Infrarot-Interferometrie des rätselhaften Sterns η Carinae

Forschungsbericht (importiert) 2007 - Max-Planck-Institut für Radioastronomie

Autoren
Driebe, Thomas; Hofmann, Karl-Heinz; Kraus, Stefan; Schertl, Dieter; Weigelt, Gerd
Abteilungen
Infrarot-Astronomie (Prof. Dr. Gerd Weigelt)
MPI für Radioastronomie, Bonn
Zusammenfassung
Messungen mit dem Very Large Telescope Interferometer der Europäischen Südsternwarte ermöglichten erstmalig spektro-interferometrische Untersuchungen des leuchtkräftigen, veränderlichen Sterns η Carinae mit hoher spektraler Auflösung [1]. Ziel war die Erforschung des undurchsichtigen Sternwindes von η Carinae mit einer Winkelauflösung von 5 Milli-Bogensekunden.

Einleitung

Der Stern η Carinae (kurz: η Car) ist einer der rätselhaftesten Sterne unseres Milchstraßensystems. Er gehört zur Klasse der Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen und ist ungefähr 100-mal so massereich wie die Sonne. Von η Car strömt kontinuierlich Materie mit hoher Geschwindigkeit (ca. 500 km/s) in Form eines Sternwindes ab. Die pro Jahr abströmende Masse entspricht etwa einem tausendstel der Masse unserer Sonne. Deshalb ist η Car von einer undurchsichtigen, asphärischen Zone aus Gas und Staub eingehüllt, die man als Sternwind bezeichnet. Die physikalischen Eigenschaften dieses Sternwindes lassen sich mithilfe theoretischer Modelle heißer, leuchtkräftiger und extrem schnell rotierender Sterne verstehen. Diese Modelle sagen im Einklang mit den Beobachtungen eine viel höhere Geschwindigkeit und eine größere Dichte des Sternwindes in polarer als in äquatorialer Richtung voraus.

VLTI-AMBER-Messungen

AMBER ist das Nahinfrarot Interferometrie Instrument des Very Large Telescope Interferometers (VLTI), das sich am Observatorium der Europäischen Südsternwarte (ESO) auf dem Berg Paranal in Chile befindet. AMBER wurde gemeinsam von Instituten in Nizza, Grenoble, Florenz und Bonn gebaut und im Jahre 2004 fertig gestellt. Die Infrarot-Interferometrie-Gruppe des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie hat hierbei das Detektorsystem beigesteuert. AMBER ist ein im nahinfraroten Spektralbereich (zwischen 1,0 und 2,4 μm) operierendes Instrument, welches das von drei verschiedenen Teleskopen gesammelte Licht interferometrisch vereinigt und spektral zerlegt, sodass für viele verschiedene Wellenlängen ein charakteristisches Streifenmuster entsteht (Abb. 1).

Aus dem Kontrast der AMBER-Interferenzstreifen, der auch Visibility genannt wird, können Größe und Geometrie eines astronomischen Objektes mit hoher Winkelauflösung und spektraler Auflösung abgeleitet werden. Wie hoch die erreichbare Winkelauflösung ist, richtet sich dabei nach dem maximalen Abstand der Teleskope, während die spektrale Auflösung durch den verwendeten Spektrographen bestimmt ist. Im Falle von AMBER können spektrale Auflösungen bis zu λ/Δλ = 12000 erreicht werden.

Neben der Visibility wird mit AMBER auch die differentielle Phase (DP) des Objektes gemessen. Diese ist ein Maß für die wellenlängenabhängige Verschiebung des Lichtschwerpunktes des Objekts. Eine weitere wichtige Messgröße des AMBER-Instruments ist die Closure-Phase (CP). Sie ist ein Maß für die Asymmetrie der Intensitätsverteilung eines Objekts.

Die AMBER-Messungen von η Car wurden mit drei Teleskopen von je 8,2 m Spiegeldurchmesser durchgeführt. Bei einem maximalen Teleskopabstand von 89 m wurde dabei im infraroten Spektralbereich zwischen 2,0 und 2,4 μm eine Winkelauflösung von 5 Milli-Bogensekunden erreicht. In Abbildung 1 sind exemplarisch zwei AMBER-Roh-Interferogramme mit hoher (oben) und mittlerer (unten) spektraler Auflösung wiedergegeben. Diese Daten wurden im Bereich einer hellen und stark geschwindigkeits-verbreiterten Emissionslinie des Wasserstoffs (der Brγ-Linie) gewonnen, die man in der Abbildung als helle Flecken erkennt. Die hohe spektrale Auflösung erlaubt detaillierte Untersuchungen der Kinematik des heißen, von η Car abströmenden Gases. Außerdem wurden Messungen in einer Helium-Emissionslinie durchgeführt (He I-Linie), die Informationen über eine mögliche Kollisionszone zweier Sternwinde im Zentrum von η Car liefert.

In Abbildung 2 sieht man verschiedene AMBER-Messungen in der Umgebung der Brγ-Emissionslinie. Man erkennt deutlich ein Absinken der Visibility im Bereich der Linien. Dies bedeutet, dass η Car im Licht der Emissionslinie größer erscheint als im Kontinuumslicht. Die deutlich von Null verschiedenen differentiellen und Closure-Phasen innerhalb der Linie weisen außerdem auf eine räumliche Verschiebung des Intensitätssschwerpunktes bzw. eine Abweichung von einer punkt-symmetrischen Intensitätsverteilung hin [1].

Ergebnisse

Abbildung 3 zeigt den Vergleich der mit AMBER gemessenen Spektren und Visibilities (rote Kurven) mit dem Strahlungstransportmodell von Hillier et al. [1]. Wie die Abbildung verdeutlicht, ist die Übereinstimmung zwischen Modell und Beobachtung im Falle der Brγ-Linie und des angrenzenden Kontinuums sehr gut [2]. Insbesondere wird die mit AMBER gemessene Wellenlängenabhängigkeit der Visibility innerhalb der Brγ-Linie vom Hillier-Modell gut wiedergegeben. Im Falle der He I-Emissionslinie (rechte Spalte in Abb. 3) ist die Situation anders. Zwar findet man auch hier eine gute Übereinstimmung der gemessenen und theoretischen Visibility im Bereich des Kontinuums, innerhalb der He I-Linie zeigen sich hingegen klare Unterschiede in der Wellenlängenabhängigkeit der Visibility. Dies deutet darauf hin, dass der Mechanismus, der zur Aussendung der He I-Linie führt, ein anderer ist als vom Modell vorhergesagt. Möglicherweise spielt die hypothetische Doppelsternnatur von η Car und die Kollisionszone der beiden Sternwinde hierbei eine wichtige Rolle.

Anhand der mit AMBER gemessenen Wellenlängenabhängigkeit der Visibility kann der Durchmesser der dichten Windzone von η Car sowohl im Kontinuum als auch innerhalb der beiden Emissionslinien bestimmt werden. Im Falle des Kontinuums wurde dabei ein Durchmesser von 4,3 Milli-Bogensekunden ermittelt, während innerhalb der Brγ- und He I-Emissionslinie Durchmesser von 6,5 bzw. 9,6 Milli-Bogensekunden gemessen wurden. Dies bedeutet, dass η Car im Licht der beiden Emissionslinien etwa eineinhalb- bzw. zweimal so groß erscheint wie im Kontinuum, da das Licht dieser beiden Linien in einer ausgedehnteren Zone um den Zentralstern emittiert wird. Darüber hinaus konnte durch die Messung festgestellt werden, dass die Windregion nicht sphärisch-symmetrisch ist. Insgesamt bestätigen die AMBER-Beobachtungen damit theoretische Modelle, die für massereiche, sehr schnell rotierende Sterne einen erhöhten Massenausfluss in polarer Richtung vorhersagen [3].

Eine genauere Interpretation der AMBER-Beobachtungen von η Car unter Einbeziehung aller Observablen hat zu dem Wind-Modell geführt, welches in Abbildung 4 illustriert ist. In diesem Modell ist der Sternwind am dichtesten und schnellsten in polarer Richtung und nimmt zum Äquator hin an Dichte und Geschwindigkeit ab. Interessanterweise fällt die Symmetrieachse dieses Sternwindes ungefähr mit der Hauptachse des Homunculus-Nebels, der η Car umgibt, zusammen. Ein Beobachter auf der Erde schaut dabei vorrangig auf die südliche Polarregion des Sternwindes, d.h. auf das schnelle Gas, das auf den Betrachter zuströmt und dessen Licht blau verschoben ist. Deshalb erscheint der Sternwind im Licht der blau verschobenen Komponente der Brγ-Emissionslinie räumlich größer als der vom Beobachter abgewandte, teilweise abgedeckte, rot verschobene Sternwind. Dies erklärt sowohl die tiefere Visibility im kurzwelligen Teil der Emissionslinie im Vergleich zum langwelligen Teil (siehe Abb. 2) als auch die von Null verschiedenen differentiellen und Closure-Phasen im Bereich der Emissionslinie.

Originalveröffentlichungen

1.
Hillier, D.J., K. Davidson, K. Ishibashiand T. Gull:
On the Nature of the Central Source in η Carinae
Astrophysical Journal 553, 837-838 (2001).
2.
Owocki, S.P., S.R. Cranmer and K.G. Gayley:
Mass loss from rotating hot-stars: Inhibition of wind compressed disks by nonradial lineforces
Astrophysics & Space Science 260, 149-152 (1998).
3.
Weigelt, G. et al.:
Near-infrared interferometry of η Carinae with spectral resolutions of 1500 and 12000 using AMBER/VLTI
Astronomy & Astrophysics 464, 87 (2007).
Zur Redakteursansicht