchmesser von R Leo in der starken 673 nm-TiO-Bande zu 76 Millibogensekunden, bei 700 nm (schwache TiO-Absorption) zu 53 Millibogensekunden und im Kontinuum bei 1043 nm zu 38 Millibogensekunden bestimmt. Solche Messungen werden zur quantitativen Analyse der Photosphären von Mira-Sternen benötigt. Diese Analyse ist zur Eichung und zur Weiterentwicklung von theoretischen Modellen wichtig. Bei den gemessenen Objekten wurde die Wellenlängenabhängigkeit des Durchmessers bestimmt und mit den Vorhersagen von theoretischen Modellen verglichen.

Weiterhin konnten auch die Staubhüllen von Sternen in späten Entwicklungsstadien untersucht werden. Mit dem 6-m-Teleskop konnten wir viele Schlüsselobjekte im Infraroten auflösen. So wurde z.B. die Staubhülle des nahen, extremen Kohlenstoffsterns IRC +10 216 bei verschiedenen Wellenlängen untersucht. IRC +10 216 befindet sich in einem weit fortgeschrittenen Entwicklungsstadium auf dem Asymptotischen Riesenast. Die Speckle-Masking-Rekonstruktionen (siehe Abb. 2) zeigen erstmals, daß die IRC +10 216-Staubhülle sogar in unmittelbarer Nähe des Sterns eine klumpige Struktur aufweist. Es wurden mindestens fünf Wolken im Abstand von 100 bis 210 Millibogensekunden (16 bis 34 Astronomische Einheiten) vom Zentralstern aufgelöst, die sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 18 Millibogensekunden pro Jahr (3 Astronomische Einheiten pro Jahr) vom Zentralstern entfernen. Zur Interpretation der Messungen wurden die beobachteten Staubschalenstrukturen mit theoretischen Modellen für kohlenstoffreiche zirkumstellare Staubhüllen verglichen. Das Auftreten sehr starker Fragmentierung des zirkumstellaren Materials relativ nahe der Staubkondensationszone legt einen bereits an der Sternoberfläche inhomogen stattfindenden Abströmungsprozeß nahe. Das Entstehen inhomogener Massenverluste geht wahrscheinlich auf die extreme Ausdehnung der oberflächennahen Konvektionszellen Roter Riesen (Supergranulation) und die damit verbundenen großskaligen Dichte-Temperatur-Fluktuationen zurück. Der Massenverlust in noch späteren Stadien der Sternentwicklung konnte durch Messungen von Protoplanetarischen Nebeln untersucht werden.

Ein Schlüsselobjekt für das Verständnis der Entwicklung massereicher Sterne (Masse größer 10 Sonnenmassen) stellt der Überriese IRC +10 420 dar. Dieses Objekt zeichnet sich nicht nur durch hohe Massenverlustraten und eine komplexe zirkumstellare Staubhülle aus, sondern entwickelt sich auch äußerst rasch durch das Hertzsprung-Russell-Diagramm, wie der dramatische Anstieg der Effektivtemperatur in den letzten 20 Jahren von 6000 auf 8000 K zeigt. Die beobachtete Temperatur und auch die Entwicklungszeitskala sind typisch für massereiche Sterne, die sich während des zentralen Heliumbrennens aufgrund starker Massenverluste vom roten zum blauen Spektralbereich entwickeln. IRC +10 420 ist damit das bislang einzige Objekt, das in dieser Übergangphase zum Wolf-Rayet-Stadium, an dessen Ende der Stern als Supernova explodiert, beobachtet wurde. Sternentwicklungsrechnungen legen eine Anfangsmasse von etwa 40 Sonnenmassen nahe. Unsere speckle-interferometrischen Messungen bei 2,2 Mikron zeigen, daß 40% des beobachteten Flusses aus einer ausgedehnten Hülle mit 260 Millibogensekunden Durchmesser kommen und 60% dem nicht aufgelösten Zentralobjekt zuzuordnen sind. Zur Interpretation der IRC + 10 420-Messungen wurden Sternentwicklungsrechnungen und Strahlungstransportrechnungen unter Berücksichtigung der aufgelösten Hüllenstrukturen begonnen.

Seyfert-Galaxien. - Seyfert-Galaxienkerne gehören ebenso wie z.B. Quasare zur Klasse der aktiven Galaxienkerne, in deren Zentren sich wahrscheinlich supermassive Schwarze Löcher mit starker Massenakkretion befinden. Diese supermassiven Schwarzen Löcher haben wahrscheinlich Massen von etwa 106 bis 109 Sonnenmassen. Seit einiger Zeit wird versucht, die unterschiedlichen Erscheinungsformen der aktiven Galaxienkerne mit Hilfe eines einheitlichen physikalischen Modells zu beschreiben. Es gibt z.B. Seyfert-1-Galaxien, die sowohl schmale als auch breite Emissonslinien zeigen, und andererseits Seyfert-2-Galaxien, die nur schmale Emissonslinien zeigen. Dieser Unterschied wird damit erklärt, daß sich in der Umgebung des zentralen Schwarzen Lochs eine Quelle befindet, die breite Linien emittiert und von einem Torus aus Staub und Gas so umgeben ist, daß je nach Orientierung zum Beobachter der direkte Blick auf diese zentrale Quelle möglich (Seyfert-1) oder nicht möglich ist (Seyfert-2). Senkrecht zur Ebene des Torus können Materieteilchen und Photonen emittiert werden, die z.B. als Radio-Jets beobachtet werden.

Der Kern der Prototyp-Seyfert-2-Galaxie NGC 1068 ist einer der nächsten und hellsten aktiven Galaxienkerne und deshalb besonders gut zur Untersuchung der innersten Bereiche geeignet. Mit dem 6-m-Teleskop konnten wir von diesem Schlüsselobjekt erstmals 2,2 Mikron Speckle-Masking-Messungen mit beugungstheoretischer Winkelauflösung von 76 Millibogensekunden (~5.5 pc) durchführen. Diese Auflösung gestattet es, den gemessenen Fluß der dominierenden Infrarot-Quelle nur einer der Radio-Quellen zuzuordnen. Die Speckle-Messungen (siehe Abb. 3) zeigen, daß die rekonstruierte Visibility-Funktion (Betrag der Objekt-Fouriertransformierten) des Objektes stark abfällt. Ein Visibility-Gauß-Fit ergibt für den Durchmesser des aufgelösten 2,2 Mikron-Objektes einen Wert von 30 Millibogensekunden ~2 pc. Das Bild ist länglich in Nord-Süd-Richtung, also etwa in Richtung des Radiojets. Eine mögliche Interpretation des Bildes ist, daß der postulierte Staubtorus aufgelöst wurde und seine 2,2 Mikron-Größe bestimmt wurde. Eine weitere Interpretationsmöglichkeit besteht darin, daß das längliche Bild streuendes Material oberhalb und unterhalb des Torus zeigt. In diesem Fall haben wir die interessante Möglichkeit, gestreutes Licht aus der zentralen Quelle zu analysieren. Das Spektrum dieser Quelle folgt zwischen 5 GHz und dem K-Band einer ν1/3-Proportionalität. Die Modellierung des NGC 1068-Spektrums durch ein Synchrotron-Spektrum erlaubte eine Bestimmung von physikalischen Parametern der innersten Quelle. Es konnte so z.B. der Radius der Synchrotronquelle zu ~0.01 Millibogensekunden ~130 Astronomische Einheiten, die Magentfeldstärke zu ~11 G und die mittlere Elektronenenergie zu ~2.7 GeV bestimmt werden.

Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1998. Copyright © 1998 Max-Planck-Institut f. Radioastronomie.

ur 3/2013

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